Konrad Henlein wurde als Sohn katholischer Eltern, des Buchhalters Konrad Henlein sen. und dessen Frau Hedwig, geboren, die ihrerseits die Tochter eines Tschechen und einer Deutsch-Böhmin war.[1] Als Henlein am 26. Januar 1939 seinen Aufnahme-Antrag in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei stellte, gab er jedoch eine „deutsche Volkszugehörigkeit“ der Mutter an, deren Geburtsname „Dworatschek“ laute.[2] Doch erst am 18. April 1941 wurde nachträglich die tschechische Form des Geburtsnamens der Mutter, Hedwig Anna Augusta Dvořáček, auch offiziell zu „Dworatschek“ abgeändert.[1][3]
Im Frühjahr 1916 trat er in die österreichisch-ungarische Armee ein und nahm am Ersten Weltkrieg teil. Dabei kämpfte er im Gebirgskrieg an der italienischen Front, wo er am 18. November 1917 in Kriegsgefangenschaft geriet. Seine Gefangenschaft verbrachte er in einem Lager auf der Insel Asinara vor Sardinien und beschäftigte sich dort intensiv mit den Ideen der Deutschen Turnbewegung. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1919 arbeitete er als Bankbeamter in Gablonz und war zunächst ehrenamtlich in der deutschnationalenTurnbewegung tätig. 1925 übernahm er schließlich eine Turnlehrerstelle in Asch. Dort heiratete er 1926 die Turnerin und Konditorentochter Emma Geyer, mit der er später fünf Kinder hatte. Nachdem Konrad Henlein 1931 Führer des Sudetendeutschen Turnerbundes geworden war, versuchte er, die Turnbewegung als politische Kraft auszubauen.
Gang in die Politik
Am 1. Oktober 1933 gründete Henlein in Eger die „Sudetendeutsche Heimatfront“ (SHF). DNSAP und Deutsche Nationalpartei hatten sich kurz zuvor aufgelöst, um einem Verbot durch die tschechoslowakische Regierung zuvorzukommen. Es beteiligten sich viele ehemalige Funktionäre und Politiker dieser Parteien an der Gründung der neuen Bewegung. Die SHF fand unter den Deutschen in Böhmen rasch eine breite Basis, obgleich bis Mitte der 1930er Jahre die sozialdemokratische und die kommunistische Partei mehr Anhänger hatten.
Henlein äußerte sich in seinen Reden zunächst im Sinne einer aktivistischen Politik; er betonte seine Loyalität zum tschechoslowakischen Staat, innerhalb dessen er die Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechte der deutschen Minderheit stärken wolle. Unter Historikern ist bis heute umstritten, inwieweit es sich hierbei um Überzeugung oder – wie von Henlein später behauptet – um taktisches Verhalten handelte.[5]
Zum 19. April 1935 erfolgte die Umbenennung des SHF in Sudetendeutsche Partei (SdP). Diese wurde in den Folgejahren mit massiver Unterstützung der NSDAP systematisch ausgebaut. Bei den Wahlen 1935 gewann die SdP 44 der 66 deutschen Sitze im Prager Parlament. Vom 21. November 1936 bis zum 31. Januar 1939 war Henlein Vorsitzender des Verbandes der deutschen Volksgruppen in Europa.[6] Im November 1937 unterwarf sich Henlein in einem Schreiben an Hitler dessen expansiver Politik – möglicherweise nachdem Agenten aus Berlin eine Revolte in der SdP gegen ihn angezettelt hatten.[5] Ziel war ab diesem Zeitpunkt unverhohlen der Anschluss der Sudetengebiete an das nationalsozialistische Deutsche Reich.
Während der Sudetenkrise des Jahres 1938 fuhr Henlein zweigleisig und lotete auch weiterhin im Geheimen die Möglichkeit eines Verbleibes des Sudetenlandes in der Tschechoslowakei aus. Dazu suchte er Kontakt zu britischen Politikern, betätigte sich als Informant und pflegte Kontakte mit Wilhelm Canaris.[5][7]
Zwischen dem 12. und 13. September 1938 startete Henlein den „Ersten Septemberaufstand“, den Versuch eines Staatsstreiches in den Grenzbezirken. Diese Rebellion wurde aber durch die tschechoslowakische Armee und Polizei rasch erstickt. Die SdP, die noch am 11. September in Gesprächen mit der Regierung stand, wurde verboten. Die gesamte SdP-Führung flüchtete nach Deutschland, wo Henlein die Bildung des „Sudetendeutschen Freikorps“ veranlasste, dessen Kommandeur er wurde. Dieses „Sudetendeutsche Freikorps“ wurde organisatorisch den SS-Totenkopfverbänden unter Theodor Eicke zugeordnet und Ende 1938 von diesen eingegliedert.
Am 21. September 1938 kam es zum „Zweiten Septemberaufstand“, der im Bezirk Asch (dem westlichsten Grenzbezirk der Republik) begann. Weil die tschechoslowakische Regierung eine Provokation Hitlers mit dem Ziel, die tschechoslowakische Seite zu Kriegshandlungen hinzureißen, fürchtete, verhielten sich Polizei und Militär passiv. Bis zum 23. September gelang es der SdP-Guerilla, den gesamten Bezirk Asch zu beherrschen. Am 30. September wurde das Münchner Abkommen geschlossen, vor dem die tschechoslowakische Regierung kapitulierte. Am nächsten Tag okkupierte die deutsche Wehrmacht etwa ein Drittel des tschechischen Landesteils. Danach war Henlein ab Anfang Oktober 1938 zunächst Reichskommissar für die sudetendeutschen Gebiete und wurde am 30. Oktober 1938 Gauleiter des Sudetengaus. Er durfte ab 9. Oktober 1938 die Uniform eines SS-Gruppenführers tragen, war somit SS-Ehrenführer und politisch dem „Stab RFSS“ unterstellt. Er stellte im Januar 1939 seinen NSDAP-Aufnahmeantrag und erhielt die Mitgliedsnummer 6.600.001. Wenig später trat er auch der SS (SS-Nr. 310.307) aktiv bei und wurde am 21. Juni 1943 zum SS-Obergruppenführer befördert.
Während des Zweiten Weltkrieges trat Henlein kaum noch politisch in Erscheinung, offenbar war er weitgehend entmachtet. Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, soll ihn für unzuverlässig befunden haben. Eine Ablösung scheiterte am engen Verhältnis Henleins zu Hitler.
Henlein starb am 10. Mai 1945 in US-amerikanischer Gefangenschaft durch Suizid.
Literatur
Ralf Gebel: „Heim ins Reich!“ Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland 1938–1945 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Band 83). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56468-4 (urn:nbn:de:bvb:12-bsb00092896-5).
↑ abRalf Gebel: „Heim ins Reich!“ Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2000, S. 43.
↑NS-apologetisch: Karl Höffkes: Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des Dritten Reiches. 2. Auflage. Grabert Verlag, Tübingen 1997, ISBN 3-87847-163-7, S. 139–141.
↑Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 2: Co–Ha. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02502-9, S. 289.
↑ abJoachim Lilla: Die Vertretung des „Reichsgaus Sudetenland“ und des „Protektorats Böhmen und Mähren“ im Grossdeutschen Reichstag. In: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder, Band 40, Ausgabe 2, 1999, S. 458