Wilma Lipp, geboren im Bezirk Döbling, wuchs als Tochter eines Architekten im Wiener Bezirk Hietzing auf. Ab dem 11. Lebensjahr erhielt Lipp Gesangsunterricht, erst bei Friedl Sindl und Paola Novikova, später dann u. a. bei Toti dal Monte in Mailand sowie bei Anna Bahr-Mildenburg an der Akademie für Musik in Wien. 1943, im Alter von 17 Jahren, debütierte sie in Wien als Rosina in Der Barbier von Sevilla in einer Freilichtaufführung auf dem Heldenplatz. Im selben Jahr war sie auch als Sängerin im Wiener Konzerthaus zu hören, etwa mit der Gilda-Arie Caro nome aus der Oper Rigoletto.
Karriere an der Wiener Staatsoper
1945 wurde sie von der Wiener Staatsoper als Elevin und später als Ensemblemitglied engagiert. Ihre erste Rolle war als Einspringerin die Kate Pinkerton in Puccinis Madama Butterfly. Zu Beginn war Lipp in Rollen wie Esmeralda (Die verkaufte Braut), Sandmännchen und Taumännchen (Hänsel und Gretel), Barbarina (Die Hochzeit des Figaro), Contessa Ceprano (Rigoletto), Italienische Sängerin (Capriccio) und anderen kleinen Partien zu hören. Einen ersten Ausflug ins „große“ Fach stellte die Adele in der Operette Die Fledermaus dar, eine Partie, die Wilma Lipp nahezu zwanzig Jahre mit großem Erfolg sang.
Als Königin der Nacht in Mozarts Oper Die Zauberflöte – eine ihrer legendären Rollen – war sie am 13. Januar 1948 erstmals (ebenfalls als Einspringerin) zu erleben; danach gestaltete sie diese Opernfigur bis 1956 noch weitere 131 Mal für die Staatsoper. Sie avancierte in dieser Aufgabe von der Zweitbesetzung der Papagena zur Premierenbesetzung der Königin, weil Maria Stader absagte und der Dirigent der Aufführung, Josef Krips, ihr diese Chance gab. Damit gelang Lipp der Durchbruch, erst in Wien und Salzburg, im Anschluss weltweit in dieser Partie. Mit Josef Krips arbeitete Lipp in den folgenden Jahren auch außerhalb der Oper in anderen Musikgenres zusammen. Krips dirigierte bei zahlreichen Konzerten von Wilma Lipp und war fallweise auch ihr Pianist bei Liederabenden, wie z. B. im Wiener Musikverein im Jahr 1964.
1953 wurde sie mit 28 Jahren zur jüngsten Kammersängerin in der Geschichte der Wiener Staatsoper ernannt, was damals für erhebliches Aufsehen sorgte.
Ab der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955, bei der sie noch Konstanze, Königin der Nacht sowie Oscar und Musetta sang, nahm sie ab etwa 1958 kontinuierlich zahlreiche lyrische Sopranpartien in ihr Repertoire auf. Dies brachte große Facherweiterungen wie Marguerite (Faust), Antonia (Les Contes d’Hoffmann), Nedda (Pagliacci) und Eva (Die Meistersinger von Nürnberg). Im Mozart-Fach übernahm sie nunmehr auch dramatischere Partien wie Pamina (Die Zauberflöte), Contessa Almaviva (Le nozze di Figaro) und Donna Elvira (Don Giovanni) (u. a. 1961 bei den Salzburger Festspielen).
Bei der Wiedereröffnung des Theaters an der Wien im Jahr 1962 war Wilma Lipp erstmals nicht mehr die Königin der Nacht, sondern die Pamina in Mozarts Oper Die Zauberflöte an der Seite von Nicolai Gedda als Tamino unter der musikalischen Leitung von Herbert von Karajan.
An der Wiener Staatsoper stand Wilma Lipp in rund 1200 Aufführungen auf der Bühne. Außerdem war Wilma Lipp auch im Konzertsaal sowie im Bereich der geistlichen Musik sehr präsent, so sang sie regelmäßig im Musikverein in Wien und absolvierte Konzerttourneen u. a. durch Süd- und Nordamerika.
1950 sang sie die Rolle der Konstanze in der ersten Gesamtaufnahme dieser Oper im Plattenstudio unter der Leitung von Josef Krips mit Kollegen aus dem Wiener Mozartensemble. Diese Partie übernahm Lipp von Erna Berger bei den Salzburger Festspielen, als diese erkrankte. Kurz darauf war Lipp in sämtlichen Partien des Faches an vielen Opernhäusern zu hören, die damals als Koloraturfach galten und auch Violetta in Verdis La traviata oder die Titelrolle in Massenets Manon beinhalteten.
Anfang der 1970er Jahre begann Wilma Lipp, sich langsam von der Bühne zurückzuziehen. In den letzten Jahren ihres Wirkens als Sängerin trat Lipp neben ihrem Stammhaus, der Wiener Staatsoper, auch an der Volksoper Wien (unter anderem als Laura, Micaela und als Gräfin Zedlau) auch wieder bei den Bregenzer Festspielen (unter anderem als Rosalinde, Laura und in Konzerten), am Opernhaus Zürich und den Salzburger Festspielen auf. Mit der Rolle der Marianne Leitmetzerin in Der Rosenkavalier gab sie ihren Bühnenabschied nach nahezu vierzig Jahren Bühnentätigkeit Anfang der 1980er Jahre in Wien (5. Juni 1981) und bei den Salzburger Festspielen. 1982 wurde sie zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt. In den Jahren 1983/1984 übernahm sie bei den Salzburger Festspielen nochmals die Rolle der Marianne Leitmetzerin, ebenfalls auch noch 1986 am Teatro Regio in Turin.
Tätigkeit als Gesangspädagogin
Lipp unterrichtete als Gesangspädagogin 18 Jahre lang am Mozarteum in Salzburg. Zu ihren Schülerinnen gehörten unter anderem Kathleen Cassello, Birgid Steinberger, Ingrid Habermann, Eva Lind und Iride Martinez. Diese Sängerinnen waren vor allem in den „Lipp-Rollen“ erfolgreich. 1998 emeritierte sie und war danach im Ruhestand. Verheiratet war sie unter anderem mit dem Musikmanager und Direktor der Wiener Staatsoper Rudolf Gamsjäger.
Karussell 1967 – TV-Show mehrere Folgen, Wilma Lipp singt Operettenmelodien
The Salzburg festival – Film von Tony Palmer, Wilma Lipp wird bezüglich Regietheater interviewt und hält mit ihrem Missfallen über Doris Dörries „Rigoletto“ an der Bayerischen Staatsoper nicht hinterm Berg
Zeitzeugen – Wege zur Zweiten Republik – Dokumentation, hrsg. von der Universität Salzburg u. dem Landesstudio Salzburg des ORF. Kremayr & Scheriau, Wien 1987
Rudolf Flotzinger (Hrsg.): Oesterreichisches Musiklexikon. 5 Bände. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7, Band 3, S. 1294
Ilse Korotin (Hrsg.): biografıA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1: A–H. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2016, ISBN 978-3-205-79590-2, S. 1998.