Johann Nepomuk David, der Sohn des Schullehrers Karl David, war von 1905 bis 1909 Sängerknabe im Augustiner-Chorherrenstift Sankt Florian und von 1909 bis 1912 Schüler am Stiftsgymnasium Kremsmünster.[1] Von 1912 bis 1915 studierte er an der (katholischen) Bischöflichen Lehrerbildungsanstalt in Linz. Von 1915 bis 1920 war er Volksschullehrer in Peterskirchen (Innkreis), von 1920 bis 1924 Volksschullehrer in Waizenkirchen.[2]
Danach studierte er von 1921 bis 1922 an der Musikakademie und an der Universität in Wien bei Joseph Marx bzw. Guido Adler und hatte persönlichen Kontakt zu Josef Matthias Hauer, Arnold Schönberg und Anton Webern. Von 1922 bis 1924 war David musikalischer Leiter der Linzer „Kunststelle“, geführt von dem Literaturwissenschaftler und Volksbildner Wilhelm Gärtner. Von Januar 1925 bis Herbst 1934 unterrichtete David in Wels an der katholischen Volksschule, von 1926 bis 1934 leitete er dort den von ihm gegründeten Bach-Chor und war 1930 bis 1934 Organist an der evangelischen Christuskirche. Von November 1934 bis Januar 1945 war er Lehrer, seit Juni 1943 Professor für Theorie und Komposition sowie Leiter der Kantoreien am Landeskonservatorium (seit 1941 Hochschule für Musik) in Leipzig – seit 1. Mai 1942 als kommissarischer Direktor dieses Instituts.
Der parteilich ungebundene David komponierte in der Zeit des Nationalsozialismus fast nur absolute Musik (Kammermusik, Symphonien, Orchesterwerke) oder geistliche Musik (Orgelmusik, Motetten, Kantaten). Eine „Heldenehrung / Motette nach einem Führerwort [Adolf Hitler] / für 4stimmigen gemischten Chor und 3 Posaunen […] / Den gefallenen Lehrern und Studierenden / der Staatl. Musikhochschule in Leipzig zum Gedächtnis“ auf folgenden Text: „Wer seinem Volke so die Treue hält, der soll selbst in Treue nie vergessen sein“ wurde am 7. November 1942 in Leipzig uraufgeführt, blieb jedoch unveröffentlicht.[3]
Nach dem schweren Bombenangriff auf Leipzig am 3./4. Dezember 1943 leitete David von April 1944 an die Evakuierung der Musikhochschule nach Crimmitschau in Sachsen, wo bis zu den Abschlussprüfungen im August 1944 unter schwierigsten Verhältnissen der Studienbetrieb aufrechterhalten werden konnte. Im August 1944 wurde er in die sogenannte Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Komponisten aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront, bewahrte.[4]
Von 1949 bis 1952 war er außerdem Dirigent des Stuttgarter Brucknerchores und von 1950 bis 1953 Dirigent des Hochschulkammerorchesters, mit dem er u. a. ein vielfach beachtetes Konzert in Paris leitete. Mit diesen beiden Ensembles brachte David auch zeitgenössische Kompositionen zur Aufführung, die durch Produktionen bzw. Mitschnitte des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart dokumentiert sind.
1970 Ehrendoktor der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Mainz
Mitgliedschaften
Beitritt zum Reichsbund Deutsche Familie, einem vom Rassenpolitischen Amt der NSDAP betreuten "Kampfbund für den Kinderreichtum der Erbtüchtigen" am 24. November 1943.[10]
David gilt als Traditionalist und Polyphoniker (nicht nur in der Kirchenmusik). Er schuf zahlreiche Chor-, Orgel-, Kammermusik- und Orchesterwerke sowie Oratorien. Es existieren viele unveröffentlichte Kompositionen, vor allem aus den Jahren vor 1925, die in der nachfolgenden Liste nicht aufgeführt werden. Gedruckte Werke sind überwiegend bei Breitkopf & Härtel in Leipzig bzw. Wiesbaden erschienen, einige wenige beim Musikverlag Doblinger, Wien.
Orchesterwerke
Partita Nr. 1 (1935)
Sinfonie Nr. 1 a-Moll op. 18 (1936)
Symphonie Nr. 2 op. 20 (1938)
Kum, kum, geselle min Divertimento nach alten Volksliedern op. 24 (1938)
5. Ich weiß ein Maidlein hübsch und fein, vierstimmig (SATB)
6. Weiß mir ein Blümlein blaue, dreistimmig (SAT)
7. Sie gleicht wohl einem Rosenstock, vierstimmig (SATB)
8. Es ist ein Schnitter, heißt der Tod, vierstimmig (SATB)
9. Du mein einzig Licht, dreistimmig (SABar)
10. Geistliches Trinklied Laßt uns singen und fröhlich sein, vierstimmig (SATB)
Zehn neue Volksliedsätze für gemischten Chor a cappella (1952)
1. Der mayen, der Mayen, vierstimmig (SATB)
2. Ich wollt gern singen, dreistimmig (SAB)
3. Herzlich tut mich erfreuen, vierstimmig (SATB)
4. Was wölln wir auf den Abend tun?, vierstimmig (SATB)
5. Gar lieblich hat sich gesellet, vierstimmig (SATB)
6. Es taget vor dem Walde, vierstimmig (SATB)
7. Du mein einzig Licht, dreistimmig (ATB)
8. Ich schell mein Horn im Jammerton, vierstimmig (SATB)
9. Bretonisches Abendlied Es tönt des Abendglöckleins Schlag (SATBBB)
10. Der grimmige Tod mit seinem Pfeil, vierstimmig (SATB)
Empfangen und genähret, Motette für vierstimmigen gemischten Chor (SATB) (nach Der Mensch von Matthias Claudius) op. 34 Nr. 2 (1956)
Komm Trost der Nacht, o Nachtigall, Motette für vierstimmigen gemischten Chor (SATB) (nach Lied des Einsiedlers aus Simplicius Simplicissimus von Hans Jakob Christian von Grimmeslhausen) op. 34 Nr. 3 (1956)
Es ging ein Maidlein zarte, für zwei Chöre a cappella (SAT/SSBB) (1961)
Es ist ein Schnee gefallen, für vierstimmigen gemischten Chor a cappella (SATB) (1961)
Zwei vierstimmige Sätze (1961)
1. Gesegn dich Laub (SATB)
2. Es geht eine dunkle Wolk herein (SATB)
Wân Denken Do der sumer komen was (Walther von der Vogelweide) für vier Singstimmen (SATB), Flöte und Horn, op. 64 (1966)
Wegen geringer Dinge op. 76 (1970/75)
Geistliche Chor- und Vokalwerke: Motetten, Kantaten, geistliche Lieder
Stabat Mater, für sechsstimmigen gemischten Chor a cappella (SSATBB) (1927)
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld (Paul Gerhard), vierstimmige Motette a cappella (SATB) (1935)
Nun bitten wir den heiligen Geist, vierstimmige Choralmotette a cappella (SATB) (1935)
Herr, nun selbst den Wagen halt, vier-/ fünfstimmige Choralmotette a cappella (SATB/SATTB) (1935) über das Kappelerlied
Ex Deo nascimur - In Christo morimur - Ex Spirito Sancto reviviscimus, (Martin Luther und Nikolaus Hermann) Motette für achtstimmigen Chor a cappella (SATB/SATB) (1936)
Ich wollt, daß ich daheime wär (über Heinrich LaufenbergsLied), Choralmotette, vierstimmig a cappella (SATB) (1936)
Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, vierstimmige Motette a cappella (SATB) (1937)
Kyrie, Herre Gott, erbarme dich, dreistimmig (SAB) a cappella (1937)
Zwei Motetten für vier- und fünfstimmigen gemischten Chor a cappella op. 23 (1939)
1. Wer Ohren hat zu hören, höre, vierstimmig (SATB)
2. Und ich sah einen neuen Himmel (nach der Geheimen Offenbarung), (SATB/SSATB)
Fröhlich wir nun all' fangen an, Kantate für drei Stimmen (SAB), Oboe und Orgel (1941)
Ich stürbe gern aus Minne. Gottesminnelieder nach Worten der Mechthild von Magdeburg für Sopran und Orgel (1942)
Zwei Chorwerke op. 35 Nr. 1–2
1. Victimae pascalis laudes, Motette für vierstimmigen gemischten Chor (SATB) a cappella (1948)
2. Ut queant laxis (Guido von Arezzo), Hymnus super voces musicales, fünfstimmig (SSATB) (1946)
Veni Creator Spiritus, für gemischten Chor a cappella (SATB) (1957)
Sechs Evangelienmotetten für gemischten Chor a cappella (1958)
1. Der Pharisäer und der Zöllner (Lk 18,10-14), vierstimmig (SATB)
2. Lasset die Kindlein zu mir kommen (Mk 10,13-16), vierstimmig (SATB)
3. Die Ehebrecherin (Joh 8,3-11), fünfstimmig (SATTB)
4. Das Scherflein der Witwe (Mk 12,41-45), vierstimmig (SATB)
5. Der barmherzige Samariter (Lk 10,30-34), vierstimmig (SATB)
6. Die zwei Blinden (Matt 9,27-30), sechsstimmig (SSATBB)
O Heiland reiß die Himmel auf, Motette für kleinen gemischten Chor zu drei Stimmen (SAB) (1959)
Psalm 139 Herr, du erforschest mich, für gemischten Chor (SATB) (1961)
Maria durch den Dornwald ging, Liedmotette für gemischten Chor (SATBB) (1962)
Fünf Choralkantaten für Sopran, Alt, Bass und Orgelpositiv op. 60 Nr. 1–5 (1965)
1. Nun komm der Heiden Heiland
2. Gelobet seist du, Jesu Christ
3. Christ, der uns selig macht
4. Christ ist erstanden
5. Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist
Marienpreis Maget und muoter (Walther von der Vogelweide), Motette für Sopransolo und vier-sechsstimmigen gemischten Chor a cappella op. 63 (1966)
O wir armen Sünder (Hermann Bonn, 1504–1548), Kantate für Altsolo, vierstimmigen gemischten Chor und Orgel op. 65 (1968)
Kyrie de angelis, für drei gleiche Stimmen und Orgel (1968)
3 Sätze aus dem „Cherubinischen Wandersmann“, Text von Angelus Silesius (1971)
Zwei kleine Präludien und Fugen. e-Moll und G-Dur (1931)
Zwei Fantasien und Fugen. e-Moll und C-Dur (1935)
Ricercare in a (5-stimmig) (1937)
Introitus, Choral und Fuge für Orgel und neun Blasinstrumente über ein Thema von A. Bruckner, Werk 25 (1939, uraufgeführt am 12. November 1939 im Dom zu Bremen durch Michael Schneider, Dirigent: Richard Liesche)
Zwölf Orgelfugen durch alle Tonarten, Werk 66 (1967/68)
Partita für Orgel (1970)
Hölderlin. Ode – Elegie – Hymne (1970)
Franz von Assisi (1972)
Thomas von Aquin (1972)
Sonate für Violine und Orgel op. 75 (1975)
Sonate für Violoncello und Orgel (1975)
Veröffentlichungen
Die Jupiter-Symphonie. Eine Studie über die thematisch-melodischen Zusammenhänge [Anhang: Das 'Os iusti' von Anton Bruckner]. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1953.
Die zweistimmigen Inventionen von Johann Sebastian Bach. Göttingen 1957
Die dreistimmigen Inventionen von J.S.Bach. Göttingen 1959
Das Wohltemperierte Klavier. Der Versuch einer Synopsis. Göttingen 1962
Literatur
Rudolf Klein: Johann Nepomuk David. (Reihe: Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts, Band 3). Österreichischer Bundesverlag, Wien 1964.
Hans Georg Bertram: Material Struktur Form. Studien zur musikalischen Ordnung bei Johann Nepomuk David. 2 Bände. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1965 (= Diss. phil. Universität Würzburg).
Hans Heinz Stuckenschmidt: Johann Nepomuk David. Betrachtungen zu seinem Werk. Mit einem Lebensabriß von Helmut von Hase und einem Werkverzeichnis. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1965.
Ex Deo nascimur. Festschrift zum 75. Geburtstag von J. N. David, hrsg. von Gerd Sievers, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1970 (Beiträge von H. G. Bertram, O. Costa, W. Dallmann, J. Demus, H. Eder, S. Goslich, H. Grischkat, F. Högner, F. Illenberger, W. Kolneder, M. Schneider,H. Schnoor, G. Sievers, H. Sittner, O. Söhngen, H. Stadlmair, H. H. Stuckenschmidt, H. Wunderlich)
Mitteilungen der Internationalen Johann-Nepomuk-David-Gesellschaft. Redaktion: Bernhard A. Kohl u. a., Stuttgart 1979 ff.
Bernhard A. Kohl: David, Johann Nepomuk. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 5 (Cover-Dz). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2001, ISBN 3-7618-1115-2, Sp. 491–503.
Bernhard A. Kohl: Johann Nepomuk David. Thematisch-chronologischer Katalog sämtlicher Kompositionen und Schriften sowie ihrer Quellen. Anhang: Studie zu Davids Arbeitsweise. Mit Faksimile-Tafeln. 2 Bände. Dissertation Universität Wien 2002.
↑Zitat bei Bernhard A. Kohl: Johann Nepomuk David in Leipzig – eine Dokumentation. In: Mitteilungen 4 der Internationalen J.-N.-David-Gesellschaft. Stuttgart 1983, S. 8.
↑Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 108.