Der Kahlgrund erstreckt sich im Einzugsgebiet des namensgebenden Flusses Kahl zum größten Teil im bayerischen Landkreis Aschaffenburg sowie teilweise im hessischen Main-Kinzig-Kreis. Der bayerische Teil lag bis 1972 vollständig im ehemaligen Landkreis Alzenau (Kfz-Kennzeichen ALZ). Nebentäler wie der Westerngrund, der Hutzelgrund oder der Teufelsgrund sowie das Prischoß gehören mit zur Landschaft Kahlgrund. Der Name Kahltal dagegen wird nur für das Tal der Kahl von der Kahlquelle an der Bamberger Mühle bis zur Mündung in den Main bei Kahl am Main verwendet.
Der obere Kahlgrund gehörte zu dieser Zeit dem Landgericht Krombach, das ein Teil des Kurstaats Mainz war. Dieser vergab einige Gebiete als Lehen an verschiedene Adelshäuser, wie die Herren von Büdingen, die Grafen von Rieneck oder die von Schönborn. Das Gebiet des Freigerichts Wilmundsheim wurde nur an reichsunmittelbare Adlige verliehen. Größter Grundbesitzer war der Abt des Klosters Seligenstadt, der auch als Obermärker fungierte. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts bemühten sich Kurmainz und die Grafen von Hanau um die Landesherrschaft im Freigericht. Kurmainz erbaute deshalb von 1395 bis 1399 die Burg Alzenau.[1] Das unterhalb der Burg, gegenüber von Wilmundsheim entstandene Dorf, erhielt im Jahr 1401 durch König Ruprecht das Stadtrecht.
Nachdem 1736 der letzte Graf von Hanau starb, besetzte Kurmainz das Freigericht militärisch. Daraufhin wurde das Gebiet zerteilt. Das Gericht Somborn kam, aufgrund eines Erbvertrages, im Jahr 1740 als Amt Somborn (ohne Albstadt) an die Landgrafschaft Hessen-Kassel, die später im Kurfürstentum Hessen aufging, und wurde durch das Amt Altenhaßlau mitverwaltet. Das übrige Freigericht wurde als Amt Alzenau in den Kurstaat Mainz eingegliedert. Kurmainz schuf für das Amt eine eigene Kellerei, mit Sitz in der Burg Alzenau, die für Verwaltung und Justiz im unteren Kahlgrund zuständig war. Im mittleren und oberen Kahlgrund gab es das Amt Kaltenberg und das Amt Krombach.
Nach dem Wiener Kongress und mit der Gründung des Deutschen Bundes gehörte ab dem Jahr 1814 der obere Kahlgrund sowie das gesamte Gebiet des alten Fürstentums Aschaffenburg (auch mit dem Verwaltungsgebiet um Orb) zum Königreich Bayern. Erst zwei Jahre später wurde das Amt Alzenau bayerisch. Dabei wurden die LandgerichteAlzenau und Kaltenberg errichtet. Der nun zu Bayern gekommene Teil des Kahlgrunds ging 1817, durch diese Eingliederung und dem Anschluss des Großherzogtums Würzburg, im neu geschaffenen Untermainkreis, dem Vorläufer von Unterfranken, auf.
Im Zuge der Verwaltungsreformen im Königreich Bayern, wurden mit dem Gemeindeedikt von 1818 die meisten Dörfer im Kahlgrund zu selbstständigen Gemeinden. 1829 wurde das Landgericht Kaltenberg aufgelöst und sein Gebiet auf die Landgerichte Aschaffenburg und Alzenau aufgeteilt. Im Jahr 1838 benannte man den Bezirk Untermainkreis in Unterfranken und Aschaffenburg um. 1840 wurde der Gutsbezirk Hüttelngesäß aus dem Königreich Bayern dem Kreis Gelnhausen (Vorläufer des Landkreises) im Kurfürstentum Hessen (ab 1866, nach dem Deutschen Krieg Provinz Hessen-Nassau im Königreich Preußen) zugeschlagen. Am 3. September 1858 wurde das Landgericht Schöllkrippen aus Teilen der Landgerichtsbezirke Alzenau, Rothenbuch und dem Gebiet des aufgelösten Landgerichts Kaltenberg, das nach Aschaffenburg eingegliedert wurde, gebildet.
Im Jahr 1862, nach der Trennung von Justiz und Verwaltung, wurde durch das Zusammenlegen der Landgerichte Alzenau und Schöllkrippen das Bezirksamt Alzenau gebildet, auf dessen Verwaltungsgebiet der komplette bayerische Kahlgrund lag. 1939 wurde wie überall im Deutschen Reich die Bezeichnung Landkreis eingeführt. Das Bezirksamt wurde dadurch zum Landkreis und der Kahlgrund gehörte somit zum Landkreis Alzenau. Die Grenzen des Landkreises sah man nun auch als Grenzen des Kahlgrundes. Der Name des Bezirks Unterfranken und Aschaffenburg wurde zur selben Zeit in Mainfranken geändert.
Nach dem Ersten Weltkrieg errichtete das Deutsche Reich zwischen 1936 und 1937 hunderte Bunkeranlagen der Wetterau-Main-Tauber-Stellung als Westverteidigung gegen die Alliierten. Dieser militärische Verteidigungsgürtel verlief auch durch den unteren Kahlgrund, an den Hängen der Sölzert und des Hahnenkamms, von Horbach, über Michelbach, Wasserlos und Hörstein nach Dettingen. Im Bereich der Herrnmühle wurde ein Panzergraben ausgehoben. Die Bunker wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den US-Streitkräften gesprengt und zum Teil mit Erde zugeschüttet, jedoch kann man einige Ruinen auch heute noch im Wald sehen.
1945 wurde die zuvor preußische Provinz Hessen-Nassau, in der auch Hüttelngesäß und das Gebiet nördlich der Kahlmündung lag, und der Volksstaat Hessen (zuvor Großherzogtum Hessen), auf der gegenüberliegenden Mainseite, zu Groß-Hessen (heute Land Hessen) in der Amerikanischen Besatzungszone vereint. Der bayerische Regierungsbezirk Mainfranken bekam 1946 seinen heutigen Namen Unterfranken.
Mit Auflösung des Landkreises Alzenau im Jahre 1972 kam dessen Gebiet in den neu gebildeten Landkreis Aschaffenburg. Im Zuge dieser Gebietsreform in Bayern, wurden viele der ursprünglich selbstständigen Gemeinden im Kahlgrund zusammengelegt. 1974 wurden dann auch die benachbarten hessischen Landkreise Gelnhausen und Hanau in den Main-Kinzig-Kreis eingegliedert.
Historisch gesehen war vor allem der obere Teil des Tals eines der letzten Notstandsgebiete Bayerns/Frankens mit sehr hoher Armut. Die karge Landwirtschaft wurde damals vornehmlich durch Fabrik- und Heimarbeit (vor allem Textilien- und Zigarrenproduktion) ergänzt. Die zunehmende Industrieansiedlung und die verbesserte Verkehrsanbindung hat den Kahlgrund heute zu einer eher wohlhabenden Gegend mit engem Anschluss an das Rhein-Main-Gebiet gemacht.
Frühere Orte
Orte im Kahlgrund die heute nicht mehr existieren (in Klammern die heutige Gemarkung):
Der gesamte Kahlgrund liegt in der gemäßigten Klimazone. Vor allem in den Wintermonaten fallen im oberen und mittleren Kahlgrund im Durchschnitt größere Niederschlagsmengen als im unteren. In der Regel ist der Juli der wärmste und der Januar der kälteste Monat des Jahres. Die tiefste gemessene Temperatur des Kahlgrundes lag seit Messbeginn (1946) am 10. Februar 1956 bei −22,8 °C; die höchste am 25. Juli 2019 bei 40,3 °C.[A 8] Kahl und Großwelzheim im unteren Kahlgrund sind die wärmsten Orte Bayerns.
Im Mittel fallen im Kahlgrund zwischen 700 und etwa 1000 l/m² Niederschlag (890 l/m² in Niedersteinbach, 710 l/m² in Kahl). Die durchschnittliche Sonnenscheindauer liegt im Jahr bei 1528 Stunden[A 9]. An ungefähr 70 Tagen sind die Temperaturen im Kahlgrund durchschnittlich unter null Grad Celsius (Frosttage); Tage mit Dauerfrost (Eistage) sind es im Jahr etwa 11.[A 8] An ungefähr 15 Tagen im Jahr liegt im Kahlgrund eine messbare Schneedecke (Schneedeckentag). Tage über 25 °C (Sommertage) gibt es im Durchschnittsjahr rund 61, Tage über 30 °C (heiße Tage) etwa 18 und Wüstentage zwei.[A 8]
Vor Beginn der Klimaerwärmung 1988 wurden im Mittel rund 84 Frosttage, circa 17 Eistage, ungefähr 29 Schneedeckentage, etwa 48 Sommertage, 12 heiße Tage und kein Wüstentag im Kahlgrund verzeichnet.[3]
Wirtschaft und Infrastruktur
Landwirtschaft und Weinbau
Bekannte lokale Erzeugnisse sind der Apfelwein (lokal: Äbbelwoi) und Obstbrände. Auch Frankenwein wird im unteren Kahlgrund in den Weinorten Michelbach (Aloisengarten, Apostelgarten, Goldberg und Steinberg), Wasserlos (Luhmännchen, Schlossberg) und Hörstein (Abtsberg, Käfernberg und Reuschberg) angebaut. In Albstadt wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts, nördlich der Straße nach Neuses (alte Weinbergsterrassen noch erkennbar[4]), der Weinbau betrieben. Auch der Straßenname Wingertstraße in Alzenau erinnert an einen früher dort liegenden Weinberg.
Verkehr
Seit 1898 ist das gesamte Tal ab Schöllkrippen von einer Normalspur-Eisenbahnlinie durchzogen und mittlerweile an den Rhein-Main-Verkehrsverbund angeschlossen. Die Züge der Bahnstrecke Kahl–Schöllkrippen werden im lokalen Sprachgebrauch als „Bembel“ bezeichnet. Auch historische Eisenbahnen mit Dampflokomotiven sind auf dieser Strecke an manchen Feiertagen wie Ostern oder dem Tag der Arbeit unterwegs.
Die Staatsstraße 2305 verläuft im Kahlgrund von Michelbach bis zur Bamberger Mühle. Bei Alzenau wird das Kahltal von der A 45 gequert.
Fast alle katholischen Kirchen des Kahlgrundes stehen im Bezirk des Dekanates Alzenau. Kleine Randgebiete befinden sich im Tätigkeitsbereich der Dekanate Aschaffenburg-Ost und Aschaffenburg-West. Die evangelischen Kirchengebäude befinden sich auf dem Gebiet des Dekanates Aschaffenburg. Folgende Kirchen stehen im Kahlgrund (in Klammern Ort und Pfarrgemeinschaft):
Katholisch:
Dreifaltigkeitskapelle (Alzenau, St. Benedikt am Hahnenkamm)
Josef August Eichelsbacher: Heimatbuch des Kahlgrundes. I. Teil, Geschichte und Sagen. 1928.
Josef August Eichelsbacher: Heimatbuch des Kahlgrundes. II. Teil, Land und Leute. 1930.
Josef August Eichelsbacher: Mein Kahlgrund. Land und Leute – Geschichte und Sage. 3. Auflage. Halbig, Würzburg 1959, urn:nbn:de:bvb:355-ubr21660-2.
Unser Kahlgrund. Heimatjahrbuch für den Landkreis Alzenau. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft zur Heimatforschung und Heimatpflege des Landkreises Alzenau, Landrat des Kreises. ISSN0933-1328 (1956–2015).
↑ abcdefghiWird wegen der Lage im früheren Landkreis Alzenau zur Landschaft Kahlgrund gezählt. Landkreis Alzenau und Kahlgrund waren teilweise synonym.
↑ abcWird wegen der Lage im Einzugsgebiet der Kahl zur Landschaft Kahlgrund gezählt.
↑Die Einwohnerverringerung im 17. Jahrhundert kam durch die Pest, Hexenwahn und Verwüstung im Dreißigjährigen Krieg zustande.
↑Der Grenzverlauf der historischen Territorien kann stark abweichend dargestellt sein. Die Zugehörigkeit einiger Dörfer konnte nicht exakt nachgewiesen werden. Die Ortsnamen wurden in ihrer heutigen Namensform eingetragen.
↑Früherer Ortsname vom heutigen Dorf Dörnsteinbach
↑Früherer Name vom Oberdorf des Ortes Steinbach. Der Name des Unterdorfes wurde auf den kompletten heutigen Ort Niedersteinbach übertragen.
↑Gerhard Nees, Hermann Kehrer: Alzenauer Wetterchronik. Die interessantesten Wetterereignisse in Alzenau, im Kahlgrund und am Untermain von 365 bis 1999. Reinhold Keim Verlag, Großkrotzenburg 2002, ISBN 3-921535-51-4.
↑Informationstafel des Archäologischen Spessartprojekts: Albstadt, mittelalterliche Siedlung