Der Landkreis erstreckte sich von den Osthängen des Altvatergebirges bis zum Fluss Oppa, der die Grenze zur Provinz Schlesien bildete. Bei Jägerndorf mündet die Goldoppa, ein weiteres markantes Gewässer des Kreises, in die Oppa. Bis auf den flacheren Nordosten prägten bewaldete Berghänge die Landschaft.
Infrastruktur
Die Kreisstadt Jägerndorf (tschechisch Krnov) war Industriezentrum und Eisenbahnknoten. Die wichtigste Bahnlinie war die Mährisch-Schlesische Zentralbahn, die den Kreis sowohl mit Breslau als auch mit der Nordbahn Wien–Krakau verband. In Jägerndorf kreuzte sich die Strecke mit der Oberschlesischen Bahn mit Verbindung zu Ratibor in Schlesien und Olmütz in Mähren. Während im Bergland hauptsächlich Viehwirtschaft und im Nordosten Ackerbau betrieben wurde, hatte sich in den Städten im bescheidenen Maße Industrie angesiedelt. In Jägerndorf waren Textilwerke und eine bedeutende Orgelfabrik beheimatet, in Olbersdorf arbeiteten ein Kupferhammer- und Walzwerk sowie eine Leinenbleicherei. Daneben waren im Kreis zahlreiche Brauereien und Brennereien in Betrieb. Im Jahr 1939 betrug die Einwohnerzahl 61.777, davon waren 54.255 katholischen und 6.570 evangelischen Glaubens. Lebten vor der deutschen Machtergreifung noch über 600 Juden im Kreis, wurde ihre Zahl 1939 nur noch 33 angegeben. Der Landkreis war in die vier Amtsgerichtsbezirke Hennersdorf, Jägerndorf, Hotzenplotz und Olbersdorf eingeteilt. Zum Kreisgebiet gehörten vier Städte und 61 Gemeinden (Ortsverzeichnis s. unten). Der Landkreis Jägerndorf hatte am 1. Dezember 1930 61.995 Einwohner, am 17. Mai 1939 63.125 und am 22. Mai 1947 34.522 Einwohner.
Geschichte
Das Territorium des Landkreises ist im Wesentlichen mit dem ehemaligen böhmisch-mährischenHerzogtum Jägerndorf identisch, das 1377 durch Herzog Johann I. von Troppau-Ratibor gegründet worden war. Deutsche Kolonisten hatten das Gebiet, das zuvor durch Mongoleneinfälle nahezu entvölkert worden war, im 13. Jahrhundert wieder besiedelt, und Deutsche bildeten auch bis 1945 neben der tschechischen Bevölkerungsgruppe die Mehrheit. Ab 1411 gehörte das Herzogtum zur Krone Böhmen, kam aber 1523 durch Kauf an das deutsche Markgrafengeschlecht der Hohenzollern. Markgraf Georg der Fromme verhalf dem Herzogtum zu wirtschaftlicher Blüte und zum Zentrum des evangelischen Glaubens im weiten Umfeld. Die Hohenzollern-Herrschaft dauerte bis 1622, als in der Folge der Schlacht am Weißen Berg das Herzogtum an Karl von Liechtenstein ging, mit dem die Rekatholisierung eingeleitet wurde. Zugleich kam das Herzogtum unter die Oberhoheit des habsburgischenÖsterreich und wurde Schlesien zugeordnet. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg wurde das Herzogtum 1742 Teil von Österreichisch-Schlesien. Mit der Einführung der österreichischen Verfassung von 1849 ging das Herzogtum in den neu gebildeten Kreis Troppau im nunmehrigen Kronland Österreichisch Schlesien auf.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam Österreichisch-Schlesien zur Tschechoslowakei, die den Bezirk Krnov bildete. Infolge des Münchner Abkommens wurde das Gebiet im Oktober 1938 von deutschen Truppen besetzt, und am 20. November 1938 wurde der deutsche Landkreis Jägerndorf gebildet. Er gehörte ab dem 15. April 1939 zum Reichsgau Sudetenland und unterstand dem Regierungsbezirk Troppau. Am 6. Mai 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt und wurde wieder in die Tschechoslowakei eingegliedert. Die 34.000 Deutschen wurde in Internierungslager verbracht und bis 1946 nach Deutschland antransportiert.
In der Zeit vom 1. bis 10. Oktober 1938 besetzten deutsche Truppen das Sudetenland. Der politische Bezirk Krnov trug fortan die frühere deutsch-österreichische Bezeichnung Jägerndorf. Der politische Bezirk Jägerndorf umfasste die Gerichtsbezirke Hennersdorf, Hotzenplotz, Jägerndorf und Olbersdorf. Seit dem 20. November 1938 führte der politische Bezirk Jägerndorf die Bezeichnung „Landkreis“.
Deutsches Reich
Am 21. November wurde das Gebiet des Landkreises Jägerndorf förmlich in das Deutsche Reich eingegliedert und kam zum Verwaltungsbezirk der Sudetendeutschen Gebiete unter dem Reichskommissar Konrad Henlein. Sitz der Kreisverwaltung wurde die Stadt Jägerndorf.
Ab dem 15. April 1939 galt das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung im Reichsgau Sudetenland (Sudetengaugesetz). Danach kam der Landkreis Jägerndorf zum Reichsgau Sudetenland und wurde dem neuen Regierungsbezirk Troppau zugeteilt. Zum 1. Mai 1939 wurde eine Neugliederung der teilweise zerschnittenen Kreise im Sudetenland verfügt. Dabei blieb der Landkreis Jägerndorf in seinen bisherigen Grenzen erhalten.
Seit 1945 gehörte das Gebiet zunächst wieder zur Tschechoslowakei. Heute ist es ein Teil der Tschechischen Republik und gehört größtenteils seit 1960 zum Okres Bruntál (Bezirk Freudenthal); die Orte Aubeln (Úblo) und Braunsdorf (Brumovice) gehören seit 1960 zum Okres Opava (Bezirk Troppau).
Bereits am Tag vor der förmlichen Eingliederung in das Deutsche Reich, nämlich am 20. November 1938, wurden alle Gemeinden das Recht der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 verliehen. Es galten fortan die im bisherigen Reichsgebiet üblichen Bezeichnungen, nämlich statt:
Ortsgemeinde: Gemeinde,
Marktgemeinde: Markt,
Stadtgemeinde: Stadt,
Politischer Bezirk: Landkreis.
Ortsnamen
Es galten die bisherigen Ortsnamen weiter, und zwar in der deutsch-österreichischen Fassung von 1918. Allerdings wurde 1943 eine Gemeinde umbenannt:
Gottlieb Biermann: Geschichte der Herzogthümer Troppau und Jägerndorf. Karl Prochaska, Teschen 1874.
Heinrich Schulig: Ein Heimatbuch für die Bezirke Jägerndorf und Olbersdorf. Herausgegeben vom Jägerndorfer Bezirkslehrerverein. Adolf Drechsler, Troppau 1923.
Erwin Winkler (Bearb.): Gemeindegrenzen und Sprachgrenze in Ostböhmen-Nordmähren-Schlesien. Josefstadt-Nachod, Kronstadt an der wilden Adler, Weidenau-Jauernig, Zuckmantel-Hotzenplotz, Reichenau-Tynist, Senftenberg, Freiwaldau, Jägerndorf, Hohenmauth-Leitomischl, Landskron - Mährisch Trübau, Mährisch Schönberg - Mährisch Neustadt, Freudenthal, Policka-Neustadt, Brüsau-Gewitsch, Olmütz, Mährisch Weißkirchen (= Teil des Kartenwerkes Gemeindegrenzenkarte der Sudetenländer – Böhmen und Mähren-Schlesien 1:300 000 mit deutsch-tschechischer Nationalitätengrenze (Sprachengrenze) nach dem Mehrheitsprinzip laut amtlicher tschechoslowakischer Volkszählung 1930 nach Gemeinden). Berlin 1938.
Kurt Langer: Lautgeographie der Mundart in den Landkreisen Freudenthal und Jägerndorf. Selbstverlag, Prag 1944.
Ernst Kober: Heimatbuch für den Kreis Jägerndorf, Ostsudetenland: Kulturgut des Ostsudetenlandes. Burgberg-Verlag, Grettstadt über Schweinfurt 1956.
Ladislav Zapletal, Bohuslav Kubalec: Geografie okresu Krnov. Odbor pro šk. a kult. rady ONV, Krnov 1959.
Otakar Káňa: Historické proměny pohraničí: Vývoj pohraničních okresů Jeseník, Rýmařov, Bruntál a Krnov po roce 1945. Profil 1976.
Josef Bartoš, Jindřich Schulz, Miloš Trapl: Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960. Sv. 13, okresy: Bruntál, Jeseník, Krnov. Univerzita Palackého, Olomouc 1994, ISBN 80-7067-402-4.
Ernst Kober: Jägerndorfer Ländchen 1951–1963. Burgberg Verlag, Grettstadt 1997.
Jaroslav Vencálek: Okres Bruntál. Okresní úřad, Bruntál 1998, ISBN 80-238-2542-9.
Rainer Vogel: Familiennamen in der Altvaterregion: Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der Personennamen im Fürstentum Jägerndorf und in der Herrschaft Freudenthal (ehemals Österreich-Schlesien). Kovač, Hamburg 2014, ISBN 978-3-8300-7905-7.
Weblinks
Landkreis Jägerndorf Verwaltungsgeschichte und die Landräte auf der Website territorial.de (Rolf Jehke), Stand 31. August 2013.
Michael Rademacher: Landkreis Jägerndorf. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900