Nach dem Besuch eines Internats im englischen Gloucester von 1977 bis 1981 kehrte er zurück in seine Geburtsstadt, brach kurz vor dem Abitur die Schule ab und reiste ins Ausland.[1][2] Von dort schon bald zurückkehrend, besuchte er ab 1983 in Stuttgart die Schauspielschule, holte 1985 sein Abitur nach und nahm zwei kaufmännische Lehren auf, die er beide abbrach; an ihrer statt wandte sich Hartmann der Theaterarbeit zu.[1][3] Seine Karriere als Theaterregisseur begann Hartmann als Regieassistent am SchillertheaterBerlin und am Theater Kiel, danach arbeitete er als freier Regisseur an den Häusern in Kiel, Mainz und Wiesbaden. Seine erste eigenverantwortliche Inszenierung erarbeitete Hartmann 1989 mit Tagträume am Theater Kiel.
Vom Sommer 2000 bis zum Sommer 2005 war Hartmann Intendant des Schauspielhauses Bochum. Er übernahm das Haus von Leander Haußmann. In Bochum brachte Hartmann unter anderem Uraufführungen von Botho Strauß und Peter Turrini auf. Für Medienwirbel sorgten auch die zwei Arbeiten mit dem EntertainerHarald Schmidt. So spielte Schmidt in Samuel BeckettsWarten auf Godot die Rolle des Lucky. Unter Hartmann brach das Schauspielhaus den bisherigen Rekord an verkauften Abonnements, der noch von Claus Peymann aufgestellt worden war.
Von der Spielzeit 2005/06 bis 2009 war Hartmann Intendant des Schauspielhauses Zürich.[4] Er übernahm das Haus von Andreas Spillmann, der als Interimsintendant die künstlerische und kaufmännische Direktion in der Spielzeit 2004/05 innehatte, anstelle des auf eigenen Wunsch vorzeitig ausgeschiedenen Christoph Marthaler.
In einem ersten Interview für das österreichische Nachrichtenmagazin News wandte er sich gegen das didaktische Theater der Achtundsechziger-Generation und gab die Grundzüge seines Konzepts bekannt: „Das Burgtheater ist ein Ort mit Erotik und Strahlkraft, an dem sich die besten Schauspieler und die besten Regisseure versammeln, ein Ort für alle Menschen, die Lust am Theater haben. Dort muss alles stattfinden. Es ist vollkommen falsch, ihm mit Gewalt ein Konzept verpassen zu wollen. Es muss sich sternförmig auf alle Möglichkeiten des theatralischen Erzählens ausbreiten. Es braucht die großen Klassiker, und es muss ein Uraufführungstheater sein, mit Stückaufträgen an die großen österreichischen Dramatiker und mit der Entdeckung neuer. Es darf vor Konventionalität so wenig Angst haben wie vor dem Experiment.“
Im September 2008 gab Hartmann bekannt, seine Direktion am Burgtheater am 4. September 2009 mit einer von ihm selbst inszenierten Produktion von Goethes Faust (und zwar Faust I und Faust II) eröffnen zu wollen. Bei der Premiere waren Tobias Moretti als Faust, Gert Voss als Mephisto und Katharina Lorenz als Gretchen zu sehen. Das Ensemble des Burgtheaters blieb weitgehend unverändert. Neu sind Martin Wuttke und Dörte Lyssewski; der gefeierte lettische Regisseur Alvis Hermanis debütierte an der Burg.
Sechs Premieren innerhalb einer Woche setzte Hartmann zum Auftakt im September 2009 an. Den beiden Teilen von Faust folgten die Uraufführung Der goldene Drache in der Regie des Autors Roland Schimmelpfennig, Adam Geist von Dea Loher, die Avantgardegruppe Nature Theater of Oklahoma mit Life and Times und der deutschen Fassung des schrägen Musicals Shockheaded Peter. Danach zeigte Hartmann fünf eigene Arbeiten, die er aus seinen Wirkungsstätten Zürich und Bochum mitbrachte: Amphitryon, Warten auf Godot, Immanuel Kant von Thomas Bernhard, 1979 von Christian Kracht und Jon FossesTodesvariationen.
In der Spielzeit 2013/14 ermöglichte und gestaltete er – gemeinsam mit Doron Rabinovici – die ZeitzeugenproduktionDie letzten Zeugen am Burgtheater; die Produktion bezog sich auf die Novemberpogrome 1938, die sich 2013 zum 75. Male jährten, erlangte hohe Wertschätzung seitens Publikum und Presse und wurde zum Berliner Theatertreffen 2014, nach Dresden, Hamburg und Frankfurt eingeladen:
„Das ist in Wien sehr behutsam in Szene gesetzt, verzichtet auf theaterwirksame Garnierung, ist im besten Sinne erzählend – und hat deshalb nichts von pflichtschuldiger Erinnerungsverrenkung mit Betroffenheitsautomatik. „Die letzten Zeugen“ ist ein eindringliches, aber auch fragiles (Theater-)Dokument.“
Im Rahmen des Finanzskandals am Burgtheater[6] wurde Hartmann scharf kritisiert und beanstandet, dass er sämtliche Jahresabschlüsse unterschrieben, aber nicht die Kontroll- und Aufsichtspflichten aus seiner Funktion als Geschäftsführer entsprechend wahrgenommen habe. Für die Frage der Pflichtwidrigkeit sei es dabei einerlei, ob Hartmann um die Missstände wusste und trotzdem nichts unternahm, oder ob er sich um das Rechnungswesen gar nicht kümmerte. Am 14. Januar 2014 hatte Hartmann öffentlich klargestellt:
„Ich habe die Stellschrauben, die ich in der Hand habe, sehr wohl bedient. Ich habe die Einnahmen, die ich als künstlerischer Direktor in der Hand habe, erhöht – sie sind auch heuer wieder um 200.000 Euro über den sehr ambitionierten Plan gestiegen –, ich habe beim künstlerischen Personal versucht zu sparen und bin bei den Produktionskosten ungefähr gleich geblieben. Ich habe die "Junge Burg" erfunden, die halte ich für lebenswichtig, um in die Zukunft unserer Zuschauer zu investieren. Ich habe aber eine Verbindlichkeit von 15,3 Millionen geerbt, als ich hier anfing, und die hat sich sicherlich vergrößert, weil das Theater ein strukturelles Defizit hat. Wenn ich jedes Jahr eine Million mehr Lohnkosten zahlen muss, die mir aber nicht gegeben werden, dann fehlen sie mir. Und im nächsten Jahr zwei. Das kann jedes Milchmädchen verstehen. Ich kann nicht dazu verpflichtet werden, Direktor eines Hauses zu sein, das Schulden macht, um zu existieren. Ich habe, glaube ich, mit Minister Josef Ostermayer jetzt einen Partner, der diese Zusammenhänge durchschaut und Lösungen dafür sucht. Diese Lösungen muss die Kulturpolitik verantworten. Wenn man die Summe, die Klaus Bachler bekommen hat, indexiert, wären wir jetzt bei 58,8 Mio. Euro – ich habe aber jetzt 46,3.“
Am 10. März 2014 gab Hartmann bekannt, seine Funktion als Geschäftsführer vorerst ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe endgültig geklärt seien.[8] Am 11. März 2014 wurde er von Kulturminister Josef Ostermayer seines Amtes enthoben, da zwei vorliegende Rechtsgutachten von einer Mitverantwortung Hartmanns für die finanziellen Unregelmäßigkeiten ausgingen.[9][10] Gegen seine Entlassung wollte Hartmann gerichtlich vorgehen.[11] Am 6. November 2018 wurde bekannt, dass die Ermittlungen gegen Hartmann eingestellt wurden.[12] Am 9. November 2018 gaben das Burgtheater und Hartmann bekannt, dass der Rechtsstreit mit einem Vergleich beendet wurde.[13]
Vorwürfe von ehemaligen Angestellten des Burgtheaters
2018 wurden Hartmann in Form eines offenen Briefs von 60 ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – darunter Mitgliedern aus dem Ensemble sowie Angestellten der technischen Abteilungen und des kaufmännischen Personals – vorgeworfen, während seiner Intendanz eine „Atmosphäre der Angst und Verunsicherung“ geschaffen zu haben.[14][15] Auch legte man ihm darin als sexistisch, homophob und rassistisch empfundene Äußerungen und Handlungen zur Last. Hartmann reagierte mit einem Antwortbrief, in dem er alle Vorwürfe dementierte.[16]
ServusTV
Im November 2014 wurde bekannt, dass Hartmann zu jener Zeit künstlerischer Leiter des im Besitz der Red Bull Media House GmbH befindlichen Fernsehsenders ServusTV war, nachdem er zuvor bereits in beratender Funktion im Bereich Kultur für den Sender tätig gewesen war und ein Theaterformat entwickelt hatte.[17][18] Am 12. November wurde bekanntgegeben, dass Hartmann als Creative Director im Red Bull Media House arbeitet.[19][20]
Das Netz – The Net
Für das Red Bull Media House entwickelte Matthias Hartmann gemeinsam mit Plinio Bachmann das Gesamtkonzept für die Fernsehserie Das Netz (internationaler Titel: The Net).[21] Das Netz ist der Obertitel mehrerer Thriller-Fernsehserien, die seit 2022 erscheinen und kriminelle Machenschaften im Fußball thematisieren. Sie werden auch Zyklen oder Ableger genannt und sind zwar eigenständige Serien, überschneiden sich aber teilweise miteinander. Auf Deutsch erschienen bislang die Serien „Spiel am Abgrund“ und „Prometheus“. Die Gesamtproduktion ist eine Initiative von Red Bull Media House, Beta Film und ARD Degeto, in Kooperation mit der österreichischen MR Film und der deutschen Sommerhaus Serien GmbH.[22] Hartmann fungiert auch als Geschäftsführer der Das Netz GmbH.[23]
2003: 1979 von Christian Kracht, Schauspielhaus Bochum (Zeche 1); Electronic City von Falk Richter, Schauspielhaus Bochum (Kammerspiele); Die Optimisten von Moritz Rinke, Schauspielhaus Bochum
2007: pool (no water) von Mark Ravenhill, Schauspielhaus Zürich (Schiffbau); Ödipus von Sophokles, Schauspielhaus Zürich (Schiffbau); Tartuffe von Molière, Schauspielhaus Zürich
2008: Sex von Justine del Corte, Schauspielhaus Zürich (Schiffbau Halle 2)
2012: Das trojanische Pferd von Matthias Hartmann und Amely Joana Haag, Burgtheater Wien (Kasino); Onkel Wanja von Anton Tschechow, Burgtheater Wien (Akademietheater)
2024: Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt: Ein kleiner Versuch, das Theater zu retten, ecoWing, Elsbethen 2024, ISBN 978-3-7110-0355-3
Literatur
C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 1995, 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 270 f.
↑Jürg Altwegg, Genf: „Boris Godunow“ in Genf: Packend, ganz ohne politische Lektionen. In: FAZ.NET. ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 5. Dezember 2022]).