Mehmet Fuat Sezgin (* 24. Oktober 1924 in Bitlis; † 30. Juni 2018 in Istanbul[1]) war ein türkischer Orientalist, Islamwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker. Der Autor und Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Werke, Professor emeritus für Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Frankfurt am Main sowie Gründer und erster Leiter des Instituts für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften, gilt als Pionier der Erforschung der islamischen Wissenschaftskultur in arabischer Sprache. Mit seiner Geschichte des arabischen Schrifttums hat er ein international angesehenes Standardwerk geschaffen.[2]
Fuat Sezgin wuchs in der anatolischen Kleinstadt Bitlis auf.[3] Er studierte von 1943 bis 1951 an der Universität Istanbul Islamwissenschaft und Arabistik, unter anderem bei dem dort lehrenden deutschen Islamwissenschaftler Hellmut Ritter. Sezgins türkischsprachige Doktorarbeit Buhari'nin kaynakları über die Quellen des al-Buchari (810–870), des Bearbeiters einer angesehenen Hadith-Sammlung rechtsverbindlicher Traditionen des Propheten Mohammed, wies nach, dass al-Buchari auf eine Kette schriftlicher Quellen zurückgreift, die bis in den frühen Islam, also bis in das 7. Jahrhundert, zurückreichen.
Als das Militär 1960 in der Türkei putschte, verlor er seine Lehrerlaubnis.[4] 1961 kam Sezgin deshalb nach Deutschland, wo er zunächst als Gastdozent an der Frankfurter Universität lehrte. Hier wurde die Geschichte der Naturwissenschaften im arabisch-islamischen Kulturkreis zum Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit und zu dem Fach, für das er sich 1965 habilitierte. Weiterhin beschäftigte er sich mit der Geschichte des arabisch-islamischen Schrifttums bis circa 1039 n. Chr. 1967 erschien der erste Band seiner Geschichte des arabischen Schrifttums, den er Willy Hartner widmete. Weitere Bände erschienen in schneller Folge. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Sezgin am Abschluss von Band 18. Die Reihe wurde zu einem wissenschaftsgeschichtlichen Standardwerk und hat das Zitationskürzel GAS.[5]
Bei einer Durchsicht von Manuskripten in der Bibliothek des Imam-Reza-Schreins in der iranischen Pilgerstadt Maschhad entdeckte Sezgin 1968 vier der sieben verloren geglaubten Bücher der Arithmetica des Diophantos von Alexandria in arabischer Übersetzung.[6] Die Bibliothekare hatten die Werke dem Autor Costa ben Luca latinus (Qustā b. Lūqā al-Ba'labakkī) aus Bagdad zugeschrieben.[7]
1978 wurde Sezgin der erste Träger des Preises für Islamwissenschaft der König-Faisal-Stiftung von Saudi-Arabien. Diese und weitere Auszeichnungen machte er zum Grundstock einer Stiftung, mittels der er 1982 das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften[8] an der Universität Frankfurt gründete. Ziel des Instituts ist es, die Stellung des arabisch-islamischen Kulturkreises in der Wissenschaftsgeschichte bekannt zu machen.
In Istanbul richtete Sezgin das Istanbuler Museum für die Geschichte der Wissenschaft und Technologie im Islam (türkisch: İstanbul İslam Bilim ve Teknoloji Tarihi Müzesi) ein. Es befindet sich im ehemaligen Stallgebäude des Sultans im Gülhane-Park unterhalb des Topkapı-Palastes und wurde 2008 eröffnet. Seine Sammlung besteht aus etwa 800 Nachbauten von Instrumenten und Geräten, die von muslimischen Wissenschaftlern des 9. bis 16. Jahrhunderts entwickelt wurden.[9]
2001 erhielt Sezgin das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 2009 sollte er für seine Verdienste um den Dialog der Religionen gemeinsam mit Salomon Korn mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet werden. Sezgin lehnte die Annahme ab, da Korn „Israels Krieg in Gaza rechtfertige“[10] und er daher nicht wünsche, mit Korn gemeinsam ausgezeichnet zu werden.
Am 12. Mai 2017 hinderte der Zoll den Forscher daran, Bücher aus dem Institut an der Universität in das Museum in Istanbul zu bringen. Hessische Behörden gingen davon aus, die Bücher seien mit öffentlichen Geldern beschafft worden, und es handle sich um national wertvolles Kulturgut. Ein Teil seines Manuskriptes zum 18. Band seiner „Geschichte des Arabischen Schrifttums“, das der Philosophie gewidmet sein sollte, wurde ihm in seiner Anwesenheit, wie alles andere auf seinem Schreibtisch, abgenommen und nie zurückgegeben.[11] Sezgin durfte fortan das Institut nicht mehr betreten. Ermittlungen wegen Untreue und Verstoß gegen das Kulturgutschutzgesetz wurden später eingestellt, jedoch war noch 2023 ungeklärt, wem die Bücher gehören.[12]
Fuat Sezgin war mit der Orientalistin Ursula Sezgin[13] verheiratet, mit der er in Kronberg im Taunus lebte. Die gemeinsame Tochter Hilal Sezgin ist Autorin und Journalistin.
Fuat Sezgin starb am 30. Juni 2018 im Alter von 93 Jahren in Istanbul. Er wurde neben dem Museum im Gülhane-Park bestattet. Zu den Trauergästen gehörte Staatspräsident Erdoğan.[14]
als Hrsg.: Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 1 ff.
Thomas Mann, Albert Schweitzer, Julius Petersen (1932) | William Butler Yeats (1934) | Georg Kolbe (1937) | Leo Frobenius (1938) | Anton Kippenberg (1939) | Hans Pfitzner (1940) | Friedrich Bethge (1941) | Wilhelm Schäfer (1943) | Otto Hahn (1944) | Franz Volhard, Gustav Mori, Franz Schultz (1947) | Georg Hartmann (1948) | André Gide, Adolf Grimme, José Ortega y Gasset, Gerhard Marcks, Friedrich Meinecke, Robert Maynard Hutchins, Victor Gollancz, Carl Jacob Burckhardt (1949) | Friedrich Dessauer, Friedrich Witz, Richard Merton, Alexander Rudolf Hohlfeld, Boris Rajewsky, Ernst Robert Curtius, Jean Angelloz, Leonard Ashley Willoughby (1951) | Bernhard Guttmann, Ludwig Seitz, John Jay McCloy (1952) | Max Horkheimer, Fritz Strich (1953) | August de Bary, Karl Kleist, Richard Scheibe, Rudolf Alexander Schröder (1954) | Andreas Bruno Wachsmuth, Fritz von Unruh, Ferdinand Blum, Paul Hindemith, Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1955) | Peter Suhrkamp, Carl Mennicke, Josef Hellauer, Paul Tillich (1956) | Helmut Walcha, Kasimir Edschmid, Benno Reifenberg, Gottfried Bermann Fischer, Rudolf Pechel (1957) | Otto Bartning, Friedrich Lehmann, Werner Bock, Martin Buber, Helmut Coing (1958) | Cicely Veronica Wedgwood, Thornton Wilder, Herman Nohl, Jean Schlumberger, Sir Sarvepalli Radhakrishnan, Yasunari Kawabata (1959) | Alfred Petersen, Arthur Hübscher, Franz Böhm (1960) | Vittorio Klostermann (1961) | Edgar Salin (1962) | Theodor W. Adorno, Fried Lübbecke, Karl Winnacker (1963) | Harry Buckwitz (1964) | Carl Orff (1965) | Marie Luise Kaschnitz, Heinrich Troeger, Ferdinand Hoff (1966) | Carl Tesch, Werner Bockelmann, Wilhelm Schöndube, Wilhelm Schäfer (1967) | Kurt Hessenberg (1973) | Ljubomir Romansky, Waldemar Kramer (1974) | Albert Richard Mohr (1976) | Siegfried Unseld, Oswald von Nell-Breuning SJ (1977) | Paul Arnsberg (1978) | Wulf Emmo Ankel, Christoph von Dohnányi, Erich Fromm (postum verliehen 1979) (1981) | Horst Krüger, Walter Hesselbach, Rudolf Hirsch, Fuat Sezgin (1980) | Wilhelm Kempf, Sir Georg Solti (1981) | Leo Löwenthal, Bruno Vondenhoff (1982) | Harald Keller (1983) | Marcel Reich-Ranicki (1984) | Alfred Grosser (1986) | Joachim Fest (1987) | Jörgen Schmidt-Voigt (1988) | Dorothea Loehr, Alfred Schmidt, Dolf Sternberger (1989) | Eva Demski, Hilmar Hoffmann (1990) | Albert Mangelsdorff (1991) | Iring Fetscher, Willi Ziegler (1992) | Liesel Christ, Walter Weisbecker, Ludwig von Friedeburg (1994) | Heinrich Schirmbeck, Emil Mangelsdorff, Wolfram Schütte (1995) | Christiane Nüsslein-Volhard, Walter Boehlich (1996) | Walter H. Pehle, Hans-Dieter Resch (1997) | Anja Lundholm, Christoph Vitali, Peter Weiermair (1998) | Arno Lustiger, Johann Philipp von Bethmann (1999) | Karl Dedecius, Michael Gotthelf (2000) | Ernst Klee, Hans-Wolfgang Pfeifer (2001) | Horst-Eberhard Richter, Peter Eschberg, Heiner Goebbels, Oswald Mathias Ungers (2002) | Christa von Schnitzler, Albert Speer junior, Chlodwig Poth, Jean-Christophe Ammann, Franz Mon (2003) | Ferry Ahrlé, Monika Schoeller (2004) | Henriette Kramer, Gerhard R. Koch (2005) | Eliahu Inbal, Peter Iden (2006) | Thomas Bayrle, Carmen-Renate Köper (2007) | Frank Wolff, E. R. Nele (2008) | Peter Kurzeck, Rosemarie Fendel (2009) | Klaus Reichert (2010) | Hans-Klaus Jungheinrich, Dieter Buroch (2011) | Felix Mussil, Mischka Popp, Thomas Bergmann (2012) | Paulus Böhmer, Peter Cahn (2013) | Hans Traxler, Thomas Gebauer, Wilhelm Genazino (2014) | Martin Mosebach, Sven Väth (2015) | Tobias Rehberger, Bettina von Bethmann (2016) | Claus Helmer, Moses Pelham (2017) | Max Weinberg (posthum) (2018) | Bodo Kirchhoff, Effi B. Rolfs, Max Hollein (2019) | Silke Scheuermann, Burkard Schliessmann (2020) | Hans Zimmer, Sandra Mann (2021) | Sabine Fischmann, Volker Mosbrugger (2022) | Anne Imhof, Michel Friedman (2023) | Margareta Dillinger, Bernd Loebe (2024)
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