Die Gemeine Schafgarbe oder Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium), kurz auch Schafgarbe genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie ist auch die namensgebende Art für die Gruppe Achillea millefolium aggregata.
Es sind ausdauernde, krautige Pflanzen oder Halbsträucher, die eine Wuchshöhe von sieben bis 100 Zentimetern erreichen. Das dünne und waagrechte Rhizom bildet bis zu 50 Zentimeter lange unter- oder oberirdische Ausläufer mit sterilen Trieben. Die Laubblätter sind zwei- bis vierfach fiederteilig und haben über 15 Fiederpaare erster Ordnung. Die unteren Blätter sind gestielt, die oberen sind sitzend und haben vergrößerte basale Fiedern. Die Stängelblätter haben einen lanzettlichen bis linealischen Umriss und sind drei- bis zwölfmal so lang wie breit. Ihre Fiedern sind einander genähert oder berühren sich sogar. Die Grundblätter sind stärker geteilt als die Stängelblätter.
Der doldenrispige Gesamtblütenstand enthält zahlreiche körbchenförmige Teilblütenstände. Die Blütenkörbchen besitzen eine 3 bis 6 Millimeter hohe becherförmige Hülle, deren Durchmesser breiter als 2 Millimeter ist. Die mehrreihig angeordneten Hüllblätter sind hautrandig. Die Blütenkörbchen enthalten Röhren- und Zungenblüten. Es gibt vier bis sechs Zungenblüten, deren Zunge circa so lang wie breit ist und ein Drittel so lang bis gleich lang wie die Hülle. Die Kronröhre der Zungenblüten ist höchstens so lang wie die Zunge (Ausnahmen: Achillea setacea und Achillea collina). Die Zungenblüten sind oberseits weiß, selten rosa. Die Röhrenblüten sind ebenfalls weißlich oder rötlich. Die Blütezeit reicht meist von Mai bis Juni.
Achillea apiculataOrlova: Sie kommt im nördlichen europäischen Russland vor.[3]
Achillea asiaticaSerg.: Sie kommt im nördlichen und östlichen europäischen Russland vor.[3]
Achillea carpaticaDubovik: Sie kommt in der Slowakei und in der Ukraine vor.[3]
Achillea euxinaKlokov: Sie kommt in der Ukraine vor.[3]
Achillea inundataKondr.: Sie kommt in Rumänien, in der Ukraine und in Russland vor.[3]
Achillea nigrescens(E. Mey.) Rydb.: Sie kommt im nördlichen europäischen Russland vor.[3]
Achillea stepposaKlokov & Krytzka: Sie kommt in der Ukraine und in Russland vor.[3]
Eigentliche Gewöhnliche Schafgarbe
Merkmale
Die Eigentliche Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium s. str.) hat längliche Grund- und untere Stängelblätter. Diese stehen dicht bis entfernt. Die Fiedern der Blätter sind höchstens zweimal so lang wie breit. Die Laubblattspindel (Rhachis) ist ganzrandig und besitzt nie Zwischenfiedern.
Der Hauptschirm ist weniger dicht und nie von seitlichen Schirmkorbrispen übergipfelt. Er hat einen Durchmesser von vier bis 15 Zentimetern. Die Internodien in der Stängelmitte sind sehr selten verkürzt.
Die Gewöhnliche Schafgarbe kommt ursprünglich in Eurasien, in Nord- und Mittelamerika vor.[4] In Südamerika, Afrika, Australien, Neuseeland und in Hawaii ist sie ein Neophyt.[4]
Als Standort werden Wiesen, (Schaf-)Weiden, Halbtrockenrasen, Acker- und Wegränder bevorzugt. In den Alpen steigt sie auf Höhenlagen von etwa 1900 Metern. In den Allgäuer Alpen steigt sie in Vorarlberger Teil an der Üntschenspitze in Gipfelnähe bis zu einer Höhenlage von 2139 Metern auf.[5] Sie ist fast kosmopolitisch verbreitet. Nur in mediterranen Gebieten ist sie selten.
Die Gemeine Schafgarbe gehört zu den Wurzelkriechern und Pionierpflanzen. Sie gilt als Bodenfestiger und Nährstoffzeiger vor allem für stickstoffhaltige Böden.
Unterarten
Traditionell werden bei der Eigentlichen Gewöhnlichen Schafgarbe zwei Unterarten unterschieden, die jedoch keine einheitlichen Sippen sind. Die genauere Erforschung ist noch nicht abgeschlossen.[1]
Sudeten-Schafgarbe (Achillea millefolium subsp. sudetica(Opiz) Weiss) hat meist dunkelbraun berandete Hüllblätter. Die Zungen sind oft (dunkel)rosa und meist so breit bis breiter als lang. Die Kronröhre ist kürzer als die Zunge. Sie erreicht eine Wuchshöhe von acht bis 60 Zentimetern. Die Chromosomenzahl ist 2n = 54, seltener 18.[6] Sie wächst in supalpinen bis alpinen Rasengesellschaften. In den Allgäuer Alpen steigt sie von 900 Metern bis zu einer Höhenlage von 2090 Metern am Diedamskopf-Gipfelgrat im Vorarlberger Teil auf.[5] Sie zerfällt in Österreich in mindestens zwei Sippen.[1]
Die Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium subsp. millefolium) hat grünlich bis hellbraun berandete Hüllblätter. die Zungen sind weiß bis rosa, selten dunkelrosa. Die Wuchshöhe beträgt 20 bis 100 Zentimeter. Sie wächst auf Wiesen und Halbtrockenrasen sowie an Wegrändern auf nährstoffreichen, frischen bis mäßig trockenen, lockeren Böden in der collinen bis montanen (subalpinen) Höhenstufe. Diese Sippe ist sehr vielgestaltig und uneinheitlich. Wahrscheinlich ist es eine aus mehreren Unterarten bestehende Gruppe von Kleinarten.[1] Die Chromosomenzahl ist 2n = 54.[6]
Bilder
Blatt der Schafgarbe
Makro eines Schafgarbenblattes von oben
Makro eines Schafgarbenblattes von unten
Achänen
Querschnitt durch die Sprossachse (Vergrößerte Aufnahme mit Lichtmikroskop)
Die Gemeine Schafgarbe wird als Gewürz- und Arzneipflanze verwendet.
Als Arzneidroge werden oberirdische Teile der Gemeinen Schafgarbe wie Stängel, Blätter und die Blüten genutzt (Schafgarbenkraut, lat. Millefolii herba; Schafgarbenblüte, lat. Millefolii flos). Sie können als Aufguss oder als Frischpflanzenpresssaft verarbeitet werden. Zubereitungen aus Schafgarbenkraut wirken gallenflussanregend (choleretisch), antibakteriell, zusammenziehend (adstringierend) und krampflösend (spasmolytisch).[7]
Innerlich wird Schafgarbenkraut vorwiegend bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden verwendet (Völlegefühl, krampfartigen Erscheinungen im Verdauungstrakt, Flatulenzen [Blähungen]). Weitere Anwendungsgebiete sind schmerzhafte Krampfzustände psychovegetativen Ursprungs im kleinen Becken der Frau, hierzu werden aus dem Schafgarbenkraut Sitzbäder bereitet.[7]
Volksheilkundlich wird Schafgarbenkraut zur Anregung der Gallensaftproduktion eingesetzt[8] sowie bei Blasen- und Nierenerkrankungen und Menstruationsbeschwerden.[9] Äußerlich werden Schafgarbenauszüge aufgrund ihrer antibakteriellen und adstringierenden Wirkung bei Entzündungen,[10] Wunden, Hämorrhoiden und zur Minderung übermäßiger Schweißbildung verwendet, eine Wirksamkeit ist nicht belegt.[9] Gesichert gilt die hepatoprotektive (die Leber schützende) Eigenschaft von Achillea millefolium und deren Extrakten.[11]
Schon im Altertum war die Schafgarbe bekannt als Heilpflanze bei den Germanen, der indigenen Bevölkerung Amerikas und in China, wo sie auch für das Schafgarbenorakel verwendet wurde. In der Ilias wird sie genannt als Mittel zur Wundheilung und zur Stillung von Blutungen.[13]
Die Gemeine Schafgarbe enthält hauptsächlich folgende Inhaltsstoffe, da verschiedene Chemotypen existieren, in sehr variablen Mengen: ätherische Öle (enthält etwa Campher, α- und β-Pinen, 1,8-Cineol, α-Caryophyllen und Sabinen), azulenogene Sesquiterpenlactone (Proazulene) der Guajanolid-Reihe und nichtazulenogene Sesquiterpenlactone der Germacranolid-Reihe. Als Begleitstoffe treten Flavonoide, Cumarine, Polyine, Kaffeesäurederivate und stickstoffhaltige Verbindungen (Achillein) auf.[10][8]Chamazulen und andere Azulene bilden sich erst bei der Wasserdampfdestillation aus Proazulenen. Für das Guajanolid Achillinin A wurden zytotoxische Eigenschaften beschrieben.[14]
Beim Liegen mit nackter Haut auf frischem Schafgarbenkraut kann es zu Irritationen vom Typ Wiesendermatitis kommen.
In früheren Zeiten wurde Schafgarbe zum Gelbfärben von Wolle verwendet. Dazu verwendete man getrocknete Blätter, Stängel und Blüten. Die Wolle musste vor dem Gelbfärben mit Alaunen gebeizt werden.[15]
Namensherkunft
Der Gattungsname Achillea geht auf Achilleus, den sagenhaften Helden des Trojanischen Krieges zurück, der die Pflanze als Droge entdeckt und zur Wundheilung verwendet haben soll (Ilias, 11. Gesang, Vers 822ff.), während der Artname millefolium (= Tausendblatt) auf die fein zerteilte Blattspreite anspielt. Im Mittelalter meinte lateinisch millefolium[16] die Art Gemeine Schafgarbe.
Der deutsche Pflanzenname „Garbe“ beruht auf mittelhochdeutsch garwe.
Weitere bekannte Namen sind: Achilleskraut, Blutstillkraut, Gänsezungen, Grützblume, Kachel, Zangeblume, Feldgarbenkraut, Grundheil.
Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. (CD-Rom), Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2001/2002, ISBN 3-494-01327-6.
Heidelberg Cpg 620, Rezeptsammlung – Nordbayern um 1450, Blatt 75r-95v „Galgant-Gewürz-Traktat“. Blatt 90v Tausent pleter. Digitalisat Zur komplizierten Entstehungs- und Überlieferungs-Geschichte des „Galgant-Gewürz-Traktats“ siehe: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. III, Sp. 476–479: G. Keil. Henrik Harpestraeng und Bd. VI, Sp. 988–990: William C. Crossgrove. Niederdeutscher Gewürztraktat.
↑ abcdManfred A. Fischer (Red.): Exkursionsflora für Österreich. 2005, S. 898ff.
↑ abcdefErich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S.935–936.
↑ abAchillea im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 20. Februar 2018.
↑David Hoffmann: Natürlich gesund – Kräutermedizin. Über 200 Kräuter und Heilpflanzen und ihre Wirkung auf die Gesundheit. Hrsg.: Element Books. 1. Auflage. Element Books, Shaftesbury, England, Vereinigtes Königreich 1996, Teil Drei: Das Pflanzenverzeichnis, S.53 (256 S., englisch: The Complete Illustrated Holistic Herbal. Shaftesbury, England 1996. Übersetzt von Mosaik Verlag).
↑Dieter Schittenhelm: Schafgarbe, Darstellung der Website naturmedizin.lauftext.de, abgerufen am 13. Oktober 2013
↑E. Prinz: Färberpflanzen - Anleitung zum Färben, Verwendung in Kultur und Medizin. Verlag Schweizerbart, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-510-65258-7, S. 53.
↑Vgl. etwa Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 242 (Millefolium).
↑Alfred Helfenstein: Das Namengut des Pilatusgebietes. Keller, Luzern 1982, ISBN 3-85766-004-X, S. 42 (Nieschwald).
↑Carl Jessen, Die deutschen Volksnamen der Pflanzen, Verlag von Philipp Cohen Hannover 1882, Seite 6 f.