Ferdinand Blum (* 3. Oktober 1865 in Frankfurt am Main; † 15. November 1959 in Zürich) war ein deutscher Physiologe.
Der Sohn[1] des Pädagogen und Naturwissenschaftlers Isaak Blum wurde 1889 in Freiburg im Breisgau mit einer Dissertation zum Thema Experimentaluntersuchungen über die Salzsäurebindung bei künstlicher Verdauung promoviert. 1892 ließ er sich in Frankfurt als Facharzt für innere Medizin nieder und gründete 1893 ein eigenes wissenschaftliches Labor. Bereits 1894 entdeckte er die Bedeutung des Formalins als Konservierungs- und Härtungsmittel[2] und bereitete den Boden dafür, dass Formaldehyd zum führenden Konservierungsmittel in der Medizin und der Biologie werden konnte. Die Verwendung des Formaldehyds in der Biologie wurde dabei stark befördert durch Publikationen seines Vaters.[3]
Ebenfalls im Jahr 1893 heirate Ferdinand Blum die Katholikin Emma Louise Amann (1871–1958). Das Paar hatte zwei Töchter: Pauline (* 1894, verheiratete Jack) und Gertrude (* 1896, verheiratete Roesler-Erhardt). 1897 trat Ferdinand Blum zum Protestantismus über.[4] Die Familie wohnte in der Arndtstraße 51 im Frankfurter Westend. Die Adresse und die beiden Blum-Schwestern spielten eine wichtige Rolle bei den Fluchtvorbereitungen für bedrohte Menschen während der Nazi-Zeit.
„Im Haus von Professor Ferdinand Blum in der Arndtstrasse 51 organisierten Blums Töchter Pauline Jack und Gertrud Roesler-Ehrhardt die Treffen zwischen Hilfesuchenden und den Cook-Schwestern. Diese Begegnungen in Blums Privathaus blieben unbekannt, obwohl es viele Hinweise auf die sehr engagierte und den NS-Gesetzen widerständige Tochter Roesler-Ehrhardt gab. Denn auch nach Ferdinand Blums Emigration 1939 konnte sie die Arndtstrasse 51 als Familienbesitz halten. In dem Dokumentarfilm „Unter Denkmalschutz“[5] berichtete Roesler-Ehrhardt ausführlich über das „Blum’sche Kommune-Leben“. Ihre Schwester Pauline Jack war selber Opernsängerin, bis sie als Halbjüdin von den Nazis mit einem Auftrittsverbot belegt wurde. Sie hatte Kontakte zu den Kreisen der Opernwelt und der klassischen Musik weit über Frankfurt hinaus. Die zwei musikbegeisterten Engländerinnen Ida und Louise Cook, die jeden Penny zusammenkratzten, um ihren Opernstars und den neuesten Inszenierungen auf dem Kontinent zu folgen, waren gern gesehene Wochenendgäste in der Arndtstrasse. Mit den Cook-Schwestern verwirklichten die Blum-Töchter die allerletzten Chancen für Verwandte und Freunde, einen Weg aus NS-Deutschland zu finden.“
Ferdinand Blum wurde 1907 der Titel Professor verliehen. Zwei Jahre später, im Dezember 1909, wurde auf seine Initiative in Frankfurt der Biologische Verein gegründet.[7] Aus diesem Verein ging 1911 – ermöglicht durch eine Spende von Flora Koch, der Witwe des Juweliers Robert Koch – das Biologische Institut hervor. Ferdinand Blum wurde dessen Leitung auf Lebenszeit übertragen.[4] Über Blums Arbeit, der vor allem über Physiologie und Endokrinologie der Nebennieren, der Bauchspeicheldrüse und der Schilddrüse forschte und die blutzuckersteigernde Wirkung des Adrenalins entdeckte, heißt es auf der städtischen Webseite:
„Die Kombination von praktischer Tätigkeit und moderner endokrinologischer Forschung machte Ferdinand Blum zu einem berühmten Frankfurter Arzt. Seine Patientendatei soll über 14.000 Namen enthalten haben, darunter bekannte Frankfurter Namen, wie die Rothschilds.“[4]
Das Biologische Institut wurde 1950 in Ferdinand Blum Institut[8] umbenannt und ist inzwischen im Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus aufgegangen. Der noch immer existierende Biologische Verein hat seit 1992 seinen Sitz am Paul-Ehrlich-Institut.[7]
Ferdinand Blum erhielt 1938 Berufsverbot durch die Nationalsozialisten und war 1939 zum Rücktritt von der Leitung des Biologischen Instituts gezwungen. Im gleichen Jahr emigrierte er in die Schweiz und arbeitete dort als Berater einer pharmazeutischen Firma.
Blum kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Frankfurt zurück. 1947 ernannte ihn das Georg-Speyer-Forschungsinstitut zum Ehrenmitglied, 1955 wurden ihm das Große Bundesverdienstkreuzes und die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main verliehen. Am 23. Juni 2014 wurden vor dem Georg-Speyer-Haus in der Paul-Ehrlich-Str. 42 fünf Stolpersteine für verfolgte jüdische Wissenschaftler des Georg-Speyer-Hauses und des Paul-Ehrlich-Instituts verlegt, darunter auch für Ferdinand Blum. Die anderen vier waren:
Thomas Mann, Albert Schweitzer, Julius Petersen (1932) | William Butler Yeats (1934) | Georg Kolbe (1937) | Leo Frobenius (1938) | Anton Kippenberg (1939) | Hans Pfitzner (1940) | Friedrich Bethge (1941) | Wilhelm Schäfer (1943) | Otto Hahn (1944) | Franz Volhard, Gustav Mori, Franz Schultz (1947) | Georg Hartmann (1948) | André Gide, Adolf Grimme, José Ortega y Gasset, Gerhard Marcks, Friedrich Meinecke, Robert Maynard Hutchins, Victor Gollancz, Carl Jacob Burckhardt (1949) | Friedrich Dessauer, Friedrich Witz, Richard Merton, Alexander Rudolf Hohlfeld, Boris Rajewsky, Ernst Robert Curtius, Jean Angelloz, Leonard Ashley Willoughby (1951) | Bernhard Guttmann, Ludwig Seitz, John Jay McCloy (1952) | Max Horkheimer, Fritz Strich (1953) | August de Bary, Karl Kleist, Richard Scheibe, Rudolf Alexander Schröder (1954) | Andreas Bruno Wachsmuth, Fritz von Unruh, Ferdinand Blum, Paul Hindemith, Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1955) | Peter Suhrkamp, Carl Mennicke, Josef Hellauer, Paul Tillich (1956) | Helmut Walcha, Kasimir Edschmid, Benno Reifenberg, Gottfried Bermann Fischer, Rudolf Pechel (1957) | Otto Bartning, Friedrich Lehmann, Werner Bock, Martin Buber, Helmut Coing (1958) | Cicely Veronica Wedgwood, Thornton Wilder, Herman Nohl, Jean Schlumberger, Sir Sarvepalli Radhakrishnan, Yasunari Kawabata (1959) | Alfred Petersen, Arthur Hübscher, Franz Böhm (1960) | Vittorio Klostermann (1961) | Edgar Salin (1962) | Theodor W. Adorno, Fried Lübbecke, Karl Winnacker (1963) | Harry Buckwitz (1964) | Carl Orff (1965) | Marie Luise Kaschnitz, Heinrich Troeger, Ferdinand Hoff (1966) | Carl Tesch, Werner Bockelmann, Wilhelm Schöndube, Wilhelm Schäfer (1967) | Kurt Hessenberg (1973) | Ljubomir Romansky, Waldemar Kramer (1974) | Albert Richard Mohr (1976) | Siegfried Unseld, Oswald von Nell-Breuning SJ (1977) | Paul Arnsberg (1978) | Wulf Emmo Ankel, Christoph von Dohnányi, Erich Fromm (postum verliehen 1979) (1981) | Horst Krüger, Walter Hesselbach, Rudolf Hirsch, Fuat Sezgin (1980) | Wilhelm Kempf, Sir Georg Solti (1981) | Leo Löwenthal, Bruno Vondenhoff (1982) | Harald Keller (1983) | Marcel Reich-Ranicki (1984) | Alfred Grosser (1986) | Joachim Fest (1987) | Jörgen Schmidt-Voigt (1988) | Dorothea Loehr, Alfred Schmidt, Dolf Sternberger (1989) | Eva Demski, Hilmar Hoffmann (1990) | Albert Mangelsdorff (1991) | Iring Fetscher, Willi Ziegler (1992) | Liesel Christ, Walter Weisbecker, Ludwig von Friedeburg (1994) | Heinrich Schirmbeck, Emil Mangelsdorff, Wolfram Schütte (1995) | Christiane Nüsslein-Volhard, Walter Boehlich (1996) | Walter H. Pehle, Hans-Dieter Resch (1997) | Anja Lundholm, Christoph Vitali, Peter Weiermair (1998) | Arno Lustiger, Johann Philipp von Bethmann (1999) | Karl Dedecius, Michael Gotthelf (2000) | Ernst Klee, Hans-Wolfgang Pfeifer (2001) | Horst-Eberhard Richter, Peter Eschberg, Heiner Goebbels, Oswald Mathias Ungers (2002) | Christa von Schnitzler, Albert Speer junior, Chlodwig Poth, Jean-Christophe Ammann, Franz Mon (2003) | Ferry Ahrlé, Monika Schoeller (2004) | Henriette Kramer, Gerhard R. Koch (2005) | Eliahu Inbal, Peter Iden (2006) | Thomas Bayrle, Carmen-Renate Köper (2007) | Frank Wolff, E. R. Nele (2008) | Peter Kurzeck, Rosemarie Fendel (2009) | Klaus Reichert (2010) | Hans-Klaus Jungheinrich, Dieter Buroch (2011) | Felix Mussil, Mischka Popp, Thomas Bergmann (2012) | Paulus Böhmer, Peter Cahn (2013) | Hans Traxler, Thomas Gebauer, Wilhelm Genazino (2014) | Martin Mosebach, Sven Väth (2015) | Tobias Rehberger, Bettina von Bethmann (2016) | Claus Helmer, Moses Pelham (2017) | Max Weinberg (posthum) (2018) | Bodo Kirchhoff, Effi B. Rolfs, Max Hollein (2019) | Silke Scheuermann, Burkard Schliessmann (2020) | Hans Zimmer, Sandra Mann (2021) | Sabine Fischmann, Volker Mosbrugger (2022) | Anne Imhof, Michel Friedman (2023) | Margareta Dillinger, Bernd Loebe (2024)
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