Rottenacker wurde im 6. bis 7. Jahrhundert vermutlich als fränkische Siedlung gegründet und wurde erstmals 1085 als apud Rotenakere und 1116 als Rotinakkier erwähnt, das laut neueren Forschungen womöglich „Platz, wo die Gemeinde zusammentritt“ bedeutet. Bis ins 14. Jahrhundert war der Ort als Reichslehen zwischen Graf von Berg und Graf von Wartstein geteilt, dessen abhängige Ritterfamilien ihren Besitz im 14. Jahrhundert an das Kloster Blaubeuren übergaben, womit der Ort fast vollständig in dessen Besitz gelangte. 1447 ging der Ort an Württemberg, wobei er ab 1536 unter der württembergischen Klosterverwaltung Blaubeuren stand.
Frühe Neuzeit
Im Bauernkrieg nahmen Rottenackerer Bauern 1525 im Baltringer Haufen teil. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Ort stark zerstört, weswegen er nach 1634 ausgestorben war und sich erst vier Jahre später wieder vereinzelt Familien dort niederließen. Ab 1648 zogen viele Schweizer in den Ort ein.
Im 19. Jahrhundert gab es Auswanderungswellen in den Kaukasus und nach Nordamerika; allein zwischen 1851 und 1854 suchten 28 Familien und 48 Ledige in Nordamerika eine neue Heimat.[3]
Im späten 18. Jahrhundert erlebte der Radikale Pietismus wieder einen Aufschwung, denn viele Pietisten trennten sich aus religiösen Gründen von der Kirche. In Württemberg nannte man sie allgemein Separatisten.
Seit 1785 stieg der Leinenweber Johann Georg Rapp aus Iptingen zum Anführer der württembergischen Separatisten auf und versammelte etwa 2000 Anhänger. Als Rapp 1803 in die Vereinigten Staaten auswanderte, übernahm die Separatistengruppe aus Rottenacker die Führungsrolle im württembergischen Radikalpietismus. Sie war 1800 auf Anregung der Magd Barbara Grubenmann aus Teufen im schweizerischen Kanton Appenzell Ausserrhoden entstanden, die sich in Rottenacker aufhielt. Etwa 70 Personen separierten sich von der Kirche. Von Anfang an spielten politische Motive eine wichtige Rolle; so beschimpften die Separatisten den württembergischen Kurfürsten Friedrich und die herrschaftlichen Beamten. Im Mai 1804 ließ der Kurfürst 14 der radikalsten Männer durch ein Militärkommando verhaften und auf die Festung Hohenasperg bringen, wo manche jahrelang in Gefangenschaft blieben. Da sich manche Eltern weigerten, ihre Kinder zur Schule zu schicken, nahm man die Kinder weg und brachte sie in das Stuttgarter Waisenhaus.
Im Jahr 1811 kauften einige Separatisten das Vogthaus neben der Kirche und lebten in einer Gütergemeinschaft zusammen. Schließlich erwarb eine Separatistengruppe aus Württemberg 1816 das Schlossgut Brandenburg bei Dietenheim an der Iller mit dem Ziel, eine radikalpietistische Kommunität zu gründen. Als König Friedrich das Ansinnen ablehnte, wanderten die Separatisten in die Vereinigten Staaten aus und gründeten in Ohio die Siedlung Zoar.[4] Dort lebten sie als „Zoar Society“ in Gütergemeinschaft zusammen.[5]
Im Jahr 1898 musste die Zoar Society aufgelöst werden, nachdem eine nachwachsende Generation nicht mehr bereit war, auf privates Eigentum zu verzichten.[6]
Bürgermeister ist seit 2000 Karl Hauler. Er wurde 2008 und 2016 wiedergewählt. Bei der Bürgermeisterwahl 2024 trat er nicht erneut an. Am 13. Oktober 2024 wurde Moritz Heinzmann mit 79,1 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Er tritt das Amt am 1. Januar 2025 an.[7]
Gemeinderat
Nach der Kommunalwahl im Juni 2024 hat der Gemeinderat zehn Mitglieder, drei Frauen und sieben Männer.
Verkehr
Rottenacker liegt an der Bahnstrecke Ulm–Sigmaringen. Seit dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 wird Rottenacker wieder regelmäßig von Regionalbahnen bedient. Das denkmalgeschützte, 1870 errichtete Empfangsgebäude des Bahnhofes steht jedoch leer und ist stark sanierungsbedürftig.[8]
Söhne und Töchter der Gemeinde
Ulrich Tenngler (1447–1511), Landvogt und Autor „Der Laienspiegel“
Konrad Sam (um 1483–1533), Reformator. Er stand schon 1520 mit Martin Luther in Verbindung und wurde 1524 vom Rat der Stadt Ulm zum Prediger berufen
Johannes Breimaier (1776–1834), religiöser Separatist. Er regte 1819 in Zoar die Einführung des Gemeineigentums an. Ein englischer Zeitungsbericht von 1845 über Zoar und vergleichbare religiöse Gemeinschaftssiedlungen in den USA beeindruckte Friedrich Engels im Vorfeld des Kommunistischen Manifests von 1848.
Christoph Diehm (1892–1960), SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS und Polizei, NSDAP-Politiker, Polizeipräsident sowie SS- und Polizeiführer
Gerhard Storz (1898–1983), Pädagoge, Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kultusminister des Landes Baden-Württemberg
Martin Storz (1900–1995), Landwirt, Verwaltungsbeamter und 1953–1961 Landtagsabgeordneter (CDU)
Literatur
Eberhard Fritz: Separatisten und Separatistinnen in Rottenacker. Eine örtliche Gruppe als Zentrum eines „Netzwerks“ im frühen 19. Jahrhundert. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 98/1998. S. 66–158.
Eberhard Fritz: Roots of Zoar, Ohio, in early 19th century Württemberg: The Separatist group of Rottenacker and its Circle. Part one. In: Communal Societies, 22/2002, S. 27–44. Part two. In: Communal Societies, 23/2003, S. 29–44.
Rottenacker. In: Johann Daniel Georg von Memminger (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Ehingen (= Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1824–1886. Band3). Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, 1826, S.193–195 (Volltext [Wikisource]).
↑Christian Buchholz: „… will ein anders Leben führen“. Zoar – eine radikal-pietistische Siedlung württembergischer Auswanderer in den USA. In: Schwäbische Heimat. Nr.2, 2018, S.177–184 (wlb-stuttgart.de).
↑Eberhard Fritz: From Wuerttemberg to Zoar: Origins of a Separatist Community. In: American Communal Societies Quarterly, Vol 13, No. 1, January 2019, S. 32–57.
↑Rudolf Stumberger: Das kommunistische Amerika. Auf den Spuren utopischer Kommunen in den USA. Mandelbaum, Wien 2015, ISBN 978-3-85476-647-6 (Die Separatisten von Zoar: S. 138–162)