Fuat Sezgin wuchs in der anatolischen Kleinstadt Bitlis auf.[3] Er studierte von 1943 bis 1951 an der Universität IstanbulIslamwissenschaft und Arabistik, unter anderem bei dem dort lehrenden deutschen Islamwissenschaftler Hellmut Ritter. Sezgins türkischsprachige DoktorarbeitBuhari'nin kaynakları über die Quellen des al-Buchari (810–870), des Bearbeiters einer angesehenen Hadith-Sammlung rechtsverbindlicher Traditionen des Propheten Mohammed, wies nach, dass al-Buchari auf eine Kette schriftlicher Quellen zurückgreift, die bis in den frühen Islam, also bis in das 7. Jahrhundert, zurückreichen.
Als das Militär 1960 in der Türkei putschte, verlor er seine Lehrerlaubnis.[4] 1961 kam Sezgin deshalb nach Deutschland, wo er zunächst als Gastdozent an der Frankfurter Universität lehrte. Hier wurde die Geschichte der Naturwissenschaften im arabisch-islamischen Kulturkreis zum Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit und zu dem Fach, für das er sich 1965 habilitierte. Weiterhin beschäftigte er sich mit der Geschichte des arabisch-islamischen Schrifttums bis circa 1039 n. Chr. 1967 erschien der erste Band seiner Geschichte des arabischen Schrifttums, den er Willy Hartner widmete. Weitere Bände erschienen in schneller Folge. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Sezgin am Abschluss von Band 18. Die Reihe wurde zu einem wissenschaftsgeschichtlichen Standardwerk und hat das Zitationskürzel GAS.[5]
1978 wurde Sezgin der erste Träger des Preises für Islamwissenschaft der König-Faisal-Stiftung von Saudi-Arabien. Diese und weitere Auszeichnungen machte er zum Grundstock einer Stiftung, mittels der er 1982 das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften[8] an der Universität Frankfurt gründete. Ziel des Instituts ist es, die Stellung des arabisch-islamischen Kulturkreises in der Wissenschaftsgeschichte bekannt zu machen.
In Istanbul richtete Sezgin das Istanbuler Museum für die Geschichte der Wissenschaft und Technologie im Islam (türkisch: İstanbul İslam Bilim ve Teknoloji Tarihi Müzesi) ein. Es befindet sich im ehemaligen Stallgebäude des Sultans im Gülhane-Park unterhalb des Topkapı-Palastes und wurde 2008 eröffnet. Seine Sammlung besteht aus etwa 800 Nachbauten von Instrumenten und Geräten, die von muslimischen Wissenschaftlern des 9. bis 16. Jahrhunderts entwickelt wurden.[9]
2001 erhielt Sezgin das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 2009 sollte er für seine Verdienste um den Dialog der Religionen gemeinsam mit Salomon Korn mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet werden. Sezgin lehnte die Annahme ab, da Korn „Israels Krieg in Gaza rechtfertige“[10] und er daher nicht wünsche, mit Korn gemeinsam ausgezeichnet zu werden.
Am 12. Mai 2017 hinderte der Zoll den Forscher daran, Bücher aus dem Institut an der Universität in das Museum in Istanbul zu bringen. Hessische Behörden gingen davon aus, die Bücher seien mit öffentlichen Geldern beschafft worden, und es handle sich um national wertvolles Kulturgut. Ein Teil seines Manuskriptes zum 18. Band seiner „Geschichte des Arabischen Schrifttums“, das der Philosophie gewidmet sein sollte, wurde ihm in seiner Anwesenheit, wie alles andere auf seinem Schreibtisch, abgenommen und nie zurückgegeben.[11] Sezgin durfte fortan das Institut nicht mehr betreten. Ermittlungen wegen Untreue und Verstoß gegen das Kulturgutschutzgesetz wurden später eingestellt, jedoch war noch 2023 ungeklärt, wem die Bücher gehören.[12]
Fuat Sezgin war mit der Orientalistin Ursula Sezgin[13] verheiratet, mit der er in Kronberg im Taunus lebte. Die gemeinsame Tochter Hilal Sezgin ist Autorin und Journalistin.
Fuat Sezgin starb am 30. Juni 2018 im Alter von 93 Jahren in Istanbul. Er wurde neben dem Museum im Gülhane-Park bestattet. Zu den Trauergästen gehörte Staatspräsident Erdoğan.[14]
Gesamtindices zu Band 1/9. Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften, Frankfurt am Main 1995, DNB956137776.
Band 10: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland, historische Darstellung. Teil 1. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8298-0056-8.
Band 11: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland, historische Darstellung. Teil 2. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8298-0057-6.
Band 12: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland, Kartenband. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8298-0058-4.
Band 13: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-8298-0086-0.
Band 14: Anthropogeographie. Teil 1: Gesamt- und Ländergeographie. Stadt- und Regionalgeographie. Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-8298-0087-7.
Band 15: Anthropogeographie. Teil 2: Topographie – Geographische Lexika. Kosmographie – Kosmologie. Reiseberichte. Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-8298-0088-4.
Band 16: Schöngeistige Literatur. Teil 1: Poetik, Rhetorik und Literaturtheorie, Dichterbücher, Anthologien, Kunstprosa. Frankfurt am Main, 2015, ISBN 978-3-8298-0105-8.
Band 17: Schöngeistige Literatur. Teil 2: Bildungs- und Unterhaltungsliteratur. Leiden 2015, ISBN 978-3-8298-0106-5.
als Hrsg.: Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 1 ff.
Buhari'nin kaynakları; hakkinda araştırmalar (Die Quellen des Buchari [türkisch]). İstanbul 1956 (2. Auflage. Ankara 2000).
„Kitâb Dalâ’il al-qibla“ li-Ibn al-Qaþþ (The „Kitâb Dalâ’il al-qibla“ by Ibn al Qaþþ). In: Zeitschrift für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften. Band 4 (1987–1988), ISSN0179-4639, S. 7–91; (1989), S. 7–45.
Risâlat Ibn Ridwân fi Daf’ madârr al-abdân bi-ard Miþr (Ibn Ridwân’s treatise on preventing of harmful influences upon the human body in the climate of Egypt). In: Zeitschrift für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften. Band 6, 1990, S. 7–44.
als Hrsg.: Studies on Ibn Sīnā (d. 1037) and his medical works. 4 Bände. Frankfurt am Main 1996 (= Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Hrsg. von Fuat Sezgin, Band 10–13: Islamic Medicine).
als Hrsg. mit anderen: ʿAli ibn abi l-Ḥazm al-Qarshī ibn al-Nafīs (d. 687/1288). Texts and Studies. Frankfurt am Main 1997 (= Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 79).
mit anderen als Hrsg.: Abū ʿAlī Ibn Sīnā (d. 428/1037). Texts and Studies. Collected and Reprinted. 5 Bände, Frankfurt am Main 1999 (= Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 30–34: Islamic Philosophy).
als Hrsg. mit Mazen Amawi, Carl Ehrig-Eggert u. a.: Ibn al-Nafis, ʿAli ibn Abi ’l-Hazm al-Qarshi (d. 1288). Texts and studies (= Islamic Medicine. Band 79). Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8298-3079-3.
Muhâdarât fi ta’rih al-‘ulüm al-‘arabïya wa-l-kartüðrâfiya ‘inda l-‘Arab wa stimrâruhâ fi l-ðarb (Selections from: Mathematical Geography and Cartography in Islam and their Continuation in the Occident). Frankfurt 2000.
Der Kalif al-Ma’mün und sein Beitrag zur Weltkarte. Arabischer Ursprung europäischer Karten. In: Forschung Frankfurt. 2000, S. 22–31.
al Uþül al-‘arabïya li l-harâ’it al-urübïya bain al-qarn al-tâli t‘asara wa-t-tâmin ‘asara li l-mïlâd (The Arabic origins of European maps between the 13th and the 18th century). In: Zeitschrift für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften. Band 14, 2001, S. 7–40.
Wissenschaft und Technik im Islam. In: Veröffentlichungen des Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften. 5 Bände. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8298-0072-X; Band 1, Band 2, Band 3, Band 4, Band 5. Türkisch İslam'da bilim ve teknik. 5 Bände, Istanbul 2007, englisch Science and technology in Islam. Kurzfassung, Frankfurt am Main 2004.
Arabic origin of European maps. In: Zeitschrift für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften. Band 15, 2002/2003, S. 1–23.
Die Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch muslimische Seefahrer vor Kolumbus. In: Geschichte des Arabischen Schrifttums. Band XIII (2006), S. 2–39 (PDF; 2,6 MB; Volltext-Scan).
Constantinus Africanus and Arabic Medicine. The School of Salerno. Texts and Studies. Frankfurt am Main 2006 ff. (Historiography and Classification of Science in Islam).
Sekundärliteratur
Saad Hasan, Murat Sofuoglu: How Fuat Sezgin revived the works of forgotten Islamic-era scientists. In: TRT World, 2. Januar 2019, online, abgerufen am 22. Januar 2019.
Susanne Billig: Die Karte des Piri Re’is. Das vergessene Wissen der Araber und die Entdeckung Amerikas. C. H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-71351-4 (zu Sezgins These, muslimische Seefahrer seien die Erstentdecker Amerikas gewesen).
↑Fuat Sezgin: Qusţā b. Lūqā. In: Geschichte des arabischen Schrifttums. Band 5, 1974, S. 285–286; Diophant, ebenda S. 176–179, zitiert nach Costa ben Luca latinus. In: Alcuin, Bibliothek der Scholastik. (uni-regensburg.de [abgerufen am 2. Juli 2018]). – Diophantus, Qusta Ibn-Luqa al-Balabakki, Jacques Sesiano: Books IV (four) to VII of Diophantus Arithmetica in the Arabic translation attributed to Qusta Ibn-Luqa. Springer, New York/Heidelberg/Berlin 1982; Sources in the history of mathematics and physical sciences, 3. Arithmetica; zugl.: Providence, Brown University, Dissertation Jacques Sesiano, 1975 (Reprint). Rezension: Jan P. Hogendijk, in: Historia Mathematica. Band 12, 1985, S. 82–85 (jphogendijk.nl [abgerufen am 2. Juli 2018]).
↑Costa ben Luca latinus. In: Alcuin, Bibliothek der Scholastik. (uni-regensburg.de [abgerufen am 2. Juli 2018]). Zu den Umständen der Falschzuschreibung: Norbert Schappacher: Diophantus of Alexandria. A Text and its History. Undatiertes Manuskript, S. 17 (PDF; 213 kB [22. November 2004, geändert am 13. Juni 2015, abgerufen am 27. August 2018]).
↑Siehe Publikationen des Instituts in der Deutschen Nationalbibliothek unter GND2083102-X.
↑Marie Lisa Kehler: Wollte ein Islamforscher Bücher unterschlagen? In: faz.net, 12. Mai 2017, abgerufen am 30. Juni 2018 (online). Volker Siefert: Wissenschaftsministerium hindert Islamforscher am Arbeiten. In: hessenschau.de, 10. Januar 2018, abgerufen am 30. Juni 2018 (online). – Hilal Sezgin: Zur Entstehung der Bibliothek von Ursula und Fuat Sezgin. Videobotschaft für die 8. Stiftungsratssitzung der Fuat-Sezgin-Stiftung zur Erforschung der Geschichte der islamischen Wissenschaften. 16. Februar 2018 (online auf YouTube, abgerufen am 30. Juni 2018.).
↑Cumhurbaşkanı Erdoğan: 2019 yılını Prof. Dr. Fuat Sezgin İslam Bilim Tarihi yılı ilan edeceğiz. In: NTV. 1. Juli 2018 (ntv.com.tr. [abgerufen am 27. August 2018]).