Grün = Sachsen-Coburg und Gotha, Grau = Übrige thüringische Staaten
Das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha (auch: Sachsen-Koburg und Gotha) war ein deutscher Kleinstaat. Es entstand 1826 aus den ernestinischen HerzogtümernSachsen-Coburg und Sachsen-Gotha. Es wurde zuerst durch Herzog Ernst I. in Personalunion regiert, die 1852 unter Herzog Ernst II. zu einer Realunion ausgeweitet wurde.[1] Das Doppelherzogtum wurde damit zu einem quasiföderalen Einheitsstaat.[2]
Landesherr Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld erhielt zudem nach dem Wiener Kongress als Entschädigung für die den Verbündeten in den Befreiungskriegen gegen Frankreich geleistete Hilfe 1816 das Fürstentum Lichtenberg an der Nahe zugesprochen. Aufgrund der großen Entfernung zu Coburg und der Unruhen infolge des Hambacher Festes verkaufte der Herzog das Fürstentum 1834 an Preußen.
Das neu entstandene Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha war zunächst ein Doppelherzogtum mit zwei Landesteilen: dem Herzogtum Sachsen-Coburg unter gleichem Namen, das in ähnlicher Ausdehnung schon einmal bis 1735 bestanden hatte, sowie dem Herzogtum Sachsen-Gotha, das es zuvor von 1640 bis 1672 ebenfalls unter gleichem Namen schon einmal gab, damals aber noch deutlich größer war. Das Doppelherzogtum wurde vom Haus Sachsen-Coburg und Gotha in Personalunion regiert, dafür gab es aber insgesamt nur eine Stimme im Bundestag. Die Errichtung eines Einheitsstaates war 1826 versäumt worden. Nach dem Staatsgrundgesetz von 1852 waren die Herzogtümer in Realunion verbunden.[3] Das Doppelherzogtum war dann ein quasiföderaler Einheitsstaat.[4] Spätere Versuche zur Verschmelzung der Herzogtümer scheiterten 1867, weil der Gothaer Landtag nicht die hohen Coburger Landesschulden übernehmen wollte, und 1872, als die Vereinigungsfrage mit der Domänenfrage verbunden werden sollte.
Trotz der geringen deutschlandpolitischen Bedeutung des Herzogtums legte Ernst II. einen Plan zur Reform des Deutschen Bundes vor. Laut den Vorstellungen von 1855/1856 sollte es eine deutsche Volksvertretung neben dem Bundestag geben.
Es gab mit Gotha und Coburg zwei Residenzstädte. Deshalb zog der gesamte herzogliche Hof mit dem Hoftheater zweimal jährlich um: von Coburg nach Gotha und zurück. Für das Hoftheater existierten zwei nahezu identische Spielstätten, welche gleichzeitig 1840 in Gotha (im Zweiten Weltkrieg zerstört) und Coburg (heute Landestheater Coburg) errichtet wurden. Neben den Residenzschlössern Friedenstein in Gotha sowie Ehrenburg in Coburg benutzte die herzogliche Familie auch das Schloss Reinhardsbrunn bei Gotha sowie die Schlösser Callenberg und Rosenau bei Coburg.
Nach dem Ende der Monarchie 1918 entstanden aus den beiden Landesteilen die Freistaaten Coburg und Sachsen-Gotha (anfangs auch Republik Gotha genannt). Nach einer Volksabstimmung am 30. November 1919 vereinigte sich der Freistaat Coburg am 1. Juli 1920 mit dem Freistaat Bayern und am 1. Mai desselben Jahres ging der Freistaat Gotha im neuen Land Thüringen auf.
Wappen
Blasonierung: Das Wappen ist fünfmal geteilt und dreimal gespalten mit Mittelschild auf dem Schnittpunkt des sechsten, siebenten, zehnten und elften Feldes. In den Feldern:
Feld 9: Im geteilten Feld rechts in Gold auf grünem Dreiberg ein schwarzer Hahn mit rotem Kamm, links in Rot eine silberne Säule, darauf eine goldene Krone. (Rechts: Gefürstete Grafschaft Henneberg – Links: Herrschaft Römhild im Kreis Hildburghausen)
Feld 10: Gespalten von Silber und Blau, belegt von einem goldbekrönten Löwen in verwechselter Tinktur, und die untere Hälfte des Feldes mit silbernen Balkenkreuzen besät. (Fürstentum Lichtenberg in der Pfalz)
Feld 14: In Silber drei rote Seeblätter (2:1). (Grafschaft Brehna im Kreis Bitterfeld)
Feld 15: Im mit zehn roten Herzen bestreuten Feld ein schwarzer Löwe mit roter Krone. (Grafschaft Orlamünde)
Feld 16: In Blau ein von Gold und Silber geteilter Löwe. (Herrschaft Pleißen)
Feld 17: In Silber eine rote Rose mit goldenem Butzen und grünen Kelchblättern. (Burggrafschaft Altenburg in Thüringen)
Feld 18: In Silber drei blaue Balken. (Herrschaft Eisenberg im Kreis Stadtroda).
Feld 19: In Gold ein 21-mal in drei Reihen von Silber und Rot geschachter Balken. (Grafschaft Mark in Westfalen, Erbanspruch)
Feld 20: In Silber drei rote Sparren. (Grafschaft Ravensberg in Westfalen, Erbanspruch)
Feld 21: In Gold ein silberner Schräglinksbalken, beseitet oben rechts von einem linksgewendeten schwarzen Raben. (Herrschaft Ravenstein in Noord-Brabant, Erbanspruch)
Feld 22: In Blau ein linksgewendeter silberner Löwe. (Herrschaft Tonna im Kreis Gotha)
Die Landesfarben waren seit etwa 1830 Grün und Weiß. Die Landesflagge war horizontal grün-weiß gestreift. Nur die Behörden verwendeten bei feierlichen Anlässen mitunter auch eine grün-weiß-grün-weiß gestreifte Flagge.[5]
Politik
Es bestand für jedes Herzogtum ein eigener Landtag (11 Mitglieder im Coburger Landtag und 17 Mitglieder in Gotha), die durch Zusammentritt einen gemeinschaftlichen Landtag bilden konnten. Für die beiden Herzogtümer gab es zwar ein Staatsministerium in Gotha, dieses hatte aber zwei nahezu unabhängige Ministerialabteilungen in Coburg und Gotha. Der Staatsminister leitete die Gothaer Ministerialabteilung und war verantwortlich für die gemeinsamen Staatsangelegenheiten sowie die Wirtschafts- und Gewerbepolitik, das Justizwesen und die Durchführung der Reichsgesetze. In Coburger Landesangelegenheiten, wie beispielsweise das Kommunalwesen, die Polizeiaufgaben, Kirche und Schule sowie Vermögensverwaltung und Finanzen, aber auch bis 1891 in Hofangelegenheiten konnte er nicht eingreifen. Die Finanzen beider Herzogtümer blieben grundsätzlich getrennt. Über einen gemeinschaftlichen Etat wurden vor allem die finanziellen Beziehungen zum Reich abgewickelt und die gemeinschaftlichen Aufgaben bestritten. Zuschüsse aus beiden Landesetats erfolgten im Verhältnis 7:3 zwischen Gotha und Coburg.
Währung und Postregal
Das Herzogtum trat 1838 dem Dresdner Münzvertrag bei. Zwei Taler im preußischen 14-Taler-Münzfuß entsprachen nun 31⁄2 süddeutschen Gulden im 241⁄2-Gulden-Fuß, was als gemeinsame Vereinsmünze der „contrahierenden Staaten“ gelten sollte. Diese Vereinsmünze zu „2 Taler = 31⁄2 Gulden“ war in jedem Zollvereins-Land gesetzlich gültig – unabhängig davon, wer der jeweilige Emittent der Vereinsmünze war. Sachsen-Coburg und Sachsen-Gotha prägten eigene Münzen:
Sachsen-Coburg im bayerischen Münzfuß (1 Gulden zu 60 Kreuzer zu 240 Pfennigen), Münzstätten bestanden in Dresden 1841–1872, in Berlin 1886–1911
Sachsen-Gotha im königlich-sächsischen Münzfuß (1 Taler zu 30 Groschen zu 300 Pfennigen), Münzstätte Gotha.
Erst mit der Einführung der Mark als Reichswährung zum 1. Januar 1876 nach dem Gesetz vom 4. Dezember 1871 wurde die Zersplitterung des Währungswesens aufgehoben.
Die Thurn-und-Taxis-Post sicherte sich durch Verträge mit den ernestinischen Herzogtümern das Postregal:
Schon äußerlich war die gemeinsame Verwaltung am Namen, an den Postwappen und an den Uniformen, die sich durch verschiedene Kragenfarben unterschieden, zu erkennen. So lautete der Name der Postanstalt „Herzoglich Coburgische, Fürstlich Thurn und Taxissche Lehenspostexpedition“ bzw. „Herzoglich Gothaische, Fürstlich Thurn und Taxissche Lehenspostexpedition“. Das Postwappen vereinte demzufolge beide Wappen, unten das herzogliche, darüber das fürstlich Thurn und Taxissche. Von 1852 bis 1866 gab die Thurn-und-Taxis-Post eigene Briefmarken in zwei verschiedenen Währungen aus. Sachsen-Coburg gehörte zum Südlichen Bezirk mit Kreuzerwährung, Sachsen-Gotha zum Nördlichen Bezirk mit Groschenwährung. Ab 1867 ging das Postregal an Preußen über, das jedoch – ebenso wie der Norddeutsche Bund – bis zur Einführung der Reichswährung 1876 Briefmarken in Groschen- und Kreuzerwährung ausgab.
Gerichtswesen
Die Gerichtsbarkeit oblag dem Oberlandesgericht in Jena. Es war zuständig für die vier sachsen-ernestinischen Staaten, das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt und die beiden reußischen Fürstentümer sowie die preußischen Kreise Schmalkalden, Schleusingen und Ziegenrück. Das Herzogtum unterhielt zwei Landgerichte, eines für das Herzogtum Sachsen-Gotha und eines gemeinschaftlich mit Sachsen-Meiningen für das Herzogtum Sachsen-Coburg, sowie 13 Amtsgerichte.
Als Mitglied des Deutschen Bundes stellte das Herzogtum ein Kontingent von 1366 Mann Infanterie und bildete das 2. Bataillon der Reservedivision des Bundesheeres. Als nach dem Aussterben des Hauses Sachsen-Gotha 1825 dessen Herzogtum an die Coburger Linie fiel, wurde das Gothaische mit dem Coburger Kontingent vereinigt. In Gotha stand somit ein Bataillon Infanterie, in Coburg eine Jäger-Abteilung. 1855 wurde das Kontingent auf zwei Bataillone zu vier Kompanien gebracht.[6]
Das Herzogtum gliederte sich in die amtsfreien Städte Gotha, Ohrdruf und Waltershausen sowie die drei Landratsämter Gotha, Ohrdruf und Waltershausen. Außerhalb des Kerngebiets des Herzogtums lagen fünf Exklaven:
Das Fürstentum Lichtenberg, das bis 1834 zum Herzogtum Coburg gehörte, hatte 1816 auf einer Fläche von 537 km² etwa 25.000 Einwohner. Die beiden Städte des Fürstentums waren St. Wendel und Baumholder.
Außerdem lagen 1910 im Vergleich zu 1852 folgende Orte über der Marke von 2000 Einwohnern: Gemeinde Siebleben (3336 – 908; +267 %), Stadt Rodach (2812 – 1756; +60 %), Gemeinde Gräfenroda (2796 – 1264; +121 %), Gemeinde Herbsleben (2603 – 1937; +34 %), Gemeinde Ichtershausen (2517 – 824; +205 %), Gemeinde Mehlis (6.625 – 1.917; +246 %), Gemeinde Tambach (3.008 – 2.073; +45 %) und Gemeinde Wölfis (2045 – 1409; +45 %).
↑Jürgen Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918–1923. S. 2–3.
↑Carl-Christian Dressel: Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800–1826 im Vergleich. S. 532.
↑Ulrich Hess: Geschichte Thüringens 1866 bis 1914. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1991, ISBN 3-7400-0077-5, S. 223.
↑Georg Jellinek: Die Lehre von den Staatenverbindungen. Wien 1882, S. 208 ff.
↑Jens Hild: Besonderheiten der Flaggenführung im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. In: Der Flaggenkurier. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Flaggenkunde. 19. Jahrgang, Nr. 38, November 2013, S. 10–11.
↑Heinrich Ambros Eckert, Dietrich Monten: Das deutsche Bundesheer, Band II. Dortmund 1981, S. 15.
Norman Davies: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa, 3., durchgesehene und korrigierte Auflage. Theiss, Darmstadt 2017, ISBN 978-3-8062-3116-8, S. 597–635 (= 11. Rosenau: Geliebtes und ungewolltes Erbe (1826–1918)).
Carl-Christian Dressel: Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800–1826 im Vergleich, Duncker & Humblot Berlin 2007, ISBN 978-3-428-12003-1.
Jürgen Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918–1923. Druckhaus und Vesteverlag A. Rossteutscher, Coburg 1969.
Ulrich Hess, Geschichte Thüringens 1866 bis 1914, Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1991, ISBN 3-7400-0077-5.
Johann B. Homann: Die Herzogtümer Gotha, Coburg und Altenburg 1729, Historische Karte: Tabula Geographica Principatus Gotha, Coburg, Altenburg, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, Reprint 1757/1999, ISBN 3-929000-78-4.
Detlef Sandern: Parlamentarismus in Sachsen-Coburg-Gotha 1821/26-1849/52. Thüringer Landtag, Jenzig Verlag, 3. Aufl., Jena 2003, ISBN 3-86160-507-4 (= Schriften zum Parlamentarismus in Thüringen, Heft 7) (und Werner Querfeld: Erster konstitutioneller Landtag von Reuß-Greiz im Jahre 1867).