Dernburg war ein Sohn des Publizisten und nationalliberalen Politikers Friedrich Dernburg (1833–1911), der aus einer jüdischen Gelehrtenfamilie stammte, als Kind zur evangelisch-lutherischen Konfession konvertiert war und 1864 die Pastorentochter Luise Stahl geheiratet hatte. Der Architekt Hermann Dernburg war sein jüngerer Bruder, der Rechtsprofessor Heinrich Dernburg sein Onkel.
Er erwarb sich früh einen Ruf als Sanierer von in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmen. Die Berliner Geschäftswelt gab ihm den Beinamen „Sanitätsrat“.[1] So gründete er 1901 zusammen mit Hugo Stinnes aus mehreren unprofitablen Unternehmen die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG (DL), die später zu einem der größten deutschen Montankonzerne wurde. Dernburg hatte zahlreiche Aufsichtsratsmandate in der Schwerindustrie inne, so bei der DL und der Phönix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb. Dernburg war 1902 auch federführend an der Umwandlung des Kölner Schokoladenunternehmens Gebr. Stollwerck OHG in eine Familien-Aktiengesellschaft (Gebrüder Stollwerck AG) beteiligt. Wegen seiner Erfahrungen, die er in USA mit Vorzugsaktien gesammelt hatte, wurden auch bei Stollwerck diese Aktien eingeführt. Dernburg übernahm mit seiner Darmstädter Bank die Rolle des Konsortialführers bei der Umwandlung und erhielt ein Aufsichtsratmandat bei der Gebr. Stollwerck AG.
Mit Dernburgs Namen ist ein grundlegender Reformkurs in der deutschen Kolonialpolitik verbunden.[2] Nach den Worten Dernburgs sollte nunmehr mit „Erhaltungsmitteln“ anstelle von „Zerstörungsmitteln“ kolonisiert werden. Nicht mehr alkohol- und waffenhandelnde Kompanien sollten die Kolonialwirtschaft prägen, sondern der Missionar, der Arzt, die Eisenbahn und die Wissenschaft. Der „Eingeborene“ sei der wichtigste „Gegenstand“ der Kolonisation und die manuelle Leistung des „Eingeborenen“ das wichtigste Aktivum.[3] Das Ziel dieser überseeischen Wirtschaftsförderung blieb gleichwohl die größtmögliche Ausschöpfung der dortigen Arbeitskräfte durch die Kolonialisten.[4]
Dernburg betrieb zahlreiche Disziplinarverfahren, zog mächtige und berüchtigte Kolonialbeamte wie Gouverneur Jesko von Puttkamer zur Rechenschaft und entließ für den Neustart ältere Beamte.[5] Als erster hoher Kolonialbeamter dieses Ranges sah er sich die Probleme in den Kolonien auch „vor Ort“ an. Er war 1907 in Deutsch-Ostafrika und reiste 1908 ins britische Südafrika sowie nach Deutsch-Südwestafrika. Als Reaktion auf Kritik an der Privilegierung großer Kapitalgesellschaften trat er 1910 als Staatssekretär zurück.[6][7] 1913 wurde er zum Mitglied des preußischen Herrenhauses ernannt.
Der 1907 von Mercedes-Benz für die Verwendung in der Kolonie Südwestafrika entwickelte allradangetriebeneDernburg-Wagen wurde nach Dernburg benannt.
Bernhard Dernburg heiratete 1891 Emma Seliger, die Tochter eines pommerschen Gutsverwalters. Sie bekamen drei Söhne und vier Töchter, von denen eine den Psychologen August Vetter heiratete. Die Fernsehjournalistin Fides Krause-Brewer war eine Enkelin. Dernburg wurde auf dem Friedhof Grunewald bestattet (Abt. IV Erb. 17). Die Wandgrabstelle wurde nach einem Entwurf seines Schwagers Max Seliger ausgeführt.
Veröffentlichungen
Im folgenden Absatz fehlen noch folgende wichtige Informationen:
Werner Schiefel: Bernhard Dernburg 1865–1937. Kolonialpolitiker und Bankier im wilhelminischen Deutschland (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Band 11), Atlantis, Zürich / Freiburg im Breisgau 1974, ISBN 3-7611-0445-6 (zugleich: Dissertation, Philosophische Fakultät, Universität Münster, 1972).
Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.
↑Frank Bösch: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914. Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58857-6, S. 303 f.
↑Hermann A. L. Degener: Wer ist's?, VI. Ausgabe, Leipzig 1912, S. 294.
↑Imanuel Geiss: Geschichte griffbereit. Band 2: Personen. Die biographische Dimension der Weltgeschichte. (=rororo-Handbuch 6236), 2. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 978-3-611-00317-2, S. 245.