Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (kurz deutsches Grundgesetz; allgemein abgekürzt GG, seltener auch GrundG) ist die Verfassung[2]Deutschlands.
Der von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn tagende Parlamentarische Rat arbeitete das Grundgesetz im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte aus und genehmigte es. Es wurde von allen deutschen Landtagen in den drei Westzonen mit Ausnahme des bayerischen angenommen. Eine Volksabstimmung gab es mithin nicht. Dies und der Verzicht auf die Bezeichnung als „Verfassung“ sollte den provisorischen Charakter des Grundgesetzes und der mit ihm gegründeten Bundesrepublik Deutschland betonen. Der Parlamentarische Rat war der Auffassung, dass das Deutsche Reich fortbestehe und eine neue Verfassung für den Gesamtstaat daher nur von allen Deutschen oder ihren gewählten Vertretern beschlossen werden könne. Weil die Deutschen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und im Saarland aber gehindert waren, mitzuwirken, sollte für eine Übergangszeit ein „Grundgesetz“ als „vorläufige Teilverfassung Westdeutschlands“ geschaffen werden: Die ursprüngliche Präambel hob den Willen des deutschen Volkes zur nationalen und staatlichen Einheit hervor.[3] Das Saarland wurde am 1. Januar 1957 Bestandteil der Bundesrepublik und kam damit in den Geltungsbereich des Grundgesetzes. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurde es die Verfassung des gesamten Deutschen Volkes (→ Präambel).[4]
Besondere Bedeutung haben aufgrund der Erfahrungen aus dem nationalsozialistischenUnrechtsstaat die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. Sie binden alle Staatsgewalt als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3). Durch ihre konstitutive Festlegung sind die Grundrechte also nicht nur bloße Staatszielbestimmungen; vielmehr bedarf es in der Regel keiner rechtsprechenden Instanz zu ihrer Wahrnehmung und die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sind an sie gebunden. Daraus leitet sich der Grundsatz ab, dass die Grundrechte in erster Linie als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat zu verstehen sind, während sie weiterhin auch eine objektive Wertordnung verkörpern, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.[6] Die soziale und politische Struktur der staatlich verfassten Gesellschaft wird damit verfassungsrechtlich festgelegt.
Das Bundesverfassungsgericht bewahrt als unabhängiges Verfassungsorgan die Funktion der Grundrechte, das politische und staatsorganisatorische System und entwickelt sie weiter. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in seiner heutigen Form schreibt eine perpetuierte[7] und legitimierte[8] Staatsverfassung fest.[9] Sie kann nur durch Beschluss einer neuen Verfassung durch das Volk abgelöst werden (Art. 146).
Das deutsche Wort Grundgesetz kam zuerst im 17. Jahrhundert auf und gilt unter Sprachwissenschaftlern als Lehnübersetzung oder Eindeutschung des in der lateinischen Rechtssprache geprägten Begriffes lex fundamentalis; „Grundgesetz“ meint daher das „[staats-]grundlegende Gesetz“.[10][11]
Alle sonstigen Gesetze werden auch als einfachgesetzlich bezeichnet. Sie haben keinen Verfassungsrang.
Entstehungsgeschichte
Zwischen Kriegsende und der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz
Während die Landesvertreter relativ stark in dem verfassungsrechtlichen Diskurs mitwirken konnten, blieben die Führungen der Parteien weithin ohne Einfluss, zumal sie sich noch nicht deutschlandweit konstituieren konnten und damit als gesamtstaatsbezogene Interessenverbände ausschieden. Dennoch ergab sich bereits in den Jahren 1947 und 1948 eine deutliche Differenz zwischen der Union, die im April 1948 ihre „Grundsätze für eine Deutsche Bundesverfassung“ mit stark föderalistischer Prägung vorstellten, und der SPD, die schon 1947 mit ihren Nürnberger Richtlinien jeglichen Separatismus verurteilte und die „Reichseinheit“ unbedingt bewahren wollte.[12]
Die drei Besatzungsmächte verfolgten zunächst recht unterschiedliche Interessen: Während das zentral organisierte Vereinigte Königreich keine Präferenzen bezüglich der Frage „Zentralstaat oder Föderalismus?“ hatte, sondern vielmehr die möglichst problemlose Vereinigung der Trizone mit der sowjetisch besetzten Zone im Auge hatte, plädierten die Vereinigten Staaten für einen nur aus der Trizone bestehenden deutschen Föderalstaat. Für die Franzosen wiederum war die möglichst deutliche Schwächung eines jeden deutschen Staates Hauptziel: Dementsprechend traten sie für eine möglichst lange Besatzungszeit ohne Staatsgründung und für die Einbeziehung des Saarlandes in den französischen Staatsverband ein. Da sie sich mit der Position der Verhinderung einer Staatsgründung jedoch nicht durchsetzen konnten, befürworteten die Franzosen einen föderalen Staatsaufbau mit internationaler Kontrolle der Montanindustrie.
Schließlich enthielt das Schlusskommuniqué der Konferenz die Aufforderung an die Deutschen in den westlichen Ländern, einen föderalen Staat aufzubauen. Allerdings sollte dieser föderale westdeutsche Staat kein Hindernis für eine spätere Einigung mit der Sowjetunion über die deutsche Frage darstellen.
Die Bestätigung dieses Beschlusses durch Frankreich erfolgte erst nach massivem Druck der beiden anderen Alliierten und einer äußerst knappen Abstimmung (297:289) in der Nationalversammlung.
Nachdem die Londoner Beschlüsse in Deutschland eher negativ aufgenommen worden waren, sollten die den Ministerpräsidenten am 1. Juli 1948 überreichten Frankfurter Dokumente in einem für Deutschland freundlicheren Ton gehalten werden. Neben der Ankündigung eines Besatzungsstatutes enthielt das wichtigste der drei Dokumente, das Dokument Nr. I, die Ermächtigung an die Ministerpräsidenten, eine Versammlung einzuberufen, die eine demokratische Verfassung mit einer Grundrechtsgarantie und mit einem bundesstaatlichen Aufbau ausarbeiten sollte. Diese war anschließend von den Militärgouverneuren zu genehmigen. Die Militärgouverneure wollten dabei den Eindruck vermeiden, den Deutschen Verfassungsgrundsätze zu diktieren; sie unterließen es auch, den Ministerpräsidenten eine Frist zur Beantwortung der Dokumente zu setzen. Einzig der späteste Termin für den Zusammentritt der verfassunggebenden Versammlung wurde festgesetzt: der 1. September 1948.
Mit Dokument Nr. II wurden die Ministerpräsidenten aufgefordert, die Ländergrenzen zu überprüfen und je nach Ergebnis Vorschläge zu ihrer Änderung zu machen; Dokument Nr. III enthielt die Punkte, in denen die Militärgouverneure weiterhin bestimmen wollten. Sie sollten in ein Besatzungsstatut einfließen, das gleichzeitig mit dem Verfassungsgesetz in Geltung gesetzt werden sollte.[14]
Die Tage nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente waren von großer Betriebsamkeit in den Landesregierungen und Landtagen geprägt. Vom 8. Juli bis zum 10. Juli 1948 trafen sich die westdeutschen Regierungschefs auf dem Rittersturz in Koblenz in der französischen Besatzungszone. Die Einladung der ostdeutschen Ministerpräsidenten war gar nicht mehr in Betracht gezogen worden. Die Ministerpräsidenten waren sich einig, dass für sie die Gründung eines Weststaats nicht in Frage kam, der die Spaltung Deutschlands zementieren würde. Auch eine verfassunggebende Versammlung lehnten sie aus diesem Grund ab. Carlo Schmid (SPD), der stellvertretende Ministerpräsident Württemberg-Hohenzollerns, plädierte dafür, es bei einem bloßen Provisorium zu belassen, bis es möglich sein werde, „gemeinsam den Staat aller Deutschen zu errichten“. Um diesen Provisoriumscharakter zu betonen, wollten die Ministerpräsidenten auch nicht von einer Verfassung sprechen, sondern nur von einem Grundgesetz, ein Begriff, den der Hamburger Erste Bürgermeister Max Brauer bereits zuvor vorgeschlagen hatte.[15]
In ihren „Koblenzer Beschlüssen“ erklärten die Ministerpräsidenten die Annahme der Frankfurter Dokumente. Gleichzeitig wandten sie sich gegen das Besatzungsstatut, es wurde in seiner vorgeschlagenen Form abgelehnt. Die Militärgouverneure reagierten verärgert auf die Koblenzer Beschlüsse, da sie ihrer Meinung nach in anmaßender Weise die Londoner und Frankfurter Dokumente außer Kraft zu setzen versuchten. Dabei hatte der französische Militärgouverneur Pierre Kœnig deutsche Politiker unter der Hand zum Widerspruch ermuntert.[16] Insbesondere der US-amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay machte die Ministerpräsidenten dafür verantwortlich, dass nun die Franzosen wieder eine für die Deutschen nachteilige Revision der Londoner Beschlüsse fordern würden. In einer weiteren Sitzung am 20. Juli 1948 wurden den Ministerpräsidenten die negativen Folgen eines Beharrens auf den Koblenzer Beschlüssen deutlich gemacht. Obwohl eine Verfassung und kein vorläufiges Grundgesetz ausgearbeitet werden sollte, stimmten die Ministerpräsidenten schließlich den Forderungen der Militärgouverneure zu.
Auf einer Ministerpräsidentenkonferenz auf Schloss Niederwald hielten die Länderchefs trotz ihres Eingehens auf die Londoner Beschlüsse an den Koblenzer Beschlüssen als Empfehlung und an der Bezeichnung „Grundgesetz“ fest, um dessen provisorischen Charakter zu betonen. Weiter wurde nicht eine „verfassungsgebende Versammlung“, sondern ein Parlamentarischer Rat, gewählt durch die (west-)deutschen Landtage und eine Ratifizierung des Grundgesetzes durch die Landtage und nicht – wie von den Militärgouverneuren gewollt – durch Volksabstimmung beschlossen.[17] Grund dafür war, dass die deutsche Souveränität noch nicht ausreichend wiederhergestellt und ebenso wenig die Voraussetzungen für eine gesamtdeutsche Verfassung gegeben waren. Dies akzeptierten die Militärgouverneure.
Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee fand vom 10. bis zum 23. August 1948 statt. Er sollte mehr aus Verwaltungsbeamten denn aus Politikern bestehen. Parteipolitische Erwägungen sollten ganz außen vor bleiben. Die Landesparlamente der amerikanischen und der französischen Besatzungszone hielten sich jedoch nicht an diese Empfehlungen. Obwohl nicht klar war, ob die Mitglieder des Konventes einen kompletten Entwurf eines Grundgesetzes oder nur einen Überblick liefern sollten, kristallisierten sich in der Diskussion wichtige Punkte heraus, von denen einige schließlich im Grundgesetz verwirklicht wurden. Dazu zählen eine starke Bundesregierung, die Einführung eines neutralen und im Vergleich zur Weimarer Verfassung wesentlich entmachteten Staatsoberhauptes, der weitgehende Ausschluss von Volksabstimmungen und eine Vorform der späteren Ewigkeitsklausel. Die Ausgestaltung der Ländervertretung war bereits umstritten; sie sollte es über die gesamte Zeit der Beratungen des Parlamentarischen Rates bleiben.
Die richtungsweisenden Vorarbeiten des Konventes hatten erheblichen Einfluss auf den Grundgesetzentwurf des Parlamentarischen Rates. Gleichzeitig war der Herrenchiemseer Konvent die letzte große Einflussmöglichkeit der Ministerpräsidenten auf das Grundgesetz.
Auf der Grundlage der binnen zwei Wochen durch den Verfassungskonvent entwickelten Grundsätze eines föderalen und demokratischen Rechtsstaats arbeitete der Parlamentarische Rat die neue Verfassung aus. Grundsatz der Mitglieder des Parlamentarischen Rates war die sogenannte „Verfassung in Kurzform“, nämlich, dass Bonn nicht Weimar sei und die Verfassung einen zeitlich und räumlich provisorischen Charakter erhalten sollte.[18] Als Verfassung für Deutschland sollte erst eine auch in ganz Deutschland auf demokratischem Weg entstandene und legitimierte Konstitution bezeichnet werden. Die Wiedervereinigung wurde in der Präambel des Grundgesetzes als Verfassungsziel festgeschrieben (→ Wiedervereinigungsgebot) und im (inzwischen aufgehobenen) Artikel 23 geregelt.[19] Die für den Fall der Wiedervereinigung in Frage gekommene Abstimmung über eine Verfassung gemäß Art. 146 fand jedoch angesichts des „Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland“[20] nicht statt. In der Begründung zur Nichtannahme einer (diese Frage nur am Rande betreffenden) Verfassungsbeschwerde legte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 12. Oktober 1993 dar: „Auch Art. 146 GG begründet kein verfassungsbeschwerdefähiges Individualrecht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG).“[21]
Neuere Forschungen zeigen, dass auf diesem Gebiet der Frauenpolitik Verbindungen zwischen Politikerinnen der Westzonen und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eine wichtige Rolle gespielt hatten. In der SBZ waren es die bereits länger arbeitende Verfassungskommission des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) sowie weitere Protagonistinnen des DFD, die bedeutenden Einfluss bei der Schaffung des Gleichberechtigungsartikels 7 der DDR-Verfassung nahmen.[22]
Ihre Formulierung inspirierte sogar – vermittelt über persönliche Kontakte zwischen Käthe Kern und Herta Gotthelf und schließlich Elisabeth Selbert – die Formulierung von Artikel 3 Absatz 2 im Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“[23]
Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates wurden von den westdeutschen Landtagen entsprechend dem Bevölkerungsproporz und der Stärke der Landtagsfraktionen gewählt. Nordrhein-Westfalen entsandte 17, Bayern 13, Niedersachsen neun, Hessen sechs, die übrigen Länder zwischen fünf und einem Abgeordneten. Von den 65 Mitgliedern gehörten 27 der CDU oder CSU sowie 27 weitere der SPD an, die FDP entsandte fünf Mitglieder, die (nationalkonservative und föderalistisch ausgerichtete) Deutsche Partei, das (katholische) Zentrum und die (kommunistische) KPD je zwei Mitglieder. Das Patt zwischen den großen Parteien verhinderte, dass eine von ihnen dem Grundgesetz ihren Stempel aufdrückte, und zwang zur Einigung in den wesentlichen Fragen.[24] Dabei war für den Inhalt und die Annahme einzelner Abschnitte auch das jeweilige Abstimmungsverhalten der kleineren Fraktionen ausschlaggebend.
Genehmigung und Ratifikation des Grundgesetzes
Nach zum Teil heftigen Debatten über die Lehren, die aus dem Scheitern der Weimarer Republik, dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen seien, wurde der Entwurf des Grundgesetzes am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat, der seit September 1948 in Bonn tagte, mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen. Die Gegenstimmen kamen von Abgeordneten der CSU, der Deutschen Partei, der Zentrumspartei und der KPD.[25] Als Datum wurde bewusst der Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht gewählt, weshalb Adenauer die Abstimmung kurz vor Mitternacht forcierte.[26] Am 12. Mai 1949 wurde der Entwurf von den Militärgouverneuren der britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszone genehmigt, allerdings mit einigen Vorbehalten.[27] Gemäß Art. 144 Abs. 1 bedurfte der Entwurf der Annahme durch die Volksvertretungen in zwei Dritteln der deutschen Länder, in denen es zunächst gelten sollte. Zwischen dem 18. und 21. Mai wurde er in den Länderparlamenten zur Abstimmung gestellt. Auf ein Verfassungsreferendum wurde bewusst verzichtet.[28] Zehn Länderparlamente nahmen das Grundgesetz an.[29]
Nur der Bayerische Landtag stimmte in einer Sitzung in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai 1949 mit 101 zu 63 Stimmen bei neun Enthaltungen gegen das Grundgesetz (sieben der 180 Abgeordneten waren abwesend bzw. entschuldigt). Der Vorschlag zur Ablehnung stammte von der Staatsregierung.[30] Die CSU, die über eine Mehrheit im bayerischen Landtag verfügte, lehnte im Unterschied zur SPD und FDP das Grundgesetz ab. Sie fürchtete zu viel Einfluss des Bundes und forderte eine stärkere föderale Prägung, beispielsweise eine Gleichberechtigung des Bundesrates bei der Gesetzgebung. Die Verbindlichkeit des Grundgesetzes für den Freistaat Bayern, falls bundesweit zwei Drittel der Länder das Grundgesetz ratifizieren würden, wurde aber in einem gesonderten Beschluss mit 97 von 180 Stimmen bei 70 Enthaltungen und 6 Gegenstimmen akzeptiert.[31]
Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates durch den Präsidenten und die Vizepräsidenten ausgefertigt und verkündet (Art. 145 Abs. 1). Die Verfassungsurkunde wurde zunächst von 63 der 65 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rates, also von allen außer den beiden ablehnenden kommunistischen Abgeordneten, unterzeichnet. Danach unterzeichneten die nicht stimmberechtigten West-Berliner Abgeordneten, die Ministerpräsidenten und Landtagspräsidenten der elf westdeutschen Länder und schließlich Otto Suhr und Ernst Reuter als Stadtverordnetenvorsteher bzw. Oberbürgermeister von Groß-Berlin.[32]
„Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes: Heute wird die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten. Wer die Jahre seit 1933 bewußt erlebt hat, der denkt bewegten Herzens daran, daß heute das neue Deutschland ersteht.“
– Konrad Adenauer (in einer Ansprache nach der feierlichen Unterzeichnung des Grundgesetzes)[33]
Es trat nach Art. 145 Abs. 2 mit Ablauf dieses Tages in Kraft; der Zeitpunkt wird teils als 23. Mai, 24:00 Uhr,[34] teils als 24. Mai, 0:00 Uhr bezeichnet.[35] Damit war die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Dieses Ereignis ist in der Eingangsformel beurkundet.
Das Grundgesetz wurde gemäß Art. 145 Abs. 3 in der Nummer 1 des Bundesgesetzblattes veröffentlicht.[36] Die Originalurkunde („Urschrift des Grundgesetzes“) wird im Bundestag aufbewahrt.[37] Das Grundgesetz galt auch in und für Berlin (West), allerdings nur insoweit nicht Maßnahmen der Besatzungsmächte seine Anwendung beschränkten. Deren Vorbehalt schloss aus, dass Bundesorgane unmittelbar Staatsgewalt über Berlin ausübten.
Am 3. Oktober 2016 wurde die erste unterschriebene Fassung des Grundgesetzes mit allen Begleitakten über insgesamt ca. 30.000 Seiten, darunter Niederschriften der Diskussionen und Debatten des Parlamentarischen Rates, der Länder, aber auch der alliierten Mächte, als Mikrofilm im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland, dem Barbarastollen, durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eingelagert.[38] Es bedurfte mehrerer Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, bis ein Retrodigitalisat der vollständigen Urschrift des Grundgesetzes im Mai 2023 öffentlich zur Verfügung gestellt wurde.[39]
Das Grundgesetz legt im Abschnitt „Grundrechte“ (Art. 1 bis Art. 19) Rechte fest, die jeder Mensch (Menschenrechte oder Jedermannsrechte, auch Jedermann-Grundrechte) und speziell jeder Staatsbürger (auch Bürgerrechte oder Deutschenrechte, auch Deutschen-Grundrechte) gegenüber den Trägern der Hoheitsgewalt hat. Auch inländische „juristische Personen“ (im weiteren Sinne, das heißt (teil-)rechtsfähigePersonenmehrheiten) sind Träger von Grundrechten, soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3). Die Grundrechte sind im Prinzip als Abwehrrechte des Grundrechtsträgers gegenüber Eingriffen von Hoheitsträgern ausgestaltet. Sie erzeugen jedoch auch eine (in aller Regel mittelbare) Drittwirkung im Privatrecht. Grundrechte gewähren unter Umständen auch einen Anspruch auf Leistung des Staates, entweder durch Teilhabe an bestehenden staatlichen Vorkehrungen (Teilhaberechte, derivative Leistungsrechte, Verfahrensrechte) oder sogar durch Schaffung neuer staatlicher Vorkehrungen (originäre Leistungsrechte).
Das Staatsorganisationsrecht gliedert sich seinerseits in die Aufzählung allgemeiner Grundsätze (Art. 20 bis Art. 29, Art. 34), in die Regelungen über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern (Art. 30 bis Art. 32, Art. 35 bis Art. 37, Art. 70 ff., Art. 83 ff.) und in das Binnenorganisationsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Art. 38 bis Art. 69, Art. 76 ff.). Erstere beschäftigen sich insbesondere mit der Kompetenzverteilung zwischen den beiden föderalen Ebenen (Verbandszuständigkeit); im Binnenorganisationsrecht wiederum geht es um die Schaffung, Zusammensetzung und Kompetenzen (Organzuständigkeit) der Organe des Bundes sowie um Verfahren. Art. 20 enthält die wichtigsten Staatsprinzipien: Demokratie, Republik, Sozialstaat, Bundesstaat (→ Föderalismus in Deutschland) sowie Rechtsstaat. Sie gelten gem. der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 auch in den Ländern. Einzelne staatsorganisationsrechtliche Bestimmungen finden sich darüber hinaus im Abschnitt „Grundrechte“ und die grundrechtsgleichen Rechte finden sich im staatsorganisatorischen Teil.
Bundestag und Bundesrat sind zur Gesetzgebung des Bundes berufen. Der Bundesrat ist dabei kein Organ der Länder, sondern ein Organ des Bundes, in dem Vertreter der Regierungen der Länder sitzen. Die Vertreter der Länder müssen dabei die Stimmen einheitlich abgeben. Bundesgesetze werden durch den Bundestag beschlossen und dem Bundesrat unverzüglich zugeleitet. Für das weitere Verfahren unterscheidet man zwischen Einspruchsgesetzen und Zustimmungsgesetzen. Bei Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat binnen drei Wochen die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen, der aus nicht weisungsgebundenen Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat besteht. Schlägt der Vermittlungsausschuss eine Änderung vor, so hat der Bundestag erneut Beschluss zu fassen. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz zu oder unterlässt er es, fristgerecht einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, so kommt das Gesetz zustande. Ist das Vermittlungsverfahren beendet und hat der Bundestag im Falle der Änderung des Gesetzesbeschlusses durch den Vermittlungsausschuss erneut Beschluss gefasst, so kann der Bundesrat binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Wird der Einspruch fristgerecht durch den Bundesrat eingelegt, kann der Bundestag den Einspruch zurückweisen. Verzichtet der Bundesrat auf einen Einspruch oder nimmt er ihn zurück, so ist das Gesetz zustande gekommen. Bei Zustimmungsgesetzen läuft das Verfahren abweichend. Zustimmungsgesetze existieren vor allem bei Bestimmungen des Bundes über die Errichtung von Landesbehörden und das Verwaltungsverfahren beim Vollzug von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheiten der Länder; bei Bundesgesetzen, an welchen die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr zu tragen haben; bei Bundesgesetzen über Steuern, deren Aufkommen zum Teil den Ländern oder den Kommunen zufließt. Stimmt der Bundesrat mit der Mehrheit seiner Stimmen dem Gesetz zu, so ist es zustande gekommen. Anderenfalls kann der Bundesrat den Vermittlungsausschuss einberufen. Bei Zustimmungsgesetzen können auch die Bundesregierung und der Bundestag die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen. Macht der Vermittlungsausschuss einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses, so hat der Bundestag erneut Beschluss zu fassen. Diesen Beschluss kann der Bundesrat dann verweigern oder ihm stattgeben. Wird der Vermittlungsausschuss nicht einberufen oder macht dieser keinen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses, so hat der Bundesrat in angemessener Frist über das Gesetz abzustimmen.
Der Bundesregierung obliegt gemeinsam mit dem Bundestag die Staatsleitung sowie ferner die Ausführung von bestimmten Bundesgesetzen durch Bundesbehörden. Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt. Er nimmt im Wesentlichen Repräsentationsaufgaben wahr. Inwieweit dem Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Bundesgesetzen eine Prüfungskompetenz zukommt, ist umstritten. Häufig wird davon ausgegangen, dass er die Richtigkeit des Zustandekommens von Gesetzen zu prüfen hat (formale Prüfungskompetenz).
In seinem Geltungsbereich steht das Grundgesetz im Rang über allen Gesetzen und anderen nationalen Rechtsquellen. Über seine Einhaltung und Auslegung wacht das Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungsrichter entscheiden v. a. über Streitigkeiten zwischen Bundesorganen, über Streitigkeiten zwischen Ländern und dem Bund. Es prüft die Vereinbarkeit von Landesrecht und Bundesrecht, sowohl in einem konkreten Gerichtsverfahren wie auch abstrakt auf Antrag von Bundestag, Bundesregierung oder einer Landesregierung. Es entscheidet über Verfassungsbeschwerden von Bürgern und Gesellschaften sowie über Beschwerden von Kommunen betreffend die Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts.
Der Gemeinsame Ausschuss ist das Gesetzgebungsorgan des Bundes im Verteidigungsfall.
Verbandszuständigkeit des Bundes
Die Verbandszuständigkeit im Grundgesetz folgt einem Prinzip ähnlich dem europarechtlichen Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, 2 EUV): Grundsätzlich sind die Länder für die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zuständig, soweit das Grundgesetz die Zuständigkeit nicht dem Bund gegeben hat. Im Zweifel sind staatliche Aufgaben daher ihnen zugewiesen.
Die Zuständigkeit des Bundes ist auf den Gebieten der Gesetzgebung, des Gesetzesvollzugs und der Rechtsprechung recht unterschiedlich ausgestaltet. Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71). Art. 73 führt die Kompetenztitel auf, in denen der Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit hat. Art. 74 räumt dem Bund konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeiten ein; solange und soweit der Bund von einer solchen Befugnis keinen Gebrauch macht, so können die Länder dort gesetzgebend tätig werden (Art. 72 Abs. 1).
Auch beim Gesetzesvollzug ist der Bund nur auf Grund besonderer Ermächtigung zuständig (bundeseigene Verwaltung). Die Art. 87 ff. weisen dem Bund aber weit weniger Kompetenzen bei der Verwaltung zu als bei der Gesetzgebung. In der Regel vollziehen die Länder auch Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Art. 84). In diesem Bereich übt die Bundesregierung die Rechtsaufsicht aus über den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder. In einem dritten Bereich führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrag des Bundes aus. Hier üben die Bundesregierung (Art. 85 Abs. 4 Satz 2) und die obersten Bundesbehörden (Art. 85 Abs. 3 Satz 1) nicht nur die Rechts-, sondern auch die Fachaufsicht aus.
Auch Gerichte sind grundsätzlich Ländersache. Der Bund darf nur solche Gerichte errichten, die im Grundgesetz als Bundesgerichte ausdrücklich vorgesehen sind.
Wesentliche Unterschiede zur Weimarer Verfassung
Das 1949 ratifizierte Grundgesetz war eine politische Reaktion auf die strukturellen Schwächen der Weimarer Verfassung von 1919, die es zugelassen hatten, dass mit dem Ermächtigungsgesetz und der Gleichschaltung im „Dritten Reich“ die Demokratie durch das Führerprinzip ersetzt wurde.
Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung sind die Grundrechte nach dem Grundgesetz keine bloßen Staatszielbestimmungen, sondern unmittelbar geltendes Recht für die der Menschenwürde verpflichteten Staatsgewalten (Art. 1). Die Grundrechte befinden sich am Anfang des Verfassungstextes und haben eine hervorgehobene Bedeutung sowohl als subjektive Bürgerrechte als auch in ihrer Funktion einer objektiven Wertentscheidung des Staatswesens. Sie dürfen in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden. Der Grundsatz des Artikels 1, der diese Bindung festlegt, darf nicht verändert werden (Ewigkeitsklausel).
Zur Sicherung der Demokratie kommt dem Parlament eine zentrale Rolle zu. Der Bundestag als einziges direkt demokratisch legitimiertes Verfassungsorgan übt maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der anderen Organe aus. Der Vorrang der Gesetzgebungsbefugnisse kommt in mehreren Verfassungsbestimmungen zum Ausdruck. So ist im Hinblick auf Weimar insbesondere die Möglichkeit einer Notverordnung ausgeschlossen. Soweit die Regierung gesetzliche Bestimmungen (Verordnungen) erlassen will, müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß vorab in einem Parlamentsgesetz bestimmt worden sein (Art. 80). Parlamentsgesetze können nur durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verworfen werden (Art. 100).
Das Staatsoberhaupt ist nunmehr kein „Ersatzkaiser“ mehr, sondern mit Ausnahme weniger Befugnisse (wie der Ausfertigung von Gesetzen und des damit verbundenen Prüfungsrechts oder des Begnadigungsrechts des Bundes) auf die Repräsentation beschränkt. Im Gegensatz zum Reichspräsidenten ist der Bundespräsident bei Ernennung des Regierungschefs und Auflösung des Bundestags auf entsprechende Parlamentsmehrheiten angewiesen. Die Stellung der Regierung gegenüber dem Staatsoberhaupt wurde gestärkt. Die Bundesregierung ist nur noch vom Bundestag, statt, wie die Reichsregierung nach Weimarer Verfassung, sowohl vom Reichspräsidenten als auch vom Reichstag abhängig. Die Bundesregierung kann nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum, also die Wahl eines neuen Kanzlers, gestürzt werden. Dies sorgt für mehr Stabilität als „in Weimar“, wo sich Rechts- und Linksradikale zur Abwahl eines Kanzlers zusammenschließen konnten, ohne sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. In der Weimarer Republik war es außerdem möglich, einzelnen Ministern das Vertrauen zu entziehen.
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben in einigen Fällen Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG). In der Praxis werden Urteile allerdings eher derart formuliert, dass die jeweils zuständigen Organe bis zu einem mehr oder weniger exakt bemessenen Zeitraum beanstandete Teile eines Gesetzes gemäß dem gefällten Urteil zu ändern haben. Ein Gericht mit derartiger Machtfülle sah die Weimarer Verfassung nicht vor. Die Änderung des Grundgesetzes, geregelt in Art. 79, ist nur unter engeren Voraussetzungen möglich, als sie für Änderungen der Reichsverfassung galten. Bei einer Änderung des Grundgesetzes muss explizit der geänderte Artikel angegeben werden. Die Weimarer Verfassung konnte auch implizit mit jedem Gesetz, das eine Zweidrittelmehrheit erreichte, geändert werden. Nach Artikel 79 Abs. 3 dürfen die Grundsätze aus Artikel 1 und Artikel 20 sowie Elemente der Bundesstaatlichkeit nicht abgeschafft werden (zwar können Bundesländer zusammengelegt werden, deren generelle Abschaffung ist aber nicht möglich). Nach der in Artikel 20 festgeschriebenen Gewaltenteilung ist zum Beispiel ein „Ermächtigungsgesetz“ wie das von 1933, womit die grundrechtlichen Garantien der Verfassung abgeschafft wurden, nicht möglich.
Parteien sind nunmehr durch das Parteienprivileg in Art. 21 geschützt und können dadurch nur durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verboten werden. Das Grundgesetz weist ihnen die Aufgabe bei der politischen Willensbildung des Volkes zu, verlangt aber, dass ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entspricht.
Durch den Bundesrat sind die Bundesländer im Vergleich zum Reichsrat angesichts des großen Bereichs zustimmungspflichtiger Gesetze sehr stark an der Gesetzgebung beteiligt. Der Reichsrat verfügte nur über ein suspensives Vetorecht in Gesetzesfragen. Diese Beteiligung des Bundesrates unterliegt im Rahmen der Föderalismusdiskussion mittlerweile vielfacher Kritik.
Die Verfassung von Weimar trug dazu bei, dass die Reichswehr ein „Staat im Staate“ wurde, auch, weil sie dem Reichspräsidenten, nicht aber parlamentarischer Kontrolle unterstellt war. Das Grundgesetz unterstellt die Bundeswehr im Friedensfall dem Verteidigungsminister, im Verteidigungsfall dem Bundeskanzler.
Plebiszitäre Elemente (wie Volksbegehren und Volksentscheide), die das Volk wie in der Weimarer Republik berechtigen, Gesetze einzubringen und zu verabschieden, sind im Grundgesetz auf Bundesebene so nicht vorhanden. Ausschließlich bei einer Neugliederung des Bundesgebietes sowie im Falle der Annahme einer Verfassung entscheidet das Volk unmittelbar. Der Parlamentarische Rat verzichtete auf eine weitergehende Ausgestaltung und schottete sich ab, da die Befürchtung bestand, in der noch jungen und ungefestigten Demokratie könnte der „kommunistische Generalgegner“ (KPD und SED) diese Instrumente für sich nutzen. Zudem bestand ein generelles, paternalistisches Misstrauen gegenüber der Mitbestimmungsfähigkeit des Volkes.[41] Nicht zuletzt hatten die bayerischen Mitglieder ein Interesse daran, den künftigen Bundesstaat nicht zu stärken.[42] Der Ausbau direktdemokratischer Elemente zu einem späteren Zeitpunkt wurde allerdings nie ausgeschlossen, sondern lediglich von keiner der später folgenden Bundesregierungen vollzogen.
Entwicklung des Grundgesetzes seit 1949
Überblick
Als im Jahr 1949 der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedete, wurde mit dem Namen „Grundgesetz“ vor allem der vorübergehende Charakter des Verfassungstextes deutlich gemacht. Das Grundgesetz sollte als Provisorium solange gelten, bis die Teilung Deutschlands ein Ende fände. Anschließend sollte es durch eine Verfassung ersetzt werden, die sich die Bürger Deutschlands in freier Selbstbestimmung geben würden. Dieser Sprachgebrauch impliziert in der Staatspraxis jedoch keineswegs einen provisorischen Charakter, wie das Beispiel anderer Verfassungen, etwa im skandinavischen Raum oder für die Niederlande, zeigt. Dass vom Grundgesetz „für“, nicht dem Grundgesetz „der“ Bundesrepublik Deutschland die Rede ist, entspricht ebenfalls üblicher Begriffsverwendung.[43]
In den 40 Jahren Verfassungspraxis der Bundesrepublik erwies sich das Grundgesetz als ein Erfolgsmodell, so dass das Bedürfnis einer Neukonstituierung des wiedervereinigten Deutschlands bei Weitem nicht das Verlangen nach Kontinuität übersteigen konnte oder eine von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung nicht erwünscht wird. Das Grundgesetz blieb, abgesehen von einigen geringfügigen Änderungen, in der bewährten Form erhalten. Durch den Einigungsvertrag wurde das Grundgesetz etwa in der Präambel oder Artikel 146 verändert.[44]
Das Grundgesetz ist seit der Ausfertigung am 23. Mai 1949 rund 60 Mal geändert worden.[45][46] 1949 bestand es aus der Präambel und 146 Artikeln. Durch Aufhebung von Artikeln (Bsp.: Art. 74a und 75), aber auch Einfügen neuer (Bsp.: Art. 53a, Art. 91d, Art. 120a GG, …) waren es 2010 schon 191 Artikel. Zu einer Neubekanntmachung ist es nicht gekommen, sodass die ursprüngliche Zählung beibehalten ist und das Grundgesetz immer noch mit Art. 146 endet. Art. 45d ist der erste und bislang einzige Artikel mit amtlicher Überschrift („Parlamentarisches Kontrollgremium“).
Wesentliche Änderungen erfuhr das Grundgesetz durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht und Schaffung der Bundeswehr 1956, mit der auch die sogenannte Wehrverfassung implementiert wurde.[47] Eine weitere große Reform war die 1968 von der damaligen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedete sogenannte Notstandsverfassung (insbesondere Art. 115a bis Art. 115l), die politisch sehr umstritten war. 1969 erfolgte ebenfalls noch eine Reform der Finanzverfassung (Art. 104a bis Art. 115).
Reformbestrebungen fanden nach der deutschen Wiedervereinigung mit marginalen Änderungen im Jahre 1994 einen – zum Teil als enttäuschend empfundenen – Abschluss (sogenannte Verfassungsreform 1994). Soweit sich jedoch die Parteien einig wurden, sollte an dem bewährten Grundgesetz so weit wie möglich festgehalten werden. Eine Volksabstimmung über das für ganz Deutschland geltende (und nicht mehr provisorische)[48] Grundgesetz wurde mehrheitlich abgelehnt, obwohl dies mit dem Argument einer stärkeren Verankerung des Grundgesetzes vor allem in Ostdeutschland gefordert wurde. Auch erfolgte nicht die immer wieder geforderte Aufnahme von plebiszitären Elementen wie der Volksgesetzgebung, die in mittlerweile allen Landesverfassungen vorgesehen ist.
Eine Föderalismuskommission des Bundes und der Länder, die 2004 über einen neuen Zuschnitt der Gesetzgebungszuständigkeiten und der Zustimmungsbefugnisse des Bundesrates verhandelte, scheiterte an Differenzen in der Bildungspolitik. Nach der Bildung der Großen Koalition traten die modifizierten Vorschläge zu einer Föderalismusreform in die parlamentarische Beratung ein.
1994 (und 2002) wurden Umwelt- und Tierschutz als Staatszielbestimmungen in Art. 20a GG aufgenommen.
Politisch am stärksten umstritten waren 1993 die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl[49][50] sowie 1998 die Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung mit dem sogenannten großen Lauschangriff (Art. 13 Abs. 3 bis Abs. 6 GG, 2004 vom BVerfG als verfassungsgemäß bestätigt).
2006 wurde die Föderalismusreform mit zahlreichen Änderungen der Gesetzgebungskompetenz verabschiedet.
Im Zuge der Wirtschaftskrise 2009 und der Föderalismusreform II wurde die Entflechtung in der Finanzverfassung weiter vorangetrieben.
Änderungsgesetze
Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland kann nur durch Gesetze geändert werden, die den besonderen Anforderungen des Art. 79 GG genügen; verfassungsändernde Gesetze sind somit stets Zustimmungsgesetze.[51] Nach Art. 79 Abs. 2 GG ist eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrats erforderlich. Das hohe Quorum erschwert Verfassungsänderungen erheblich, indem schwache oder zufällige Mehrheiten nicht wirksam beschließen können. Bestimmte Verfassungsgrundsätze und Strukturprinzipien wie die unmittelbare Bindungswirkung der Grundrechte, die föderale Gliederung oder die demokratische Herrschaftsform sind nach Art. 79 Abs. 3 GG von einer Änderung ausdrücklich ausgenommen. Das Grundgesetz gilt als eine der am häufigsten geänderten Verfassungen der Welt.[52]
Gemäß Art. 146 GG verliert das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde. Einen Aufruf, eine derartige Verfassung zu beschließen, enthält das Grundgesetz jedoch nicht.
Der ursprüngliche Text der Präambel wies dem Grundgesetz bis 1990 als Aufgabe zu, „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben“. Die Präambel alter Fassung wurde abgeschlossen mit dem Satz „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“[55] In der Umformulierung infolge des Einigungsvertrages von 1990 wurde nun vereinfacht und ohne Einschränkungen festgestellt, dass „sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt[56] dieses Grundgesetz gegeben“ habe. „Die Deutschen in den Ländern [Aufzählung der Bundesländer] haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“[55] In Artikel 146 wurde durch den Einigungsvertrag hinter den Worten „Dieses Grundgesetz“ der Nebensatz „das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt“ eingefügt, um klarzustellen, dass der Artikel auch nach Herstellung der deutschen Einheit weitergelte.
Nach herrschenderLiteraturmeinung soll das Grundgesetz nur aus gewichtigen Gründen von einer neuen Verfassung abgelöst werden, nämlich entweder aufgrund einer „fundamentalen Staatskrise“ oder aufgrund der „Herausforderungen der europäischen Integration“.[57]
Wie der Weg zu einer neuen Verfassung aussehen soll, definiert das Grundgesetz nicht. So ist z. B. nicht geregelt, wer einen Verfassungsentwurf ausarbeitet oder wer letztendlich darüber entscheidet. Die Verabschiedung könnte sowohl durch eine Volksabstimmung als auch in einer vom Volk gewählten verfassungsgebenden Versammlung erfolgen.[58]
Die Textpassagen dieses Grundgesetz-Artikels werden gelegentlich dahingehend interpretiert, nur eine direkt – also plebiszitär – beschlossene Verfassung erfülle das staatsrechtliche Programm des Grundgesetzes und der provisorische Zustand sei weiterhin gegeben. Mehrheitlich wird in der Staats- und Rechtswissenschaft darin jedoch kein demokratisches Defizit gesehen, denn das Prinzip der repräsentativen Demokratie, das hier letztlich zur Anwendung kommt, sei qualitativ und demokratietheoretisch nicht mangelhaft, sondern eine graduelle und systematische Grundentscheidung. Auch habe das Grundgesetz in seiner alten Fassung von einer freien Entscheidung des Volkes gesprochen – als Kontrast zur politischen Unfreiheit der Deutschen in der DDR –, nie jedoch von einer direkten Entscheidung. Daher seien besondere plebiszitäre Anforderungen hieraus nicht herleitbar. Das deutsche Volk habe durch den verfassungsändernden Gesetzgeber der Jahre 1990–1994 stets frei und kontinuierlich gesprochen; es „hat im Grundgesetz eine gültige, würdige und respektierte Verfassung gefunden, unter der es ein freies, freiheitliches, demokratisches Leben in einem sozialen und föderativen Rechtsstaat führen kann“.[59] Vielmehr schließe der belassene Artikel 146 eine Verfassungsreform mit Aufhebung des Grundgesetzes zwar nicht aus, er verlange sie aber auch nicht.[60]
Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, dass diese gesamtdeutsche Verfassung weiterhin die Bezeichnung „Grundgesetz“ trägt. Das Grundgesetz erfüllt nicht nur alle Funktionen einer Verfassung und hat sich bereits im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik als solche gefestigt, sondern wird auch den Legitimitätsanforderungen an eine Verfassung gerecht. Die Beibehaltung des ursprünglichen Namens Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist historisch bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten. Gegenwärtig lautet daher die Feststellung zur Verfassungsgesetzgebung vereinfacht: Das Grundgesetz ist die Verfassung.[61]
Räumlicher Geltungsbereich
Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit wurde das Grundgesetz geändert:
In der Präambel heißt es nunmehr, das Grundgesetz gelte für das gesamte deutsche Volk, womit das Wiedervereinigungsgebot förmlich aufgehoben wurde.
Der bisherige Art. 23 (a.F.) ist entfallen, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes für „andere Teile Deutschlands“ offen hielt.[62]
Art. 146 stellt klar, dass die Einheit Deutschlands vollendet ist.
Somit ergibt sich, dass mit Deutschland in den heutigen Grenzen der Geltungsbereich des Grundgesetzes endgültig festgelegt ist und Gebietsansprüche der Bundesrepublik nicht bestehen.[4]
Bedeutung und Kritik
Das Grundgesetz gilt als Beispiel für die erfolgreiche Re-Demokratisierung eines Landes. Dies trifft insbesondere auf die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts zu, das mit seiner Rechtsprechung die Verfassungsinterpretation und -wirklichkeit entscheidend geprägt hat. Das Bundesverfassungsgericht mit seinen weitreichenden Befugnissen war beispiellos, die zentrale Bedeutung des Grundsatzes der Menschenwürde wurde vielfach in andere Verfassungen exportiert.[63]
Häufig wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Entwicklung einer stabilen Demokratie in Deutschland weniger auf die konkrete Konzeption des Grundgesetzes als vielmehr auf die wirtschaftliche Prosperität der Nachkriegszeit zurückgeht. Dem wird indes entgegengehalten, dass sich die Wirtschaftskraft (West-)Deutschlands ohne stabile rechtliche und politische Bedingungen nicht hätte entwickeln können. Hierzu zählt insbesondere der soziale Frieden, der durch das Sozialstaatsgebot und die verfassungsrechtliche Verankerung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Art. 9 Abs. 3) erreicht wurde.
Kaum bestritten wird, dass sich die auf Gewaltenverschränkung und -kontrolle angelegte staatsorganisationsrechtliche Struktur des Grundgesetzes bisher bewährt hat. Häufig wird allerdings im Föderalismus, das heißt in den Blockademöglichkeiten des Bundesrates, ein Hindernis für die Umsetzung wichtiger Reformvorhaben gesehen. Das Grundgesetz führe so de facto zu einer Konsensdemokratie.
Peter Römer (Hrsg.): Der Kampf um das Grundgesetz. Über die politische Bedeutung der Verfassungsinterpretation. Syndikat, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-8108-0035-X.
Peter Häberle: Das Grundgesetz der Literaten. Der Verfassungsstaat im (Zerr-)Spiegel der Schönen Literatur. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1983, ISBN 3-7890-0886-9.
Peter Häberle: Das Grundgesetz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungspolitik. Ausgewählte Studien zur vergleichenden Verfassungslehre in Europa. Nomos, Baden-Baden 1996, ISBN 3-7890-4005-3.
Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage, C.F. Müller Verlag, Heidelberg 1999, ISBN 3-8114-7499-5.
Klaus Stern: Das Grundgesetz im europäischen Verfassungsvergleich. Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 26. Mai 1999, de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016824-3.
Uwe Andersen, Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Leske + Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3670-6.
Karl Dietrich Bracher: Das deutsche Grundgesetz als Dokument historisch-politischer Erfahrung. In: Hedwig Kopetz/Joseph Marko/Klaus Poier (Hrsg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungstaat. Phänomene politischer Transformation. Festschrift für Josef Mantl zum 65. Geburtstag. Bd. 1. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2004, ISBN 3-205-77211-3, S. 759–779.
Christof Gramm, Stefan Ulrich Pieper: Grundgesetz: Bürgerkommentar. Nomos Verlag, Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-2978-7.
Albert Krölls: Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern? Eine Streitschrift gegen den Verfassungspatriotismus. VSA, Hamburg 2009, ISBN 978-3-89965-342-7.
Peter Schade: Grundgesetz mit Kommentierung. 8. Auflage, Walhalla-Fachverlag, Regensburg 2010, ISBN 978-3-8029-7176-1.
Hans D. Jarass, Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar. 11. Auflage, Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60941-1.
Axel Hopfauf: Einleitung zum Grundgesetz. In: Hans Hofmann/Axel Hopfauf (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz. 12. Auflage, Carl Heymanns Verlag, Köln 2011, ISBN 978-3-452-27076-4.
Mike Hofmaier: Verfassung verstehen. Das Grundgesetz in Infografiken. Eine visuelle Analyse der deutschen Verfassung. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2013, ISBN 978-3-87439-846-6 (72 S.).
Jochen Roose: Das lebendige Grundgesetz. Grundrechte aus Sicht der Bevölkerung: Wertigkeit, Umsetzung, Grenzen.Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin 2019 (PDF; 1,6 MB).
Entdecke unsere Verfassung!, Open-Data-Bewegung (mit Zeitleiste zu den Änderungen des Grundgesetzes in Verbindung mit wichtigen Ereignissen der deutschen Geschichte)
Deutscher Bundestag (ohne Datum): Grundgesetzänderungen (mit Hinweisen zu den formellen und inhaltlichen Veränderungen des Grundgesetzes und Verweisen auf eine Statistik von Grundgesetzänderungen, Grundgesetz-Änderungsgesetze, geänderte Grundgesetzartikel, nicht verabschiedete Änderungsentwürfe sowie gemeinsame Gremien bzw. Kommissionen von Bundestag und Bundesrat zur Reform des Grundgesetzes; abgerufen am 19. April 2018)
Historische Reden zum Grundgesetz
Carlo Schmid in der zweiten Sitzung des Parlamentarischen Rats am 8. September 1948. In: Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Band 9: Plenum, bearbeitet von Wolfram Weber. München 1996, S. 20–45, spd.de (PDF). Tonaufnahme bei YouTube (1 h 57 min)
↑Paul Kirchhof, Charlotte Kreuter-Kirchhof: Staats- und Verwaltungsrecht Bundesrepublik Deutschland. Mit Europarecht. 51., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2012, Begleitwort.
↑Vgl. Christian Starck, Woher kommt das Recht?, Mohr Siebeck, Tübingen 2015, S. 78, 132; Josef Isensee, Vom Stil der Verfassung. Eine typologische Studie zu Sprache, Thematik und Sinn des Verfassungsgesetzes. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1999, S. 39 f.
↑Vgl. zur Entstehung des Grundgesetzes Thomas Hertfelder, Jürgen Hess: Streiten um das Staatsfragment. Theodor Heuss und Thomas Dehler berichten von der Entstehung des Grundgesetzes. mit einer Einl. von Michael F. Feldkamp (= Wissenschaftliche Reihe. Nr.1). Deutsche Verlags-Anstalt, 1999, ISBN 3-421-05220-4, ISSN1861-3195, S.328 (Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus).
↑Zu Einzelheiten s. Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, Einleitung Rn. 19–21.
↑Siehe dazu auch den Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, in: Deutscher Bundestag und Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. II: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Boppard am Rhein 1981, ISBN 3-7646-1671-7, S. 507.
↑„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Auch für die Verfassung der DDR kann man von „Müttern der Gleichberechtigung“ sprechen. Denn obwohl Gleichberechtigung der Geschlechter eigentlich Teil des sozialistischen Menschenbildes war, mussten auch die (sozialistischen) Protagonistinnen zahlreiche Widerstände der Parteigenossen überwinden. Vgl. Grit Bühler: Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945–1949), Frankfurt am Main/New York 2022, S. 291–299.
↑Der folgende Satz: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, wurde dem Grundgesetz erst 1994 hinzugefügt, lexetius.com. Vgl. Grit Bühler, (Die) Mütter der Gleichberechtigung in der DDR. Die frauenbewegte Gründerinnenzeit des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) 1945–1949, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Deutschland Archiv, 7. November 2023 (Erstveröffentlichung), Aktualisierung/Postskriptum 7. März 2024 (online).
↑Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik. Von der Gründung bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44554-3, S. 74.
↑Als einziges der elf deutschen Länder verweigerte der Bayerische Landtag am 20. Mai 1949 gegen 2 Uhr morgens aufgrund unzureichender föderalistischer Strukturen der Kompetenzen des Bundesrates und der Steuergesetzgebung dem Grundgesetz seine Zustimmung (64 Ja-Stimmen, 101 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen) und folgte damit dem Kurs unter Ministerpräsident Hans Ehard. Vgl. BR24: 70 Jahre Grundgesetz: Das bayerische Nein zur Verfassung, Kontrovers-Sendung vom 19. Mai 2019.
↑Ingo von Münch, Die Zeit im Recht, NJW 2000, S. 1 ff., hier S. 3. Vgl. aber auch Ingo von Münch/Ute Mager, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht unter Berücksichtigung der europarechtlichen Bezüge, 7., völlig neubearbeitete Aufl. 2009, Rn. 36, Anm. 16: „Die Frage, ob das Grundgesetz am 23. Mai um 24 Uhr in Kraft getreten ist […] oder am 24. Mai um 0 Uhr […], ist str. [strittig], aber für die Praxis ohne Bedeutung.“
↑Vgl. Jutta Limbach, Roman Herzog, Dieter Grimm: Die deutschen Verfassungen: Reproduktion der Originale von 1849, 1871, 1919 sowie des Grundgesetzes von 1949, hrsgg. und eingeleitet von Jutta Limbach, C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44884-4, S. 252.
↑Hartmut Brenneisen, Michael Wilksen, Dirk Staack, Michael Martins, Christopher Sievers: Über allem steht die Menschenwürde, in: Hartmut Brenneisen, Dirk Staack, Susanne Kischewski (Hg.): 60 Jahre Grundgesetz (= Polizei und Sicherheitsmanagement, Band 6), Lit Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10636-0, S. 58–100, hier S. 73; vgl. Johannes M. Barrot: Der Kernbereich privater Lebensgestaltung. Zugleich ein Beitrag zum dogmatischen Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Nomos, 2012, ISBN 978-3-8329-7363-6.
↑Otmar Jung: Grundgesetz und Volksentscheid. Gründe und Reichweite der Entscheidungen des Parlamentarischen Rats gegen Formen direkter Demokratie. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, S. 281.
↑Thomas Ellwein: Verfassung und Verwaltung. In: Martin Broszat (Hrsg.): Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutsche Nachkriegsgeschichte (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 61). Oldenbourg, München 1990, ISBN 978-3-486-70319-1, S. 47.
↑Mehr Demokratie e. V.: Artikel 146 Grundgesetz – Grundlage für eine neue Verfassung? Positionspapier Nr. 18. Berlin 29. April 2018, S.6f. (mehr-demokratie.de [PDF]).
↑Horst Dreier: Wir brauchen kein EU-Plebiszit. In: Die Zeit. 20. Oktober 2011, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 30. Dezember 2023]).
↑Zit. nach Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. V, 2000, S. 1973.
↑Bezüglich des Art. 146 GG n.F. siehe Stern, Staatsrecht V, § 135 III 8 Abs. γγ (S. 1971): „[…] In der politischen Praxis ist die Vorschrift nach fast einem Jahrzehnt Geltung zu einer Ermächtigung ohne Folgewirkung herabgesunken. Trotz ausführlicher wissenschaftlicher Behandlung in der Kommentarliteratur wird sie wegen ihres ‚Irritationsvolumens‘ als letztlich funktionslose Norm angesehen, über die die Entwicklung hinweggeschritten ist. […] Man sollte sie besser streichen.“
↑„Das Grundgesetz ist damit legitimierte Verfassung des wiedervereinigten Deutschland.“ Zit. nach Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band V, C.H. Beck, München 2000, S. 1969 (Memento vom 11. Juni 2010 im Internet Archive). Siehe hierzu auch ibid., § 135 III 8 Abschn. β (S. 1971–1973 mzN) zum angeblichen Legitimationsdefizit (mit weiteren Nachweisen), dass die sogenannte Geburtsmakeltheorie (inzwischen) unhaltbar geworden ist, sowie, dass der Vorwurf, dem Grundgesetz hafte der Makel fehlender Volksabstimmung an, „[a]uf verfassungsrechtliche Argumente […] nicht gestützt werden [konnte]: [… Die] Vorläufigkeit (‚Provisorium‘) […] fand […] gerade mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 unzweideutig ihr Ende. Dieses einzige Defizit im Hinblick auf eine Vollverfassung war damit behoben. [… Das Grundgesetz] konnte und wollte nach eigenem Verständnis zur konstituierenden Dauerordnung werden […]. Für den Fall des Beitritts war aber eine Volksabstimmung gerade nicht vorgesehen.“ Auch die vom ersten gesamtdeutschen Bundestag und Bundesrat eingerichtete Gemeinsame Verfassungskommission sah 1994 sowohl von einer neuen Verfassung oder einer Totalrevision als auch von einer Volksabstimmung ab.
↑Näher dazu Knut Ipsen in: Ulrich Beyerlin u. a. (Hrsg.): Recht zwischen Umbruch und Bewahrung. Festschrift für Rudolf Bernhardt (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 120). Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1995, S. 1043 f., Kap. I.1 („Verfassungsimmanente Begrenzung des räumlichen Geltungsbereichs“).
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