Das Libretto von Alfred und somit auch der Text von Rule, Britannia! wurde von James Thomson und David Mallet geschrieben – man kann heute nicht mehr herausfinden, wer was genau geschrieben hat – und wurde erstmals am 1. August 1740 auf dem Landsitz des Prince of Wales Friedrich Ludwig von Hannover in Cliveden (Buckinghamshire) aufgeführt. Der Originaltitel des Lieds ist A grand ode in honour of Great Britain/ When Britain first at heav'n's command.
Zum Zeitpunkt der Uraufführung teilte sich die britische Marine die Vorherrschaft auf See noch mit Franzosen und Niederländern. Punktuell operierten außerdem Barbaresken-Korsaren, die bei ihren Piraterie-Raubzügen, auch in Hafenstädten auf den britischen Inseln, Menschen als Sklaven nach Nordafrika verschleppten, was die Textzeile Britons never will be slaves inspirierte.[1]
Nach dem Sieg über Frankreich hatte Großbritannien keine ernstzunehmenden Rivalen mehr (mit Ausnahme des Russischen Reiches in Zentralasien).[2] Die auf See uneingeschränkt dominierenden Briten übernahmen die Rolle eines „Weltpolizisten“, eine später als „Pax Britannica“ bezeichnete Staatsdoktrin.[3] Die Außenpolitik war vom Prinzip der „splendid isolation“ geprägt: Andere Mächte waren durch Konflikte in Europa gebunden, während die Briten sich heraushielten und durch die Konzentration auf den Handel ihre Vormachtstellung noch weiter ausbauten.[4] Großbritannien beeinflusste dank der führenden Position in der Weltwirtschaft auch die Innenpolitik zahlreicher nominell unabhängiger Staaten; dazu gehörten China, Argentinien und Siam, die auch „informelles Empire“ genannt werden.[5]
Später beschützte die Seeflotte Britannien vor einer Reihe von „haughty tyrants“ (hochmütigen Tyrannen) und „foreign strokes“ (ausländischen Schlägen), wie im Lied beschrieben.
Verwendung des Liedes
Rule, Britannia! wird – wie die patriotischen Stücke Land of Hope and Glory und Jerusalem – traditionell von der BBC während der Last Night of the Proms (Abschlussveranstaltung der Promenadenkonzerte) aufgeführt und gewöhnlich von einem Gaststar gesungen, darunter auch schon von Bryn Terfel, Thomas Hampson, Della Jones, Gwyneth Jones, Kiri Te Kanawa, Jonas Kaufmann und Felicity Lott. Nachdem jedoch in vergangenen Jahren das Mitsingen des Liedes und anderer patriotischer Werke und das intensive Fähnchenschwingen des Publikums wiederholt als Sehnsucht nach imperialer Größe und Vergangenheit kritisiert wurden, so auch von Leonard Slatkin, wurde es einige Jahre nur noch in gekürzter Form aufgeführt. Im Jahr 2020 sollten die beiden inoffiziellen Hymnen, „Rule, Britannia“ und „Land of Hope and Glory“, bei den Proms nur instrumental zum Besten gegeben werden, worüber sich Briten, die sich als Patrioten fühlen, empören und der BBC vorwerfen, sich politischer Korrektheit zu beugen.[6]
Durch diese Proteste und durch den neuen Direktor Tim Davie wurden sie dann aber doch gesungen.[7] 1994 wurde das Lied bei der Last Night of the Proms in der Londoner Royal Albert Hall von Bryn Terfel – dem bekannten walisischenBassbariton – gesungen, der dabei die dritte Strophe zur allgemeinen Überraschung auf Walisisch sang (siehe Weblinks). Dies tat er auch, als er das Lied 2008 erstmals wieder in der traditionellen Form aufführte.
Englische Fußballfans singen den Refrain jeweils bei Spielen der Nationalmannschaft.
In den späten 1990er Jahren bezeichnete das Wortspiel Cool Britannia ein wiederbelebtes und jugendliches Vereinigtes Königreich, das die britischen Medien durch die Wahl der New Labour-Regierung von Tony Blair entstehen sahen.
While thou shalt flourish, shalt flourish great and free,
The dread and envy of them all.
|:Chorus:|
…
Im Gegensatz zum ursprünglichen Text, bei dem im Refrain nur ein langgezogenes „never“ gesungen wird, ist es heute auch üblich, drei schnelle „never, never, never“ zu singen, auch wurde im Refrain will zu shall.[9][10] Der Refrain ist daher meist Rule, Britannia! Britannia rule the waves! / Britons never, never, never shall be slaves.
Weitere Verwendung des Liedes
Die heutzutage verwendete Melodie ist Thema eines Satzes von Variationen über das englische Volkslied „Rule Britannia“ für Klavier (D-Dur) WoO 79 von Ludwig van Beethoven. Auch sein Orchesterwerk Wellingtons Sieg oder die Schlacht von Vitoria beginnt – nach einem Trommelwirbel – mit „Rule Britannia“.
Richard Wagner bearbeitete das Thema „Rule Britannia“ in der Ouvertüre für Orchester in D-Dur (WWV 42) von 1837.
Im Film In 80 Tagen um die Welt ertönen jeweils während der Szenen auf See verschiedene Variationen von „Rule Britannia“.
Im James-Bond-Film Der Hauch des Todes hat 007 einen Schlüsselanhänger, der Betäubungsgas versprüht, wenn „Rule Britannia“ gepfiffen wird.
In dem Film Das Mädchen Irma la Douce (1963) erklingt „Rule Britannia“ immer dann, wenn Lord X auftaucht, um Irma einen nächtlichen Besuch abzustatten.
Im Film Mörder ahoi! (1964) lieferte Margaret Rutherford als Miss Marple eine Interpretation des Liedes. Ihre Original-Stimme ist auch in der deutschen Fassung auf der DVD des Films zu hören.
„When first the South, to fury fanned Arose and broke the Union's chain, There was the Charter, the Charter of the land, And Mr Davis sang this strain: Rule Slaveownia! Slaveownia rules and raves, ‚Christians ever, ever, ever shall have slaves‘.“
Gelegentlich wird der Liedtitel mit „Waive, Britannia – Britannia waives the rules“ („Ignoriere, Britannia, Britannia ignoriere die Regeln“) persifliert.
Mel Brooks verwendet die Melodie in einigen seiner Filme, wenn es eine Anspielung auf England oder Großbritannien gibt, etwa in Sein oder Nichtsein (1983), wenn die Hauptfiguren in London ankommen oder in Robin Hood – Helden in Strumpfhosen, wenn Robin Hood an der Küste Englands ankommt.
Im Animationsfilm Cars 2 von Pixar wird eine Instrumentalversion des Stückes gespielt, als Lightning McQueen und Hook den Buckingham Palace betreten, um zu Hooks Ritterschlags-Zeremonie zu gelangen, und Hook versucht, die berühmten Wachen aus der Fassung zu bringen.
Der frühere britische Wrestler David Boy Smith alias The British Bulldog verwendete das Lied in den 1990er Jahren während seiner Zeit in der US-amerikanischen World Wrestling Federation als Einzugsmusik.
Im Film Meuterei auf der Bounty von 1962 ertönt die Hymne instrumental in der Szene des Ablegens und der Rückkehr Fletcher Christians vom Schiff auf die Insel Tahiti
Im Film Basil, der große Mäusedetektiv von 1986 ertönt die Hymne instrumental in der Szene, in der die Königin der Mäuse zum ersten Mal erscheint.
In der Netflix-Serie The Crown wird Rule Britannia in der 4. Staffel gesungen aus Freude über den Sieg im Falklandkrieg.
Im Punk-Kult-Film Jubilee spielt Amyl Nitrate in der Eingangsszene zu Rule Britannia.
Die deutsche Band Scooter nutzt den Refrain im Intro bei der Tour „Thirty! Rough and Dirty“.
↑Herrsche, Britannia, aber singe nicht - Rassismus-Streit über inoffizielle Nationalhymnen bei „Last Night of the Proms“ (Jochen Buchsteiner), In: FAZ vom 26. August 2020