Anschließend hielt Helfferich als Privatdozent Vorlesungen, 1902 wurde er zum Professor ernannt. Ein Jahr später veröffentlichte er sein wirtschaftswissenschaftliches Hauptwerk „Das Geld“. Ab 1901 war er als Referent für wirtschaftliche Angelegenheiten in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes tätig, ab 1904 trug er die Amtsbezeichnung Legationsrat, im Jahr darauf wurde er zum Vortragenden Rat befördert. In dieser Funktion leitete er insbesondere die Einführung neuer Währungen in den afrikanischen Kolonien des Kaiserreichs. Er schied 1906 aus dem Staatsdienst aus und wurde Direktor der Anatolischen Eisenbahn in Konstantinopel, deren Hauptaktionärin die Deutsche Bank war und die auch am Bau der Bagdadbahn beteiligt war. Helfferich wurde 1908 ins Direktorium der Deutschen Bank, zwei Jahre später in den Zentralausschuss der Reichsbank berufen.
Erster Weltkrieg
Im Januar 1915 wurde er Staatssekretär im Reichsschatzamt (entspricht einem Finanzminister) in der Regierung des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg. Er verantwortete die Kriegsfinanzierung des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg durch Anleihen, die den Staat hoch verschuldeten und somit voll auf eine Refinanzierung durch die Verlierer des Kriegs zugeschnitten war. Das führte zu als katastrophal empfundenen inflationären Folgewirkungen (siehe auch Deutsche Inflation 1914 bis 1923). Durch die Niederlage verloren viele Deutsche ihr Vermögen.
Vom 22. Mai 1916 bis 23. Oktober 1917 war Helfferich Staatssekretär des Reichsamtes des Innern und Vizekanzler (bis zum 9. November 1917). Nachdem Helfferich eine Besteuerung der Kriegsgewinne zunächst hinausgezögert hatte, regelte er sie schließlich so, dass sie nicht ernsthaft belastet wurden. Zunächst wie Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg engagierter Gegner des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs, gehörte er seit der Jahreswende 1916/17 – im Unterschied zu seinem Intimfeind Walther Rathenau – zu dessen aktivsten Befürwortern.
Helfferich erklärte auf der Sitzung des preußischen Ministerrates vom 24. Oktober 1916, dass das geplante Polenmanifest der Mittelmächte vorläufig nur die Bildung eines „autonomen“ Polens, in Anlehnung an die Mittelmächte, in Aussicht stelle. Deutschland müsse in Kongresspolen einen „Rahmen ohne Bild“ schaffen, manche nahmen jedoch schon an dem „Rahmen“ Anstoß.[2]
In der Anfangsphase des Kriegs unterstützte Helfferich zudem die Forderungen der SPD nach einer Reform des preußischenDreiklassenwahlrechts. Später wechselte er ins rechte Lager und musste deshalb Ende 1917 auf Druck der linken Reichstagsmehrheit von seinen Ämtern zurücktreten. Unter der dritten Obersten Heeresleitung (OHL) war er ab 1916 maßgeblich an der Ausarbeitung des Hilfsdienstgesetzes und Förderung des Hindenburg-Programms sowie an der Ausarbeitung der Friedensverträge von Brest-Litowsk und von Bukarest (1918) beteiligt. Die Verhältnisse im Osten nach dem Vertrag waren für ihn nur ein „unfertiger Übergangszustand“.[3]
Helfferich wurde nach der Ermordung des deutschen Botschafters in SowjetrusslandWilhelm von Mirbach-Harff († 6. Juli 1918 in Moskau) als dessen Nachfolger nach Moskau entsandt, brach seine dortige Tätigkeit aber bereits nach zehn Tagen ab.
Weimarer Republik
Helfferich war auch ein früher Förderer des „nationalen Sozialisten“ Eduard Stadtler und half bei der Gründungsfinanzierung von dessen Antibolschewistischer Liga am 1. Dezember 1918, indem er, da er selbst nicht öffentlich in Erscheinung treten wollte, eine Barspende in Höhe von 5000 Mark von Paul Mankiewitz, dem Direktor der Deutschen Bank, arrangierte.[4] Dies war die Keimzelle des 500 Millionen Mark schweren Antibolschewistenfonds, der von der deutschen Wirtschaft am 10. Januar 1919 in Berlin gegründet wurde. Aus diesem Fonds flossen Gelder in propagandistische antibolschewistische, später nationalsozialistische Projekte, aber auch an gewalttätige Gruppen wie Freikorps, aktive Truppen etc., mit denen die sozialistische Bewegung nach der Novemberrevolution niedergeschlagen werden sollte.[5] Eduard Stadtler, der Gründer und Leiter der Antibolschewistischen Liga, veranlasste nach eigener Aussage beispielsweise am 12. Januar 1919 die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und brach Tage zuvor „Noskes Zaudern“, Militär in Berlin einzusetzen.[6]
Im Jahr 1920 heiratete Helfferich die früh verwitwete Annette von Müffling (1886–1965), Tochter des Deutsche-Bank-Gründers Georg von Siemens. Im Juni 1920 in den Reichstag gewählt und als Wortführer an die Spitze der rechten Opposition aufgerückt, verteidigte er 1920/21 im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss seine Politik während des Krieges. Zu einem Eklat kam es, als er sich weigerte, Fragen des USPD-Abgeordneten Oskar Cohn zu beantworten und dies mit dessen Judentum begründete. Durch seine Tiraden gegen den Abschluss des Vertrages von Rapallo, besonders durch seine Schmährede gegen Walther Rathenau am 23. Juni 1922,[10] kann er als indirekt mitverantwortlich für dessen Ermordung tags darauf bezeichnet werden. Im Reichstag kam es auf die Nachricht von der Ermordung Rathenaus zu tumultartigen Szenen: Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete prügelten Deutschnationale aus dem Saal, Helfferich wurde als Mörder beschimpft.[11] Reichskanzler Wirth zeigte auf Helfferich, als er sein vielzitiertes „Der Feind steht rechts!“ ausrief.[12]
Nach ihm wurde die Karl-Helfferich-Straße in Neustadt an der Weinstraße benannt; der Name ist jedoch in jüngerer Zeit in die Kritik geraten und soll von einer Fachkommission überprüft werden.[13] In Mainz-Kastel gab es einen Karl-Helfferich-Platz, der aber in den 1990er Jahren in Rathenauplatz umbenannt wurde.[14] In Königsberg in Ostpreußen wurde die Ludwig-Frank-Straße 1933 in Helfferichstraße umbenannt.[15] Von 1934 bis 1958 war die heutige Bernadottestraße in Berlin (in den Ortsteilen Grunewald, Schmargendorf und Dahlem) nach ihm benannt.
Schriften
Die Folgen des deutsch-österreichischen Münz-Vereins von 1857. Ein Beitrag zur Geld- und Währungs-Theorie. 1894 (urn:nbn:de:s2w-974).
Bimetallistische Kampfesart. Eine Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Otto Arendt, Mitglied des preussischen Abgeordnetenhauses. 1895 (visuallibrary.net).
Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Gründung des Reiches. 1898 (urn:nbn:de:s2w-6465).
Reinhold Zilch: Grundzüge der finanziellen Besatzungspolitik des deutschen Imperialismus im ersten Weltkrieg. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. 1980 I, S. 63–78. Die Memoranden Karl Helfferichs vom 28. und 29. August 1914 über die finanzielle Unterdrückung und Ausplünderung Belgiens (Dokumentation). In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. 1980 VI, S. 193–212.
Norman Domeier: Der Sensationsprozess Erzberger-Helfferich. Die Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen in der Weimarer Republik. In: Boris Barth, Christopher Dowe (Hrsg.): Matthias Erzberger. Ein Demokrat in Zeiten des Hasses. Braun, Karlsruhe/Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7650-8436-2, S. 158–183.
↑André Scherer, Jacques Grunewald: L’Allemagne et les problèmes de la paix pendant la première guerre mondiale. Documents extraits des archives de l’Office allemand des Affaires étrangères. 4 Bände (deutsche Originaldokumente). Paris 1962/1978, ISBN 2-85944-010-0, Band 1, S. 525 ff. (Nr. 2351). Wolfdieter Bihl (Hrsg.): Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-08570-1, S. 222 ff. (Dok. Nr. 107).
↑Werner Hahlweg: Der Diktatfrieden von Brest-Litowsk 1918 und die Bolschewistische Weltrevolution. Münster 1960, S. 8 f.
↑Eduard Stadtler: Erinnerungen. Als Antibolschewist 1918–1919. Neuer Zeitverlag, Düsseldorf 1935, S. 12–13.
↑Eduard Stadtler: Erinnerungen. Als Antibolschewist 1918–1919. S. 46–49.
↑Eduard Stadtler: Erinnerungen. Als Antibolschewist 1918–1919. S. 52.
↑Fritz Fischer: Weltpolitik, Weltmachtstreben und deutsche Kriegsziele. In: Historische Zeitschrift. 199 (1964), S. 265–346, hier S. 271 f. Reinhard Richter: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. Lit, Münster 2000, ISBN 3-8258-4991-0, S. 69.
↑Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14302-0, S. 92.
↑Walter F. Peterson: Helfferich, Karl. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik. C. H. Beck Verlag, München 1988, S. 135.