Leifers ist die nach Einwohnern viertgrößte und seit ihrer Erhebung 1985 jüngste der acht Städte Südtirols. Zudem ist sie nach Bozen die Gemeinde mit dem größten Anteil an Einwohnern mit italienischer Muttersprache.
Blick über Leifers (im Vordergrund) nach Norden Richtung Bozen; ganz rechts am Bildrand sind einige Höfe der Bergfraktion Seit erkennbar
Das 24,25 km² große Stadtgemeindegebiet von Leifers erstreckt sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Bozen im Unterland, einem Abschnitt des Etschtals im Süden Südtirols. Das auf dem Schwemmkegel des Brantenbachs gewachsene Stadtzentrum Leifers (230–290 m s.l.m.), die im 20. Jahrhundert entstandene Wohnsiedlung Steinmannwald (230–310 m) und das direkt an der Stadtgrenze zu Bozen im Norden gelegene St. Jakob (240 m) bilden eine Siedlungskette auf der orografisch linken (östlichen) Talseite. Die flachen Talgründe, die intensiv landwirtschaftlich genutzt sind, werden u. a. vom Leiferer Graben und Landgraben entwässert. Im Westen, wo das Gemeindegebiet stellenweise die Etsch und den Mündungsbereich des Eisack erreicht, grenzt Leifers an Pfatten, im Süden an Branzoll. Im Osten erhebt sich das zu den Fleimstaler Alpen gezählte Regglberger Plateau, das von Leifers aus durch das tief eingeschnittene Brantental gegliedert wird und die Gemeindegrenze zu Deutschnofen trägt. Dort finden auf mittelgebirgigen Hängen hoch über der Talsohle die verstreuten Höfe des historischen Viertels Breitenberg (550–850 m) und der FraktionSeit (620–1090 m) Platz.
Geschichte
Der Schwemmkegel in Leifers war bereits in der Eisenzeit besiedelt. Bei Bauarbeiten konnten ab den 1980er Jahren die Spuren mehrerer kleinere Siedlungen freigelegt werden, die der Fritzens-Sanzeno-Kultur, deren Angehörige in griechischen und römischen Quellen als Räter bezeichnet werden, aus der Latènezeit zugeordnet wurden. Die ältesten menschlichen Spuren in Leifers gehen sogar bis auf die Mittelsteinzeit zurück.[2] Die Siedlung bestand bis in die Römerzeit.[3] Bei den Grabungen wurden mit Hilfe von Trockenmauern errichtete Terrassen entdeckt, die darauf schließen lassen, dass hier Wein angebaut wurde.[4] Das ebenfalls in der Eisenzeit genutzte Gräberfeld in der Nachbargemeinde Pfatten liegt in Luftlinie sechs Kilometer entfernt.
Auf dem „Peterköfele“ genannten Hügel hinter dem heutigen Stadtzentrum entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Burg Liechtenstein. Die abgesehen von der Kapelle St. Peter heute nur noch in spärlichen Mauerresten erhaltene Anlage wurde wohl bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert aufgelassen.[5] Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort Leifers im Jahr 1237 („Leiuers“).[6] 1288 ist im Tiroler landesfürstlichen Urbar Graf Meinhards II. von Tirol-Görz „in Leiuers“ der „hof bi der Aiche“ verzeichnet.[7] Ab 1333 ist der Herkunftsname „Leiferser“ auch in Bozen bezeugt.[8] Nach der Bozner Landgerichtsordnung von 1487 war Leifers eines der zahlreichen Viertel des Landgerichts Gries-Bozen, dem als Hauptleute die beiden Leiferer Hans Stadler und Ulrich Lochmann vorstanden.[9]
Zu einer Gemeinde wurde Leifers formell im Jahr 1819, stand jedoch weiterhin unter der Aufsicht des Magistratsbezirks Bozen.[10] Erst durch dessen Aufteilung 1849 wurde Leifers (gleichzeitig mit den Gemeinden Gries und Zwölfmalgreien) zu einer Landgemeinde mit relevanten Selbstverwaltungsbefugnissen.
Aufgrund der Nähe zur Stadt Bozen und den günstigeren Wohnangeboten in Leifers zogen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tausende Einwohner hierher; das rasche Bevölkerungswachstum führte 1985 zur Erhebung von Leifers zur jüngsten Stadt Südtirols.[11] Die rasche Entwicklung vom landwirtschaftlich geprägten Dorf zur Satellitenstadt machte erhebliche Investitionen in die Infrastruktur nötig.
Ortsname
Das Toponym Leifers kann auf lateinischclivaria‚Abhänge, Ort in Hanglage‘ zurückgeführt werden und geht vermutlich auf die rätische und römerzeitliche Besiedlung des Ortes zurück.[12]
Demographie
Einwohnerentwicklung
Die heutige Einwohnerschaft der Stadt kann der Sprache und Herkunft nach in fünf Hauptgruppen unterteilt werden:
traditionelle deutschsprachige Gruppe
traditionelle italienischsprachige Gruppe (historische italienischsprachige Minderheit im Südtiroler Unterland, welche vor allem im 19. Jahrhundert aus Welschtirol einwanderte)
in den letzten Jahrzehnten zugewanderte deutschsprachige Gruppe (vor allem aus dem restlichen Südtirol)
in den letzten Jahrzehnten (über Bozen) zugewanderte italienischsprachige Gruppe, die zahlenmäßig die bedeutendste ist
Migranten bzw. Neubürger aus europäischen und außereuropäischen Ländern
Jahr
Einwohnerzahl
1890
01848
1900
02513
1910
03040
1921
03192
1931
04363
1951
06208
1961
08403
1971
10154
1981
12577
1991
13707
2001
15095
2011
16933
Sprachgruppen
Leifers ist gemäß den seit 1981 erhobenen Sprachgruppenzugehörigkeitserklärungen bzw. Sprachgruppenzuordnungserklärungen heute eine mehrheitlich italienischsprachige Gemeinde, wobei als Berechnungsgrundlage dieser Prozentwerte allein die gültigen Erklärungen von Personen mit italienischer Staatsbürgerschaft herangezogen wurden.
Verteilung der Einwohner auf die Fraktionen zum 31. Dezember 2019[17]
Leifers
St. Jakob
Steinmannwald
Seit
Gesamt
11776
3669
2568
87
18100
Bildung
Die deutschsprachigen Bildungsangebote umfassen auf dem Gemeindegebiet die zwei Grundschulen im Hauptort Leifers und in St. Jakob, sowie die Mittelschule in Leifers. Diese werden von einem Schulsprengel verwaltet, dem auch die zwei Grundschulen der Nachbargemeinden Branzoll und Pfatten angeschlossen sind.[18]
Für die italienische Sprachgruppe gibt es drei Grundschulen im Hauptort Leifers, in Steinmannwald und in St. Jakob, sowie die Mittelschule im Hauptort. Diese sind in einem Schulsprengel zusammengeschlossen, dem auch die Grundschule der Nachbargemeinde Pfatten angehört.
Für den Kraftverkehr ist Leifers in erster Linie durch die SS 12 erschlossen, die das Gemeindegebiet durchquert. Die ursprünglich die Ortszentren der Leiferer Siedlungskerne durchquerende bzw. berührende Straße wurde zwischen 2001 und 2014 in einem Umfahrungsprojekt neu trassiert: 2001–2005 wurde der um St. Jakob herumführende Tunnel verwirklicht, 2007–2009 der Abschnitt bei Steinmannwald talwärts verlegt und 2008–2014 erfolgte der Bau des 2900 Meter langen Umfahrungstunnels für das Leiferer Stadtzentrum.
Die zur Gemeinde gehörenden Flächen an der Etsch erreichen stellenweise die A22, deren nächstgelegene Ein- und Ausfahrt sich in Bozen befindet. Die Brennerbahn verläuft bei Leifers mitten durch die Talsohle und bietet am Bahnhof Leifers eine Zugangsstelle. Der Flughafen Bozen liegt teilweise auf Leiferer Gemeindegebiet. Zudem führt die Radroute 1 „Brenner–Salurn“ an Leifers vorbei.
Leifers war bis 1948 durch die Straßenbahn Bozen an die Landeshauptstadt angebunden.
St. Jakob in der Au, spätromanisch-gotischer Kirchenbau und alte Pfarrkirche von St. Jakob
Neue Pfarrkirche Leifers: Ein besonderes Wahrzeichen der Stadt Leifers ist der im Jahr 2004 nach Entwurf der Meraner Architekten Höller & Klotzner errichtete Zubau zur alten Kirche.[20] Die alte Kirche wurde aber nicht abgerissen, sondern an der Nordwand an drei Stellen (wo sich früher zwei Beichtstühle und der Seiteneingang befanden) geöffnet. Das neue Kirchenschiff wurde im 90-Grad-Winkel angebaut. Der Kirchturm stammt aus dem Jahr 1250, die Kirche wird 1386 in einer Urkunde erstmals schriftlich erwähnt. Seit 1787 steht in der Leiferer Pfarrkirche das Weißensteiner Gnadenbild, eine 16 cm hohe Pietà aus Alabaster.
Kapelle St. Peter am Köfele: Die in ihren Ursprüngen hochmittelalterliche Kapelle auf dem „Peterköfele“ hoch über Leifers war einst Teil der weitgehend abgegangenen Burg Liechtenstein. Burg und Kapelle lagen an der alten Wegeverbindung auf den östlich vorgelagerten Bergrücken des Regglbergs (ehemaliges Gericht Deutschnofen). Die historischen Kirchenrechnungen von St. Peter aus den Jahren 1542–1818 werden vom Stadtarchiv Bozen unter der Signatur Hss. 940–1002 verwahrt.[21]
Ansicht von Leifers und Steinmannwald
Der Brantenbach
Wahrzeichen von Leifers, die Kapelle St. Peter am Köfele
↑Alberto Alberti, Lorenzo Dal Ri: Archäologie des Gemeindegebiets von Leifers. In: Georg Tengler (Red.): Vom Dorf zur Stadt Leifers: Anfänge – Entwicklung – Chancen. Leifers 1998, S. 48.
↑Franco Marzatico: La seconda età del ferro. In: Michele Lanzinger, Franco Marzatico, Annaluisa Pedrotti (Hrsg.): Storia del Trentino. Band 1: La preistoria e la protostoria. il Mulino, Bologna 2000, ISBN 88-15-08369-3, S. 501.
↑Stefan Demetz: Liechtenstein. In: Magdalena Hörmann-Weingartner (Hrsg.): Tiroler Burgenbuch. Band 10: Überetsch und Südtiroler Unterland. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 2011. ISBN 978-88-8266-780-1, S. 317–321.
↑Oswald Zingerle: Meinhards II. Urbare der Grafschaft Tirol (Fontes rerum Austriacarum II/45). Wien: F. Tempsky 1890, XIX, 168.
↑Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band1. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2005, ISBN 88-901870-0-X, S.261, Nr. 487.
↑
Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band2. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2008, ISBN 978-88-901870-1-8, S.191–192, Nr. 1230.
↑Beda Weber: Die Stadt Bozen und ihre Umgebungen, Bozen 1849, Eberle, S. 326.
↑Andreas Hempel: Architektur in Südtirol. München: Callwey Verlag 2008.
↑Hannes Obermair: Multiple Vergangenheiten – Sammeln für die Stadt? Das Bozener Stadtarchiv 3.0. In: Philipp Tolloi (Hrsg.): Archive in Südtirol: Geschichte und Perspektiven / Archivi in Provincia di Bolzano: storia e prospettive (= Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs. Band45). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2018, ISBN 978-3-7030-0992-1, S.211–224, Bezug S. 214.