Alexander von Falkenhausen war das zweite von sieben Kindern von Alexander Freiherr von Falkenhausen (1844–1909) und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Freiin Schuler von Senden (1853–1936). Sein jüngster Bruder war der spätere SA-Führer Hans-Joachim von Falkenhausen (1897–1934).[1]
Nachdem Japan am 23. August 1914 dem Deutschen Kaiserreich den Krieg erklärt hatte, wurde die Botschaft in Tokio geschlossen. Falkenhausen wurde daraufhin von seinem Posten abberufen und kehrte nach Deutschland zurück. Hier wurde er kurzzeitig im Stab der 89. Reserve-Infanterie-Brigade verwendet und am 26. November 1914 als Generalstabsoffizier zur 31. Infanterie-Division unter Generalleutnant Albert von Berrer versetzt. Zunächst kämpfte er an der Somme (Westfront), kam dann im Januar 1915 mit seinem Großverband nach Ostpreußen und nahm hier im Februar an der Winterschlacht in Masuren teil. Nachdem Falkenhausen am 22. März 1915 Major geworden war, wurde er an der Ostfront bei den Schlachten am Njemen und bei Wilna verwendet. Am 14. November 1915 kehrte er mit der Versetzung als Generalstabsoffizier der 5. Armee an die Westfront zurück. Hier koordinierte er den Nachschub für die Schlacht um Verdun.
Am 9. Mai 1916 wurde Falkenhausen zur Deutschen Militärmission in die Türkei abkommandiert und dort am 29. Mai zum Chef des Generalstabs der Etappen-Inspektion der 2. Osmanischen Armee ernannt. Hier lernte er auch seinen späteren Freund Franz von Papen (1879–1968) kennen. Am Neujahrstag 1917 wurde er als osmanischerOberstleutnant zum Inspekteur dieser Inspektion ernannt. Mit der Bildung der Heeresgruppe Kaukasus, die die 1. und 2. Osmanische Armee umfasste, wurde Falkenhausen am 26. März 1917 zum Chef des Generalstabs unter Marschall Ahmed İzzet Pascha ernannt. Von diesem Posten wurde er am 11. Juni 1917 mit der Ernennung zum Chef des Generalstabs der 7. Osmanischen Armee abberufen und kam an die Palästinafront. Für seine Leistungen, die zum Sieg in den beiden Jordan-Schlachten im März und Mai 1918 gegen britische Truppen beitrugen, erhielt er von Kaiser Wilhelm II. am 7. Mai 1918 die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung, den Orden Pour le Mérite. Kurz vor Kriegsende wurde er am 1. Oktober 1918 noch mit der Wahrnehmung der Geschäfte als deutscher Militärbevollmächtigter in Konstantinopel beauftragt. Er nahm diesen Aufgabenbereich nach der Kapitulation und der Novemberrevolution bis Anfang Mai 1919 wahr.
Zwischenkriegszeit
In der Weimarer Republik diente Falkenhausen in der Reichswehr in verschiedenen Funktionen. Als Beauftragter des Reichswehrministeriums war er unter anderem an den Verhandlungen mit Polen über die deutsche Ostgrenze (vermutlich auch über den Polnischen Korridor) beteiligt und löste die Marinebrigade Ehrhardt mit auf. Ab 1. Februar 1921 wurde er als Chef des Stabes des Erziehungs- und Bildungswesen des Heeres eingesetzt und wechselte ein Jahr später auf den Posten des Stabschefs der 6. Division der Reichswehr. Zum Oberst wurde er am 1. April 1924 befördert. Am 1. Februar 1925 wurde Falkenhausen Kommandeur des 10. (Sächsischen) Infanterie-Regiments und war anschließend vom 1. Februar 1927 bis 31. Januar 1930 Kommandeur der Infanterieschule in der DresdenerAlbertstadt.[2] Dort war er bereits Generalleutnant. Am 31. Januar 1930 wurde er wegen vermeintlicher nationalsozialistischer Vorgänge in der Reichswehr, mit denen er jedoch nichts zu tun hatte, entlassen. Nach dem vorläufigen Ende seiner militärischen Karriere wurde Falkenhausen Mitglied der DNVP.[3] Außerdem trat er dem Stahlhelm bei und bemühte sich vergeblich gegen dessen spätere Eingliederung in die SA.
Im März 1934 wurde Falkenhausen der Charakter als General der Infanterie verliehen. Er ging im Folgemonat als MilitärberaterChiang Kai-sheks nach China, wo er Nachfolger des ihm aus der Zeit in türkischen Diensten bekannten und befreundeten Hans von Seeckt wurde. Falkenhausen unterstützte Chiang Kai-shek beim Aufbau der nationalchinesischen Armee. Als Chef der deutschen Militärmission arbeitete er für die Modernisierung der chinesischen Armee und führte im September 1937 in der Zweiten Schlacht um Shanghai die ihm unterstellten Truppen in Luodian gegen die Japaner.[4][5] Die deutsche Politik in Fernost schwankte damals noch zwischen einer Allianz mit China, das groß, nicht organisiert und von wechselnden Bürgerkriegen zerrissen war, oder mit Japan, dem Gegner im letzten Weltkrieg. Einflussreiche Kreise der deutschen Diplomaten hielten das Bündnis mit China für dem deutschen Interesse entsprechender, auch deswegen, weil das Land über erhebliche Rohstoffreserven verfügte, die für die deutsche Industrie von Interesse waren. Doch setzte sich schließlich Joachim von Ribbentrops Fraktion durch, die auch die ideologische Nähe zu Japan suchte. So wurden die deutsche Militärmission unter Falkenhausen und die Vertreter der deutsch-chinesischen Militärhilfsgesellschaft 1938 von Joachim von Ribbentrop unter Androhung familiärer Repressalien gezwungen, ins Reich zurückzukehren.[6]
Nach seiner Rückkehr 1938 aus China – inzwischen war Deutschland gleichgeschaltet – erfuhr er die eigentlichen Hintergründe zum Tod seines Bruders Hans Joachim von Falkenhausen, der im Rahmen des Röhm-Putsches am 30. Juni 1934 ermordet worden war. Er nahm in diesem Zeitraum Kontakt mit Regimegegnern wie Franz Halder und anderen auf.
Am Tag des Attentats vom 20. Juli 1944 versuchte Falkenhausen, obwohl er einige Tage zuvor seines Kommandos enthoben worden war, den Oberbefehlshaber West, GeneralfeldmarschallGünther von Kluge, anzurufen und zu überzeugen, die Front für die alliierten Verbände in der Normandie zu öffnen und den Krieg so zu beenden. Nachdem das Attentat jedoch fehlgeschlagen war, traf die Antwort ein: „jetzt, wo das Schwein nicht tot ist, kann ich nichts machen.“ Noch am 20. Juli wurde Falkenhausen außer Dienst gestellt und seine Mobilmachungsbestimmung wegen des Verdachts der Beteiligung am Attentat aufgehoben. Am 18. Juli 1944 befahl Adolf Hitler, die Militärverwaltung an eine zivile SS-Verwaltung zu übertragen.
Am 4. Mai 1945 wurden die befreiten SS-Geiseln von US-Truppen übernommen. Falkenhausen wurde erneut interniert, diesmal als Kriegsgefangener, und saß in verschiedenen Lagern und Gefängnissen ein. Er war ein Zeuge bei den Nürnberger Prozessen.[11][12] Sein belgischer Verteidiger kritisierte: „Das Gericht ist nicht dazu da, über Deutschland oder das Dritte Reich zu urteilen, sondern über von Falkenhausen, der keinerlei moralische Verantwortung für die Schrecken des Nazi-Regimes trägt. Es ist sicher, daß er alles tat, um die Greuel des Nazi-Regimes abzuwenden, zu dem er sich politisch in Gegnerschaft befand.“[13][14]
Am 7. Februar 1951 wurde Falkenhausen, trotz seines Alters von 72 Jahren, zu zwölf Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er wurde bereits nach drei Wochen Haft freigelassen und nach Deutschland abgeschoben. Seine Frau erlebte Falkenhausens Freilassung nicht mehr, sie war bereits 1950 gestorben.[15] 1953 erhielt Falkenhausen von Chiang Kai-shek einen Scheck über 12.000 US-Dollar als Anerkennung für seine militärischen Beratungsleistungen in China. Er lebte zunächst nahe der damaligen innerdeutschen Grenze im Anwesen seines Freundes Franz von Papen nahe Grüsselbach und dann – weil man eine Entführung durch ostdeutsche Agenten befürchtete – bis zu seinem Tod in Nassau an der Lahn.
1960 heiratete er Cécile Vent (1906–1977), eine ehemalige belgische Widerstandskämpferin, die er während seiner Haftzeit 1948 kennengelernt hatte, als sie der Verwaltungskommission der Gefängnisse von Verviers angehörte.[16]
Dermot Bradley, Karl Friedrich Hildebrand, Markus Brockmann: Die Generale des Heeres 1921–1945. Die militärischen Werdegänge der Generale, sowie der Ärzte, Veterinäre, Intendanten, Richter und Ministerialbeamten im Generalsrang. Band 3: Dahlmann–Fitzlaff. Biblio-Verlag, Osnabrück 1994, ISBN 3-7648-2443-3, S. 405 ff.
Jacqueline Duhem: Les mille et une vies d’Alexander von Falkenhausen. Le baron qui a gouverné le Nord-Pas-de-Calais et la Belgique, 1940–1944. Les Lumières de Lille, Marcq-en-Baroeul 2020, ISBN 978-2-919111-64-0.
Norbert Frei (Hrsg.): Transnationale Vergangenheitspolitik. Göttingen 2006, ISBN 3-89244-940-6.
Albert De Jonghe: La lutte Himmler-Reeder pour la nomination d’un HSSPF à Bruxelles (1942–1944). In: Cahiers d’histoire de la Seconde guerre mondiale. Bruxelles 1976–1984.
Hsi-Huey Liang: The Sino-German connection: Alexander von Falkenhausen between China and Germany 1900–1941. van Gorcum, Assen 1978.
Hanns Möller: Geschichte der Ritter des Ordens pour le mérite im Weltkrieg. Band I: A–L. Verlag Bernard & Graefe, Berlin 1935, S. 294–295.
Hans Werner Neulen: Feldgrau in Jerusalem. Das Levantekorps des Kaiserlichen Deutschland. München 1991, ISBN 3-8004-1437-6.
Holger Wilken: Zwischen Kommando und Kerker. Alexander von Falkenhausen – Deutscher Militärbefehlshaber in Brüssel 1940–1944. In: IFDT – Zeitschrift für Innere Führung. Nr. 2/2003, S. 64–71.
↑Walter von Hueck: Genealogisches Handbuch des Adels. Band 95 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1989, ISBN 3-7980-0700-4, S. 109.
↑Dazu schrieb Falkenhausen später in seinem Bericht (Teil 1): „Im Juni 1938 erhielt ich durch die Botschaft die Weisung Ribbentrops, mit allen deutschen Militärberatern sofort abzureisen. Ich ließ zurückmelden, daß ich erst mit dem Marschall darüber verhandeln müsse. Wir wären keine Militärmission; jeder einzelne hätte einen persönlichen Kontrakt mit der chinesischen Regierung, den er nicht ohne weiteres brechen könne. Meine Leute hätten ihre Familien in China; ihre Rückreise müsse sichergestellt werden, ebenso eine entsprechende Lebensstellung; ich müsse auch erst mit dem Marschall [Chiang Kai-shek] verhandeln, da wir doch genauen Einblick in das chinesische Potentiel de guerre hätten, und er uns nicht ohne weiteres gehen lassen würde, da Deutschland offensichtlich auf seiten Japans stände. – Als Antwort erhielt ich durch die Botschaft ein Telegramm von Ribbentrop, das mich mit Ausbürgerung, Beschlagnahme meines Vermögens und Einsperrung meiner Geschwister bedrohte, wenn ich nicht sofort abreise. Da erkannte der Marschall, obwohl er Wert darauf legte, wenigstens mich dazubehalten – und ich war entschlossen, die chinesische Staatsbürgerschaft anzunehmen und zu bleiben – in großmütiger Weise an, daß ich es nicht auf mich nehmen könnte, meine Geschwister ins Unglück zu stürzen. Er stimmte unserer Abreise zu. Bei einem Abschiedsessen, das der Marschall uns gab, führte ich in einer Dankesansprache aus, ich sei überzeugt, daß am Ende dieses Kampfes der Sieg Chinas über Japan stehen würde. Naturgemäß brachten die Zeitungen diese meine Voraussage, die meiner innersten Überzeugung entsprach. Hatte ich doch in der jahrelangen Zusammenarbeit mit den Chinesen erlebt, welch ungeheuere, innere Wandlung in der Masse des chinesischen Volkes vor sich gegangen war, besonders auch im jüngeren Offizierskorps, Beamtentum und bei den Studenten! Mit ähnlicher Voraussage verabschiedete ich mich in Hankou vom Kriegsminister. Als ich am 7. Juli in Hongkong ankam, wurde mir vom dortigen Generalkonsul eine drohende Verwarnung von Ribbentrop übermittelt: ich hätte mich jeder Äußerung zu enthalten […] Ich kehrte mit einem Schiff des Lloyd Triestine nach Europa zurück, und wie üblich brachten die Zeitungen der Häfen, die das Schiff anlief, Bilder von mir und, da ich keine Interviews geben durfte, die Äußerung, die ich in Hankou getan hatte. Jedesmal wurde ich im nächsten Hafen erneut von Ribbentrop verwarnt, bis ich schließlich einen Konsul ersuchte, dem Auswärtigen Ministerium doch mitzuteilen, wie diese Dinge zu erklären seien, da im Amt niemand sie zu erkennen schiene. In Port Said wurde mir obendrein das Verbot übermittelt, mich in Deutschland irgendwie zu äußern. – Ich begab mich zunächst nach Berlin, um für meine stellungslos gewordenen Leute zu sorgen.“