Alfred Hrdlicka [ˈalfʀeːt ˈɦr̩ɟlɪt͡ʃka] (* 27. Februar 1928 in Wien; † 5. Dezember 2009 ebenda) war ein österreichischer Bildhauer, Zeichner, Maler, Grafiker, Schachspieler und Schriftsteller.
Alfred Hrdlicka wuchs in der politisch unruhigen und von auch gewalttätigen Kämpfen zwischen sozialistischen und konservativen, zunehmend auch nationalsozialistischen Gruppierungen und Parteien geprägten Ersten Republik Österreich auf. Schon früh wurde er durch seinen Vater, einen Kommunisten und Gewerkschaftsfunktionär, für politische Fragen sensibilisiert. Bereits 1933, als Fünfjähriger, begleitete er ihn, der mehrmals verhaftet wurde, beim Verteilen von Flugblättern im Arbeiterbezirk Floridsdorf.[1] Mit sechs Jahren erlebte er eine erste Hausdurchsuchung, bei der er von der Polizei verprügelt wurde. Als Zehnjähriger war er Zeuge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich.
Die Jahre der NS-Herrschaft und den Zweiten Weltkrieg überlebten sein Vater, der zeitweilig Zwangsarbeit in einer Strafkompanie der Organisation Todt leisten musste, und er durch Abtauchen in die Illegalität. Alfred Hrdlicka entzog sich so 1944 dem Kriegsdienst. Bei einem befreundeten Zahntechniker, der ihn auch vorübergehend versteckte, konnte er eine zweieinhalbjährige Lehre machen. Die dort erworbenen feinmotorischen Fähigkeiten waren ihm später bei der Schaffung seiner Kunstwerke sehr von Nutzen. Sein älterer Bruder war als Soldat der Wehrmacht vor Leningrad gefallen, ein weiterer Verwandter, Franz Hrdlička – hochdekorierter und erfolgreicher Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg – starb 1945 im Luftkampf. Aus dieser männlichen Linie stammt der, in München lebende, Jazzmusiker Franz „Litschie“ Hrdlička.
Hrdlicka war ein talentierter Schachspieler. Das Spiel erlernte er während der illegalen Zusammenkünfte seines Vaters mit seinen Mitkämpfern in Kaffeehäusern und Beisln, wo er als Alibi bei Kontrollen diente. Im Jahre 1953 wurde er für die zweite internationale Studentenmannschaftsmeisterschaft in Brüssel nominiert, an der acht europäische Mannschaften mit je vier Spielern teilnahmen. Die österreichische Mannschaft, in der Hrdlicka (zwei Punkte aus sieben Partien) und ein weiterer Österreicher abwechselnd jeweils am ersten und zweiten Brett spielten, wurde durch einen belgischen und einen französischen Spieler ergänzt und erreichte Rang 7. Dem Team gelang ein Achtungserfolg mit einem 2 : 2 gegen die favorisierten Briten, wobei Hrdlicka gegen den englischen Meisterspieler Peter H. Clarke gewinnen konnte.[2]
Von 1946 bis 1952 studierte Hrdlicka Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Albert Paris Gütersloh und Josef Dobrowsky. Darauf folgte von 1953 bis 1957, ebenfalls an der Akademie, ein Studium der Bildhauerei bei Fritz Wotruba. Ab 1955 betrieb er gemeinsam mit Georg Eisler, Fritz Martinz und Rudolf Schönwald eine Lithowerkstatt in Wien. 1960 hatte er zusammen mit Fritz Martinz seine erste Ausstellung Skulptur, Malerei und Grafik in der Wiener Zedlitzhalle.
International bekannt wurde er 1964, als er gemeinsam mit Herbert Boeckl Österreich auf der 32. Biennale in Venedig vertrat. 1966 erlebte Hrdlicka erstmals die Welt psychisch kranker Menschen. Er wurde von diesen Begegnungen dermaßen nachhaltig beeindruckt, dass er sich fortan immer wieder mit dem Leid dieser Menschen, später mit Leid, Angst, Schmerz und der Bedrohung des Menschen schlechthin, künstlerisch auseinandersetzte. Im Jahr darauf fertigte er für die Stadt Wien eine Büste des 1950 verstorbenen sozialdemokratischen Staatspräsidenten Karl Renner an. Begleitet wurde deren Aufstellung von wütenden Protesten einer Gruppe, die sich als „Liga gegen entartete Kunst“ bezeichnete.[3]
In den anderthalb Jahrzehnten seines Stuttgarter Lehramts – er war auch für die Dauer seiner Hamburger Lehrtätigkeit, an der Stuttgarter Akademie „beurlaubt“, Mitglied des dortigen Lehrkörpers – entwickelte er unter schwierigen räumlichen und ausstattungsmäßigen Verhältnissen und gegen den Widerstand eifersüchtelnder Kollegen seine Klasse für Figuratives Gestalten zu einem Anziehungspunkt für zahlreiche Studierende. Seine pädagogische Maxime: „Diese Schule ist keine Schule des Händchenhaltens, sondern eine Schule des Herausforderns.“[5] Keineswegs im akademischen „Elfenbeinturm“ verharrend, partizipierte er und ließ seine Studierenden am Kunstleben des Landes teilnehmen, so dass die Stuttgarter Jahre Alfred Hrdlickas einen ganz eigenen Beitrag zur jüngeren Kunstgeschichte Baden-Württembergs darstellen.
Erstmals traten zwölf „Studierende Hrdlicka(s)“ mit einer Ausstellung an der Stuttgarter Akademie vom 7. bis 31. Mai 1976 in Erscheinung.[6] Die Teilnehmer – künftige Bildhauer, Maler, Grafiker, Kunsterzieher – waren Manfred Bercher, Herbert A. Böhm,[7] Heinz Dress, Gabriele Gebele, Elisabeth Habenicht, Joachim von Heimburg, Fritz Gerd Hoffmann, Susanne Knorr, Bert Mahringer, Cornelia Rühlicke, Hans Daniel Sailer und Felix Sommer.[8] Nach fünf Jahren pädagogischen Wirkens war diese erste Bilanz für Alfred Hrdlicka ein voller Erfolg, hatte er doch die Klasse für Figuratives Gestalten, nunmehr – so Rektor Wolfgang Kermer in seiner Eröffnungsansprache – ein „Kristallisationspunkt“ an der Akademie, geradezu aus dem Nichts aufgebaut.
Seitens der Studierenden der von Alfred Hrdlicka geleiteten Akademieklasse beteiligten sich Manfred Bercher, Herbert A. Böhm, Susanne Knorr und Hans Daniel Sailer an dem von der Hochschule anlässlich der Bundesgartenschau 1977 in Stuttgart unter Mitwirkung von jeweils vier Studierenden der Klassen Herbert Baumann und Rudolf Hoflehner veranstalteten Bildhauersymposion im Rosensteinpark. Neben der „Offenen Werkstatt“ mit der Möglichkeit, mit den dort arbeitenden Künstlern ins Gespräch zu kommen, lief eine Ausstellung unter dem Titel „Skulpturen auf der Karlswiese“ mit fertigen Arbeitsproben.[9]
Neolithikum hieß die von Alfred Hrdlicka als Beitrag zum IX. Kongress der IAA/AIAP (International Association of Art/Association Internationale des Arts Plastiques) Kunst und Öffentlichkeit vom 28. September bis 28. Oktober 1979 in Stuttgart organisierte Ausstellung seiner Akademiestudenten: „,Neolithikum‘ ist nicht die Neuinszenierung überholter Ismen, keine Kunstvereinsoperette“, ließ er damals verlauten. „Ähnlich dem Interessen- und Ideologiekonglomerat der ‚Grünen‘ in der Politlandschaft, sind die ganz und gar nicht auf Vordermann gebrachten ‚Neusteinzeitler‘ auf Neuorientierung aus, sie haben es satt, als Postavantgardestatisten schreibtischgestrickten Evolutionstheorien hinterherzulaufen. Für die Künstler von morgen ist die Entbürokratisierung und Entmonopolisierung des Kunstbetriebs eine Existenzfrage.“[5] An der Ausstellung, die auf dem Freigelände der Akademie am Weißenhof und in den Hrdlicka-Klassenräumen stattfand und zu der eine von Akademierektor Wolfgang Kermer herausgegebene und von Peter Steiner konzipierte, Neolithikum betitelte „Zeitung der Bildhauerklasse Alfred Hrdlicka“ mit zwei kunstpolitischen Texten von Alfred Hrdlicka erschien, waren Reinhard Bombsch, Arno Hildebrandt, Dieter E. Klumpp, Susanne Knorr, Erhard Mika, Michael Plaetschke, Franz Raßl, Diane Roemer, Hans Daniel Sailer, Wolfgang Scherible, Bernd Stöcker, Andreas Theurer, Charlotte Traum sowie Konrad Winzer beteiligt.[10] Im Austausch mit Bildhauerstudenten aus dem Fachbereich 1 der HdK Berlin stellten aus Hrdlickas Klasse Reinhard Bombsch, Wolfgang Billep, Arno Hildebrandt, Peter Hornung, Dieter E. Klumpp, Michael Plaetschke, Gert Rappenecker, Franz Raßl, Andreas Theurer, Charlotte Traum, Konrad Winzer 1981 zur gleichen Zeit in Berlin aus.[11] Sowohl in Berlin als auch in Stuttgart sprach Robert Kudielka zur Eröffnung.
Die beiden letzten repräsentativen, von Alfred Hrdlicka vor seinem Weggang von Stuttgart 1986[12] initiierten gemeinsamen Auftritte von „Studenten der Klasse Alfred Hrdlicka“ fanden vom 9. September bis 7. Oktober 1984 im Park der Villa Berg und im Funkstudio des Süddeutschen Rundfunks (SDR) in Stuttgart[13] sowie vom 13. Oktober bis 18. November 1984 beim Mannheimer Kunstverein[14] statt. Teilnehmer waren in beiden Fällen: Reinhard Bombsch, Herbert Göser, Ursula Kärcher, Alfons Koller, Angela Laich, Chu Hwan Lim, Birgit Müller, Markus Rapp, Joachim Sauter, Johann Schickinger, Michael Schützenberger, Eva-Maria Schwarz, Helmut Stowasser, Kurt Tassotti, Mehmet Yagur und Gerhard Zirkelbach.
Von den Studenten der Stuttgarter Jahre sind weiterhin zu nennen: Dietrich Klinge und Markus Matthias Rapp.
In den 1960er bis 1980er Jahren entstanden in der Bundesrepublik wie auch in Österreich, hier meist in Wien, einige von Hrdlickas bedeutendsten Werken. Von 1965 bis 1967 fertigte Hrdlicka einen Radierzyklus an, den er Roll over Mondrian nannte. Er übernahm aus Piet Mondrians Kunst das durch Kästchenformen gebildete Ordnungsmuster und füllte die Kästchen mit Zeichnungen, welche den Menschen in seiner ungeschminkten Realität darstellen. So sagte er auch 1974 „Die Felder die Sie hier sehen, habe ich [wie bei Mondrian] belassen und mit Wirklichkeit vollgezeichnet. In diesen Blättern kommt also vor, alles, was ich glaube was auf unsere heutige Zeit Bezug hat.“[15] In diesem Zitat wird deutlich, wie sehr sich Hrdlicka von Mondrian abgrenzen möchte, indem er dem Abstrakten zugunsten der Realität ausweicht.
Des Weiteren stellte er von 1968 bis 1972 den Bilderzyklus Plötzenseer Totentanz im evangelischen Gemeindezentrum nahe der Gedenkstätte Plötzensee fertig, wo der Opfer des Nationalsozialismus im ehemaligen Strafgefängnis in Berlin-Plötzensee gedacht wird.
In Wuppertal wurde 1981 eine Skulptur im Gedenken an Friedrich Engels aufgestellt. Hrdlicka selbst benannte sie Die starke Linke. Die politischen Kontroversen, die dieses Werk, wie viele Werke Hrdlickas, auslöste, spiegeln sich in der offiziellen Namensgebung als Denkmal im Engelsgarten wider.[16] Von 1983 bis 1986 schuf er am Hamburger Dammtor das Gegendenkmal, dessen zwei Teile Hamburger Feuersturm und Untergang der KZ-Häftlinge im Kontrast zu dem in den 1930er-Jahren errichteten Kriegerdenkmal stehen.
Neben seiner Arbeit an Skulpturen fertigte Hrdlicka weiterhin vielbeachtete Zyklen von Zeichnungen und Radierungen an, unter anderem zu den politischen Ereignissen der Französischen Revolution, zum Deutschen Bauernkrieg oder zur Revolution 1848. 1973 legte die Edition Galerie Valentien in Stuttgart die Mappe mit acht Radierungen Hrdlickas zu Elias Canettis „Masse und Macht“ mit einem Essay von Canetti „Das Chaos des Fleisches“ vor.[17] Hrdlicka setzte sich in seinen Zyklen aber auch intensiv mit persönlichen Biographien auseinander, darunter mit der des Serienmörders Fritz Haarmann („Vampir von Hannover“), mit der Johann Joachim Winckelmanns, Franz Schuberts, Richard Wagners, Adalbert Stifters, Rudolf Nurejews, Leo Tolstois, Auguste Rodins und Pier Paolo Pasolinis.
1988 wurde auf dem Albertinaplatz in Wien das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus errichtet. Hrdlicka selbst bezeichnete es als sein wichtigstes Werk.[18] Wie schon bei früheren Arbeiten von ihm wurde auch die Aufstellung des Mahnmals von heftigen Anfeindungen begleitet. Kritisiert wurde es von verschiedenen Seiten. So stießen sich einige an der Positionierung eines Denkmals, das vor allem auch an die Zeit der Herrschaft des NS-Regimes in Österreich erinnert, an einem so prominenten und zentralen Ort direkt neben der Wiener Staatsoper. Von anderen wurde die Widmung an „alle Opfer des Krieges“ kritisiert, auch weil auf einer der Skulpturen ein gefallener Wehrmachtssoldat mit Kübelhelm auf dem Boden liegend dargestellt wird. Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde, auch Simon Wiesenthal, setzten sich daraufhin für ein weiteres Mahnmal ein, das als Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah (Rachel Whiteread, 2000) auf dem Judenplatz errichtet wurde.
Nach Annahme einer Professur an der Universität für angewandte Kunst Wien lebte und arbeitete Alfred Hrdlicka ab 1989 wieder vor allem in Wien, wobei seine Ausstellungs- und Bühnenbildprojekte, etwa zu Intolleranza 1960 (Stuttgart 1992) oder zum Ring des Nibelungen (Meiningen 2001) weiterhin vor allem in Deutschland stattfanden. Seine erste Frau, Barbara Hrdlicka, geborene Wacker, verstarb 1994. 1999 nahm sich seine Geliebte Flora das Leben und versuchte dabei, auch Hrdlicka zu vergiften. Die Geschehnisse verarbeitete Hrdlicka in einem umfangreichen Zeichnungszyklus Der Fall Flora.[19] 1999 heiratete Hrdlicka seine jahrelange Muse, die Künstlerin Angelina Siegmeth.
Wegen verschiedener Berufskrankheiten sowie eines Schlaganfalls konnte Hrdlicka in den letzten Jahren nur noch zeichnen. Bandscheibenprobleme hinderten ihn an der weiteren Ausübung der Steinbildhauerei, und er widmete sich verstärkt der Arbeit an Bühnenbildern. Alfred Hrdlicka starb im Alter von 81 Jahren am 5. Dezember 2009 in Wien. Er wurde am 19. Dezember 2009 auf dem Wiener Zentralfriedhof im Grab seiner ersten Frau Barbara beigesetzt, welches als ehrenhalber gewidmetes Grab deklariert wurde. (Grabstelle: Gruppe 31B, Reihe 13, Nr. 20).[20]
Weltanschaulich blieb Hrdlicka zeitlebens dem Kommunismus verbunden und trat vehement, gelegentlich auch provokant, gegen Faschismus und Antisemitismus auf. So verteidigte er 1994 beispielsweise den Schriftsteller Stefan Heym (der aufgrund seiner jüdischen Herkunft vom NS-Regime verfolgt worden war) gegen eine Anfeindung durch den DDR-Dissidenten Wolf Biermann. Hrdlicka bezeichnete Biermann (der einen jüdischen Vater hatte, selbst aber kein NS-Verfolgter gewesen war) in einem Offenen Brief als „angepaßten Trottel“ und wünschte ihm die von Heym erlittenen „Nürnberger Rassengesetze an den Hals“.[21]
Sich selbst bezeichnete Hrdlicka gerne als „Uraltstalinisten“, trotz seines antifaschistischen Engagements auch als „Großdeutscher“, was wiederholt zu kontroversen Diskussionen führte.[22] Als aktives Parteimitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) war er aber schon 1956 ausgetreten, als die sowjetische Armee den Ungarischen Volksaufstand gewaltsam niederschlug.[18] Hrdlicka blieb in späteren Jahren im kulturpolitischen Umfeld der KPÖ aktiv. Von 1994 bis zu seinem Tod war er Mitglied der Alfred Klahr Gesellschaft.[23] Zeitweise war er auch Vorstandsmitglied der Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zur Koreanischen Demokratischen Volksrepublik. In den Jahren des Erstarkens der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unter Jörg Haider trat Hrdlicka wiederum bei der Nationalratswahl in Österreich 1999 als parteiloser Spitzenkandidat der KPÖ in Kärnten an.
Hrdlickas Angaben zufolge war die Gründung der deutschen Partei Die Linke am 16. Juni 2007 auch seiner Vermittlung zu verdanken. Im Jahr 2000 brachte er die Politiker Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zu einem Abendessen in Saarbrücken zusammen.[24][25] Hrdlicka galt als Freund Lafontaines, der ihn an seinem 80. Geburtstag mit einer Rede würdigte.[26]
Eine der medial aufsehenerregendsten politischen Protestaktionen Hrdlickas war jene im Vorfeld der österreichischen Bundespräsidentenwahl im Jahr 1986, die von Kontroversen um die NS-Vergangenheit des Kandidaten Kurt Waldheim der Österreichischen Volkspartei (Waldheim-Affäre) gekennzeichnet war. Gemeinsam mit Peter Turrini und Manfred Deix schuf Hrdlicka daraufhin als Zeichen des Protests ein meterhohes hölzernes Pferd.[27] Er griff damit einen Ausspruch des damaligen Bundeskanzlers Fred Sinowatz (SPÖ) auf, der Waldheims Rechtfertigungsversuche mit der Bemerkung quittiert hatte: „Nehmen wir also zur Kenntnis, dass nicht Waldheim bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“
Obwohl überzeugter Atheist,[18] schuf Hrdlicka immer wieder Arbeiten mit religiösem Bezug und im Rahmen sakraler Bauwerke. 2009 entstand, als eines seiner letzten Werke, ein Bronzerelief zu Ehren der 1943 wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ hingerichteten und 1998 seliggesprochenen Ordensfrau Schwester Maria Restituta, das in der Barbarakapelle im Wiener Stephansdom zu sehen ist.
Noch in seinen letzten Lebensmonaten im Jahr 2009 intervenierte Hrdlicka per Leserbrief gegen die Streichung der Kulturamtsleiterstelle in der Stadt Wittlich (Rheinland-Pfalz), da er die Streichung des Arbeitsplatzes auf das Bemühen des damaligen Stelleninhabers, Justinus Maria Calleen, um „Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und lebendige Erinnerungsarbeit“ zurückführte. Hrdlicka sah sich aufgrund des Vorgehens der Stadtregierung Wittlich in seiner Sicht bestätigt, wonach „50 Prozent der Deutschen und Österreicher noch immer Faschisten und Antisemiten“ seien. Die zuständigen Politiker bezeichnete er als „Blockwarte der Kunst.“ Der scheidende Bürgermeister der Stadt, Ralf Bußmer, zeigte Hrdlicka daraufhin wegen „Volksverhetzung, Verleumdung und Beleidigung“ an. Zum Zeitpunkt des Ermittlungsbeginns der Trierer Staatsanwaltschaft war Hrdlicka aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vernehmungsfähig.[28][29][30]
Ehrungen und Orden nahm Hrdlicka prinzipiell keine an.[24] 1976 hatte er jedoch in Stuttgart die Max-Lütze-Medaille[31] und 1993 den Max-Pechstein-Preis der Stadt Zwickau erhalten.[32]
Hrdlicka reflektierte und arbeitete in seinen Werken politisch sehr bewusst. Zeitlebens rüttelte er mit seinen Ausdrucksmitteln an den Machtverhältnissen dieser Welt. Die Unterdrückung kleiner Leute, das künstlerische Nachzeichnen ihrer bedrückenden Lebensverhältnisse, Macht und Ohnmacht in der Geschichte und in der Jetztzeit waren Themen seiner künstlerischen Arbeiten, in denen er nicht der in der Kunstwelt des 20. Jahrhunderts allgemein verbreiteten Tendenz zur abstrakten Kunst folgte, sondern beständig seinen eigenen figurativ-expressiven Stil weiterentwickelte, der in seiner künstlerischen Grundhaltung zeitlebens einem Realismus verpflichtet blieb.
Hrdlicka dehnte seine Themenbereiche weiter aus. Krieg, Gewalt und Faschismus sind die dunklen Seiten menschlichen Handelns, gegen die er bewusst mit seinen Mitteln der Kunst politisch agitieren wollte. Der Künstler wurde zum überzeugten Marxisten, der er auch bei allen Widerständen, die ihm entgegengebracht wurden, blieb. Er versteht sich und seine Kunst als Vertretung für die Unterdrückten sowie politisch und gesellschaftlich Verfolgten. Aus diesem Gedanken heraus, darf es – seiner Ansicht nach – keine Kunst ohne Aussage und Stellungsbezug geben.[33] Statt wie Karl Marx es forderte, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“,[34] macht es sich Hrdlicka zur Aufgabe, eben all diese Verhältnisse durch seine Kunst aufzuzeigen und somit anzuprangern.
Nach Oskar Lafontaine lebte er „einen schonungslosen Humanismus, der auch Mord und Terror und sexuelle Brutalität mit expressiven Stilmitteln und bisweilen schockierender Deutlichkeit vor Augen führt“.[35] In seiner künstlerischen Stilistik hielt Hrdlicka an der Figürlichkeit fest. Er arbeitete in seinen Skulpturen, Gemälden und Grafiken figurativ-expressiv und verzichtete bewusst auf jegliche Art ungegenständlicher Bildsprache.
Die Devise seines Schaffens fasste er in dem Satz „Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus“ zusammen.[18][36] In seiner Selbstinterpretation „Fleisch = Kunst“ von 1973 schematisierte er diese Idee.[37] Er zeichnete ein Dreieck, wobei an oberster Stelle „Fleisch = Kunst“ steht. Dieses Fleisch teilte er in zwei Kategorien ein: Natur, verkörpert im „geilen Fleisch“ und Ideologie, verkörpert im „geschundenen Fleisch“. Hrdlickas Kunst besteht also aus diesen Komponenten: Geiles Fleisch, bzw. Geschundenes Fleisch, oder einer Verbindung aus beidem. Somit ist nach Hrdlickas Auffassung das Bilden oder Darstellen von Fleisch, also von dem Menschen und seiner Leiblichkeit, ob in erregtem oder verletztem Zustand, eine essenzielle Notwendigkeit in der Kunst.
Ein Großteil seiner Werke wurde in enger und freundschaftlicher Zusammenarbeit mit seinem Bronzegießer Alfred Zöttl umgesetzt.
Interviews:
Lokasi Pengunjung: 18.117.159.167