Philipp Gangolf Balthasar Türmer (* 1996 in Offenbach am Main[1]) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist seit dem 17. November 2023 Bundesvorsitzender der Jusos.
Türmer lebt in Offenbach am Main. Er studierte Wirtschaftswissenschaft mit Bachelorabschluss sowie Rechtswissenschaft an der Universität Frankfurt am Main und ist ebenda nach dem ersten juristischen Staatsexamen Doktorand.[2] Er engagiert sich ehrenamtlich bei der Offenbacher Tafel.[3] Er ist der Sohn Reiner Türmers, der unter Finanzminister Hans Eichel Beamter im Bundesfinanzministerium war und SPD-Mitglied ist.[4] Türmers Mutter Gabriele war zuletzt als Oberstaatsanwältin tätig und ist ebenfalls SPD-Mitglied.[5]
Politik
Türmer trat 2012 in die SPD ein.[6] Im Mai 2014 wurde er zusammen mit Yasmin Mahlow zum Co-Vorsitzenden der Jusos Offenbach gewählt.[7] In diese Zeit fällt eine Vielzahl von Positionierungen für lokalpolitische Themen, wie die Ablehnung des Baus einer Multifunktionshalle in Offenbach-Kaiserlei,[8] das Einfordern einer unabhängigen Beschwerdestelle für Polizei-Amtsdelikte,[9] und der Einsatz für besseren lokalen ÖPNV.[10] Unter seinem Co-Vorsitz galten die Jusos Offenbach als sehr aktiv und warben über eine Vielzahl von Veranstaltungen auch neue Mitglieder für Jusos und SPD an.[11]
2016 wurde Türmer als stellvertretender Vorsitzender Mitglied im südhessischen Bezirksvorstand der Jusos.[12] 2018 wurde er stellvertretender Vorsitzender der SPD Offenbach und gab seine Position als Vorsitzender der Jusos Offenbach auf.[13]
Türmer gehört seit 2017 dem Bundesvorstand der Jusos an.[14] 2023 kandidierte er für den Bundesvorsitz der Jusos. Beim Bundeskongress in Braunschweig setzte er sich am 17. November 2023 mit 54 Prozent der Delegiertenstimmen gegen Sarah Mohamed durch.[15]
Türmer ist seit der Bundestagswahl 2021 und der darauf folgenden Bildung der Ampelkoalition und des Kabinetts Scholz Kritiker der Regierungsparteien. So zeigte er sich 2021 enttäuscht über den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP und hätte sich lieber ein rot-grün-rotes Bündnis mit der Linkspartei gewünscht, was aber keine Mehrheit im Bundestag hatte.[17] Als der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil 2022 „mehr Respekt für Soldaten, Deutschlands ‚Anspruch einer Führungsmacht‘ [und] die Akzeptanz ‚militärischer Gewalt‘ als politisches Mittel“[18] forderte, gehörte Türmer zu den Kritikern und sprach von einer „grundfalschen“ Formulierung.[18] Parteivorsitzende Saskia Esken rief er 2022 auf, mehr Einfluss auf Bundeskanzler Olaf Scholz auszuüben, zugunsten von „Nachbesserungen an der Gaspreisbremse und eine weitere Einmalzahlung für Gaskunden Anfang des Jahres“.[19]
Auch beim Juso-Bundeskongress 2023, der ihn zum neuen Bundesvorsitzenden wählte, kritisierte Türmer die regierende Ampelkoalition. Er betonte, dass keine Koalition ein Selbstzweck sei, und kritisierte Bundeskanzler Scholz dafür, dass dessen Wahlversprechen, den Kampf gegen Armut anzugehen, „in dieser Bundesregierung viel zu kurz“ komme.[20] Auf dem gleichen Bundeskongress wurde auch die von Türmer maßgeblich vorangetriebene und in der Öffentlichkeit vertretene Forderung beschlossen, dass alle 18-Jährigen in Deutschland ein "Grunderbe" von 60.000 € bekommen sollten. Das Besondere dabei war, dass diese Zuwendung ausdrücklich nicht an die deutsche Staatsangehörigkeit gebunden sein, sondern nur einen Wohnsitz, also eine Meldeadresse, in Deutschland zur Voraussetzung haben sollte. Sie wäre also für alle 18-Jährigen EU-weit realisierbar gewesen, hätte aber im Prinzip weltweit gegolten. Finanziert werden hätte sie durch eine Erhöhung der Erbschaftssteuer.[21][22]
Im Vorfeld der Abstimmung zum „Sicherheitspaket“ Mitte Oktober 2024 warf Türmer Bundeskanzler Scholz die Einschüchterung von SPD-Fraktionsmitgliedern vor. Er appellierte an deren freie Entscheidung und kritisierte die suggestive Bündelung migrationspolitischer und mutmaßlich islamismusvorbeugender Maßnahmen.[23]
Türmer meint, dass große Vermögen in Deutschland fast überhaupt nicht besteuert würden und es sich dabei um ein Gerechtigkeitsproblem handele. Es gebe ein gewisses Ausmaß an Reichtum, das einer Gesellschaft schade. Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit sei die zentrale Gerechtigkeitsfrage dieser Zeit, vielleicht sogar dieses Jahrhunderts.[24]
Literatur
Philipp TürmerInternationales Biographisches Archiv – Personen aktuell 15/2024 vom 9. April 2024, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
↑Duo führt die Jusos: Organisation kehrt zur Doppelspitze zurück. In: Frankfurter Rundschau. Nr.112, 15. Mai 2014, ISSN0940-6980, S.R6 (Meldung, die unter dem Redaktionskürzel „ann“ veröffentlicht wurde.).
↑Jusos wollen Anlaufstelle: Hilfe bei Polizeivergehen. In: Frankfurter Rundschau. Nr.289, 12. Dezember 2014, ISSN0940-6980, S.R6 (Meldung, die unter dem Redaktionskürzel „ams“ veröffentlicht wurde.).
↑Jusos möchten, dass die Busse öfter fahren: Das Land soll unabhängig vom Schutzschirm mehr Geld für den Nahverkehr geben. In: Frankfurter Rundschau. Nr.100, 30. April 2015, ISSN0940-6980, S.R5 (Meldung, die unter dem Redaktionskürzel „mre“ veröffentlicht wurde.).
↑Silvia Bielert: Richtig Lust auf Politik: Die Jusos Offenbach sind sehr aktiv / Sie möchten in der SPD mehr bestimmen. In: Frankfurter Rundschau. Nr.24, 29. Januar 2015, ISSN0940-6980, S.R6.
↑Wieder ein Offenbacher im Juso-Bezirksvorstand. In: Frankfurter Rundschau. Nr.141, 20. Juni 2016, ISSN0940-6980, S.R8 (Meldung, die unter dem Redaktionskürzel „ags“ veröffentlicht wurde.).
↑Grünewald neuer SPD-Chef. In: Frankfurter Rundschau. Nr.60, 12. März 2018, ISSN0940-6980, S.F9 (Meldung, die unter dem Redaktionskürzel „som“ veröffentlicht wurde.).
↑Julius Betschka: 60.000 Euro für jeden 18-Jährigen. Jusos beschließen Forderung nach Grunderbe für alle. In: tagesspiegel.de. Abgerufen am 12. November 2024.