Das Nationalmuseum Breslau (polnischMuzeum Narodowe we Wrocławiu) ist ein Museum für bildende Künste in der polnischen Stadt Breslau (polnisch: Wrocław). Es ging aus deutschen Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts und aus polnischen Sammlungsbeständen in Lemberg hervor und zeigt als Schwerpunkt Kunst aus Schlesien und Polen. Die Sammlung umfasst etwa 120.000 Objekte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik, Skulpturen, Kunsthandwerk und Fotografien. Die Abteilung mit Arbeiten polnischer Künstler des 20. Jahrhunderts gehört zu den bedeutendsten ihrer Art.[1]
Mit der Gründung des Königlichen Museums für Kunst und Altertümer begann 1815 die lange Tradition der Kunstmuseen in Breslau. In den Räumen des ehemaligen Augustinerklosters (heute Universitätsbibliothek Breslau) auf der Sandinsel zeigte das Museum zunächst Kunstwerke, die durch die Säkularisation aus Kirchen und Klöstern in den Besitz des Staates gelangt waren. Aus diesem Museum ging 1880 das Schlesische Museum der Bildenden Künste hervor, das in einen von Otto Rathey entworfenen Neubau im Stil des Spätklassizismus zog. Das Schlesische Museum für Kunstgewerbe und Altertümer bezog 1899 eigene Räume im ehemaligen Ständehaus. Beide Museen bestanden bis 1945 und erlitten während des Zweiten Weltkrieges schwere Schäden an den Gebäuden, die heute beide nicht mehr existieren. Ein Großteil der Sammlungen beider Museen fiel ebenfalls Kriegseinwirkungen oder Plünderungen nach dem Krieg zum Opfer.
Von der Nachkriegszeit zum Polnischen Nationalmuseum
Bereits 1947 beschlossen die nunmehr polnischen Behörden der Stadt die Neugründung eines Kunstmuseums. Als Heimstätte hierfür wählten sie das vergleichsweise wenig beschädigte ehemalige Königliche Regierungsgebäude, das zwischen 1883 und 1886 unter der Leitung von Karl Friedrich Endell (1843–1891) im Stil der niederländischen Neorenaissance entstanden war. Am 11. Juli 1948 öffnete das zentrale Kunstmuseum für die Region Schlesien (die heutigen Woiwodschaften Oppeln und Niederschlesien) für das Publikum. Von den geretteten Beständen der vormals deutschen Museen kam nur ein Teil in das neue Museum, da andere Kunstwerke auf Kunstmuseen in Warschau, Krakau und Posen verteilt wurden. Stattdessen gelangten Bestände aus den Sammlungen der vormals polnischen Stadt Lemberg in das Breslauer Museum. Da die polnische Bevölkerung Lembergs infolge der Westverschiebung Polens überwiegend in Breslau angesiedelt wurde, sollten die von den ukrainischen Behörden transferierten Museumssammlungen den Bewohnern in ihrer neuen Heimat bei der Identitätsfindung dienen.
Das Museum hat seit dem 21. November 1970 den Status eines Muzeum Narodowe. In seinen Sammlungen befinden sich über 120.000 Objekte von der mittelalterlichen Steinplastik bis zur Fotografie. Das Museum zeigt überwiegend Werke polnischer Künstler, wobei ein Schwerpunkt bei Künstlern aus Schlesien liegt. Darüber hinaus verfügt es aber auch über einen Bestand an Arbeiten ausländischer Künstler. Zum Museum gehören die beiden Zweigstellen Panorama von Racławice und Ethnographisches Museum Breslau sowie der Vier-Kuppel-Pavillon.
Die Sammlung
Kunst aus Schlesien und Polen
Das Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen zur Kunst des Mittelalters in Polen. Die ältesten Objekte in der Sammlung des Museums stammen aus schlesischen Kirchen. Beispiele hierfür sind ein romanisches Tympanon aus dem 12. Jahrhundert, die Grabplatte eines schlesischen Prinzen der Piasten-Dynastie sowie der Sarkophag von Heinrich IV. (Schlesien) aus der Heiligkreuzkirche in Breslau. Hinzu kommen verschiedene Altarretabel aus Breslauer Kirchen, Goldschmiedearbeiten wie Reliquiare, aber auch Zunftgegenstände aus Zinn.
Zu den frühesten Gemälden in der Museumssammlung gehört die aus dem 14. Jahrhundert stammende Heilige Anna mit der Jungfrau und dem Kind aus Strzegom (Striegau). Von dem in Böhmen tätigen Bartholomäus Spranger ist eine Taufe Christi zu sehen. Weiterhin zeigt das Museum zahlreiche Werke des in Schlesien tätigen BarockmalersMichael Willmann und eine Reihe von Porträts des polnischen Barocks (17.–18. Jahrhundert). Ergänzt wird diese Abteilung durch Barockskulpturen von Georg Schrötter, Matthias Steinl, Michael Klahr dem Älteren und Franz Joseph Mangoldt sowie Tapisserien und eine Münzsammlung. Ebenfalls aus dieser Zeit finden sich Keramiken und Glaswaren aus schlesischen Manufakturen im Museum.
Von den vormals umfangreichen Beständen des Schlesischen Museums der Bildende Künste ist wenig in der Stadt Breslau verblieben. Neben erheblichen Kriegsverlusten und Plünderungen trug hierzu auch die polnische Kulturpolitik der Nachkriegszeit bei, die die Spuren der preußisch-deutschen Kultur in Breslau verwischen wollte. So gelangten Teile der Sammlung in andere polnische Museen wie beispielsweise das Gemälde Der preußische König Wilhelm I. am Sarkophag seiner Mutter, Königin Louise, im Mausoleum zu Charlottenburg von Anton von Werner ins Nationalmuseum Warschau. Erst nach 1989 fand hier ein Umdenken bei den Behörden statt und einzelne Werke deutscher Künstler kehrten nach Breslau zurück.
Piotr Łukaszewicz: Die Blume Europas, Meisterwerke aus dem Nationalmuseum Breslau (Wrocław) Ausstellungskatalog Wallraf-Richartz-Museum Köln, Fondation Corboud, Edition Minerva, Wolfratshausen 2006, ISBN 3-938832-08-8.