Das 88. 24-Stunden-Rennen von Le Mans, der 88e Grand Prix d’Endurance les 24 Heures du Mans, auch 24 Heures du Mans, sollte ursprünglich am 13. und 14. Juni 2020 auf dem Circuit des 24 Heures stattfinden. Wegen der weltweiten COVID-19-Pandemie wurde das Rennen auf den 19. und 20. September 2020 verschoben.[1] Im August wurde das ausgearbeitete Zuschauerkonzept schließlich verworfen und beschlossen, dass das Rennen ohne Publikum durchgeführt wurde.[2]
Das Qualifikationstraining erhielt 2020 ein neues Format. Statt der wie bisher üblichen drei Qualifikationstrainings, gab es am Donnerstag vor dem Rennen nur eine 45 Minuten Einheit, in der sich die besten sechs Fahrzeuge pro Rennklasse für die sogenannte Hyper-Pole qualifizierten. Diese finale Entscheidung fand am Freitagvormittag statt und dauerte nur 30 Minuten. Trainingsschnellster war Kamui Kobayashi im Toyota TS050 Hybrid mit der Startnummer 7, der eine Zeit von 3:15,267 Minuten fuhr und dabei den von ihm selbst gehaltenen Streckenrekord nur knapp verpasste. Auf seiner letzten Runde war Kobayashi auf dem Weg zu einer neuen Bestmarke und war nach 2 Sektoren 0,8 Sekunden schneller als bei seiner späteren Pole-Zeit. Da er dabei aber einmal das Track-Limit überfuhr, wurde ihm die Runde noch während der Fahrt gestrichen und Kobayashi ging vor der Start-und-Ziel-Linie vom Gas. Zweiter war überraschend Gustavo Menezes im Rebellion R13, der mit einer Zeit von 3:15,822 Minuten den zweiten Toyota mit Kazuki Nakajima am Steuer an die dritte Stelle verdrängte. Menezes erzielte bei seiner Fahrt die schnellste Zeit die jemals mit einem LMP1-Auto ohne Hybridantrieb in Le Mans gefahren wurde.[3]
Der Rennverlauf
Zum letzten Mal traten in Le Mans die Hybridfahrzeuge der LMP1-Klasse an. Die beiden Toyota TS050 Hybrid mit ihrem komplexen Antriebssystem zählten zu besten Rennwagen, die jemals auf Rundstrecken gefahren wurden. Vor der Saison wurde der Toyota noch einmal überarbeitet. Die Karossiere erhielt einen breiteren Vorderteil und nach hinten verschobene Kotflügel. Der 2,4-Liter-Sechszylinder-Turbomotor leistete 368 kW (500 PS). Dazu kam dieselbe Leistung aus dem Elektromotor. Die vom ACO verhängten Einschränkungen beim Spritverbrauch, das erhöhte Gewicht und Beschränkungen bei den Hochleistungskondensatoren verhinderten die volle Leistungsentfaltung des TS050 Hybrid. Mit den Eingriffen wollte der ACO das Leistungsdefizit der LMP1-Wagen ohne Hybridantrieb gegenüber den beiden Toyota verringern.[4]
Die Reglementierungen verhinderten den dritten Toyota-Gesamtsieg in Folge nicht. Erneut war es der Toyota mit der Nummer 8 der am Ende siegreich war. Auch für Sébastien Buemi und Kazuki Nakajima war es der dritte Le-Mans-Sieg in Folge. Der für Fernando Alonso ins Team gekommene Brendon Hartley gewann nach seinem Erfolg im Porsche 919 Hybrid (mit Timo Bernhard und Earl Bamber) 2017 das Rennen zum zweiten Mal. Erneut vom Pech verfolgt war der Toyota mit der Nummer 7, gefahren von Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López. Kobayashi kam zur Halbzeit des Rennens einem defekten Auspuffkrümmer an die Box. Dadurch funktionierte der Turbolader nicht mehr richtig. 30 Minuten kostete die Reparatur der glutheißen Teile der Abgasanlage und den möglichen Sieg. Auch das Rennen der Nummer 8 verlief nicht ganz problemlos. In der frühen Rennphase bekam der Wagen Bremsprobleme, nachdem Gummistücke die Bremsbelüftung verlegt und durch die dort herrschende Hitze auch noch Feuer gefangen hatten. Beim Tausch der Belüftung verlor die Nummer 8 während einer Safety-Car-Phase eine Runde. Am Tag nach dem Rennen entschuldigte sich Toyota-Eigentümer Akio Toyoda bei den Fahrern der Nummer 7 für die technischen Probleme.[5]
Die einzige nennenswerte Konkurrenz für Toyota kam von den beiden Rebellion R13, die an der zweiten und vierten Position ins Ziel kamen und im Rennen teilweise sehr schnell war. Bruno Senna gelang im Wagen mit der Nummer 1 die schnellste Rennrunde. Bis eine Stunde vor Rennschluss lag der Rebellion mit der Nummer 3, zu diesem Zeitpunkt gefahren vom Debütanten Louis Delétraz, an der dritten Stelle, knapp hinter dem zweiten R13. Ein Kupplungsproblem kostete eine Runde und den dritten Platz. Der fünfte LMP1, der ByKolles-Enso kam nicht ins Ziel. Am Samstagabend verunfallte Bruno Spengler, nachdem sich der Heckflügel des Fahrzeugs gelöst hatte. Spengler brachte das Fahrzeug zwar zurück an die Box, da die Techniker um Colin Kolles den Grund für den Heckflügelbruch nicht finden konnten, wurde der Enso zurückgezogen.
In der LMP2-Klasse gelang United Autosports ein zweifacher Erfolg. Der Oreca 07 mit der Nummer 22 und den Fahrern Filipe Albuquerque, Philip Hanson und Paul di Resta holte nicht nur den ersten Le-Mans-Sieg für das Team und alle drei Fahrer, sondern auch den Meistertitel in der LMP2-Kategorie der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft 2019/20, zu denen die 24 Stunden von Le Mans zählen. United Autosports gewann ein Rennen das von vielen Ausfällen geprägt war. Besonders auffallend waren Elektronikprobleme bei den Oreca-07-Fahrgestellen, die das Gros der Teilnehmer stellten. Zu den prominentesten Opfern gehörten der Jackie-Chan-DC-Oreca mit der Nummer 37 und der G-Drive-Aurus mit der Nummer 26. Aber auch zahlreiche weitere LMP2-Fahrzeuge wurden von dem mysteriösen Defekt heimgesucht, der die Fahrzeuge auf offener Strecke einfach lahmlegte. Oft waren mehrere Resets nötig, bevor die Box erreicht wurde. Der Oreca von Gabriel Aubry, Will Stevens und Ho-Pin Tung wurde noch während des Rennens wegen fremder Hilfe disqualifiziert, nachdem ein Mechaniker ein Ersatzteil zu dem am Streckenrand parkenden Wagen brachte. Eine Safety-Car-Phase knapp vor Rennschluss brachte noch einmal Spannung in diese Rennklasse, als plötzlich Anthony Davidson im Jota-Oreca in Schlagsdistanz zum führenden Wagen kam und die United-Autosport-Boxenmannschaft in Aufregung versetzte. Nach seinem letzten Tankstopp lag Philip Hansen nur mehr drei Sekunden vor Davidson, der allerdings ebenfalls noch einmal tanken musste, wodurch das Rennen entschieden war.
Eine besondere Leistung vollbrachten die Mechaniker von IDEC Sport. Im freien Training am Donnerstag wurden beide Chassis durch Unfälle schwer beschädigt und mussten neu aufgebaut werden. Beim Wagen mit der Nummer 17 musste dabei das komplette Chassis getauscht werden. Den Mechanikern gelang es nicht nur die Wagen bis zum Samstagvormittag wieder rennbereit zu machen, die beiden Orecas erhielten auch wieder ihre Originalbeklebung. Seine fahrerische Klasse bewies Patrick Pilet. Der Porsche-Werksfahrer erhielt am Freitag die Anfrage, ob er für Dwight Merriman einspringen könne, der von den Ärzten nach dem Unfall keine Starterlaubnis erhielt. Ohne nennenswerte Fahrpraxis in einem LMP2-Wagen und ohne angepassten Fahrersitz, fuhr Pilet von Beginn weg schnelle Rundenzeiten. Beide IDEC-Sport-Wagen, die auf Grund der fehlenden Qualifikationszeiten mit einer Runde Rückstand aus der Boxengasse starten mussten, erreichten das Ziel.
Das LMP2-Fahrzeug #4, gefahren von Tom Dillmann, Esteban Guerrieri, Jernej Simončič und Jesper Pedersen, vom Team ByKolles qualifizierte sich mit einer Rundenzeit von 3:23,380 Minuten für die Pole-Position. Das schnellste Auto der GT-Klasse im Qualifying war der Porsche 911 RSR vom Werksteam mit der Nummer #93, gefahren von Nick Tandy, Ayhancan Güven, Joshua Rogers und Tommy Østgaard.[8]
Das Rennen endete mit dem Gesamtsieg von Louis Deletraz und Raffaele Marciello mit den beiden Sim-Racern Nikodem Wisniewski und Kuba Brzezinski für Rebellion Racing. Die GT-Kategorie gewann der Porsche 911 RSR mit der Nummer #93 vom Werksteam, der bereits das Qualifying gewonnen hatte.[9]
Einladungen
Wie in den vielen Jahren davor wurde acht Monate vor dem Rennen die erste Einladungsliste zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans veröffentlicht. Automatisch startberechtigt waren die Klassensieger aus dem Vorjahr: Toyota Gazoo Racing für die LMP1-Klasse, Signatech Alpine Matmut als Sieger in der LMP2-Klasse und die Gewinner der beiden GT-Klassen, AF Corse und Team Project 1. Weitere Einladungen gab es für den Gesamtsieger und die Zweitplatzierten der European Le Mans Series (LMP2 und LMGTE), der Asian Le Mans Series (LMP2 und GT) und die Sieger des Michelin Le Mans Cup. Da der Michelin Le Mans Cup mit GT3-Fahrzeugen gefahren wird, die in Le Mans nicht startberechtigt sind, darf Kessel Racing in die LMGTE-Klasse wechseln. Die zwei letzten Einladungen gingen an die IMSA WeatherTech SportsCar Championship.[10]
Wie in den Jahren davor veröffentlichte der ACO zeitgleich mit der ersten vorläufigen Startliste auch eine Liste der Reservefahrzeuge. In der Liste von eins bis zehn nominiert, rücken die Fahrzeuge in dieser Reihenfolge für Ausfälle in der ursprünglichen Startliste nach.
1 Die beiden IDEC-Fahrzeuge erreichten nach Unfällen im freien Training keine Qualifikationszeiten. Beide Fahrzeuge mussten aus der Boxengasse starten und durften erst ins Rennen gehen, nachdem das gesamte Starterfeld die erste Rennrunde zurückgelegt hatte.