Die Chemins de fer de la Suisse Occidentale (SO oder S-O), kurz Suisse-Occidentale, übersetzt Westschweizerische Bahnen, waren zunächst eine Betriebsgemeinschaft dreier Schweizer Bahnunternehmen, die am 1. Januar 1872 durch Zusammenschluss der beteiligten Bahnen zur gleichnamigen Bahngesellschaft wurde. Seit dem 28. Juni 1881 nannte sich das Unternehmen Chemins de fer de la Suisse Occidentale et du Simplon (SOS oder SO-S)[1] oder kurz Suisse-Occidentale–Simplon. Am 1. Januar 1890 fusionierten die SOS mit der Jura-Bern-Luzern (JBL) zur Jura-Simplon-Bahn (JS).
Die Verbindung von der Romandie in die Deutschschweiz lag in den frühen 1860er-Jahren in den Händen der drei Bahnunternehmungen Ouest Suisse[2] (SO), Franco-Suisse (FS) und der OronbahnLausanne–Freiburg–Bern (LFB). Die eine der Linien führte von Lausanne dem Jurasüdfuss entlang nach Biel und weiter nach Herzogenbuchsee, wo sie mit der Konkurrenzlinie über Freiburg und Bern zusammentraf. Die Ouest Suisse und die Franco-Suisse waren somit Gegner der Oronbahn, welche ihrerseits die Anfangsstrecke Genf–Versoix besaß. Zu dieser hemmenden Konkurrenzsituation kamen finanzielle Schwierigkeiten, die von Überschreitungen der Kostenvoranschläge bei der Bauausführung herrührten.
Nach langen und schwierigen Verhandlungen bildeten die drei Bahngesellschaften auf den 1. Januar 1865 eine Betriebsgemeinschaft mit dem Namen Association des chemins de fer de la Suisse Occidentale[3]. Jede Bahnunternehmung stellte ihre Bahnanlagen und ihr Rollmaterial zur Verfügung. Die Einnahmen wurden in einem zum voraus bestimmten Verhältnis verteilt. Die Betriebsgemeinschaft wurde von einem dreiköpfigen Betriebskomitee – wobei jede Unternehmung einen Vertreter entsendete – und einem Aufsichtsrat verwaltet. Drei Mitglieder des Aufsichtsrats wurden von der Ouest Suisse und je zwei von der Franco-Suisse sowie vom Kanton Freiburg gewählte. Der Betrieb wurde zum Preis von 8000 Franken pro Kilometer und Jahr der Firma Laurent-Bergeron et Comp. übertragen. Die finanzielle Lage der drei Westschweizer Bahnen stabilisierte sich und ab 1868 konnte die Betriebsgemeinschaft alljährlich eine allerdings sehr bescheidene Dividende ausrichten. Finanz- und Bauangelegenheiten blieben Sache der einzelnen Bahnunternehmungen.
Besitzerverhältnisse im Streckennetz der Association des chemins de fer de la Suisse Occidentale
Die folgende Karte zeigt die Besitzverhältnisse im Streckennetz der Betriebsgemeinschaft der Westschweizerischen Bahnen Ende 1871 vor deren Fusion zur Suisse-Occidentale:
Bahnunternehmung Suisse-Occidentale
1871 beabsichtigten die drei Bahnen, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren. Der Betrieb sollte nicht mehr an eine Firma verpachtet, sondern direkt geführt werden. Auf Druck der Kantonsregierungen, vor allem der Waadt, kam es per 1. Januar 1872 zur vollständigen Fusion der drei Westschweizer Bahnen. Die neue Bahnunternehmung Suisse-Occidentale (SO) mit einer Eigentumslänge von 315 Kilometern wurde zur Bahngesellschaft mit dem größten Streckennetz der Schweiz. Die Kantone nutzten ihren Einfluss, um den Suisse-Occidentale die Erstellung der BroyetalbahnPalezieux–Payerne–Fräschels[4] (longitudinale) und Freiburg–Payerne–Yverdon (transversale) zu überbinden. Diese Linien hätten ursprünglich den Abschluss der Schweizerischen Nationalbahn (SNB) in der Westschweiz bilden sollen.
Die Aktien der fusionierten Bahngesellschaften wurden gegen solche der Suisse-Occidentale umgetauscht, wobei je nach Aktienkurs Zuzahlungen in Form von Obligationen im Gesamtbetrag von 14 Millionen Franken erfolgten. Das Kapital der Suisse-Occidentale setzte sich nach dem Abschluss dieser Finanztransaktion Ende 1876 aus 85 Millionen Franken Aktien und 102 Millionen Franken Obligationen zusammen. Die Central- und die Nordostbahn versuchten zusammen mit einer Bankgruppe erfolglos, die für den Ausbau des Netzes der Suisse-Occidentale erforderlichen Geldmittel zu beschaffen und eine Betriebsgemeinschaft zwischen den drei Bahnen zu bilden. Die Finanzierung erfolgte durch die «Societe Suisse pour l'industrie des chemins de fer»[5], was die SO zu einer Neuorganisation der Verwaltung zwang. Deren Direktorium von vier Mitgliedern wurde 1875 durch einen einzigen Direktor ersetzt.
1872 erwarben die Suisse-Occidentale eine maßgebliche Beteiligung an der Jougne-Eclépens-Bahn (JE), die einen direkten Anschluss an das Netz der Paris–Lyon–Mittelmeer-Bahn (PLM) hatte. Die SO wollten so eine Übernahme der dauernd mit Finanzproblemen kämpfenden JE durch die Konkurrenz verhindern. 1876 ging die Jougne-Eclépens-Bahn Konkurs und wurde vollständig von den Suisse-Occidentale übernommen.
Am 7. Juli 1876 waren nach einem Zusammenstoß in Palézieux vier Tote und drei Verletzte zu beklagen.[6]
Suisse-Occidentale–Simplon
Die Suisse-Occidentale–Simplon (SOS) entstanden am 26. Juni 1881 aus dem Kauf der Ligne du Simplon (S) zum Preis von rund 13,2 Millionen Franken durch die Suisse-Occidentale. Da die Simplonbahn finanziell zu schwach war um den Bau eines Simplontunnels zu fördern, drängte insbesondere der Kanton Waadt auf einen Zusammenschluss der beiden Bahnen. Die SOS waren mit einem Anlagekapital von 248 Millionen Franken und einer Netzlänge von 581 Kilometern die damals größte Bahngesellschaft der Schweiz. Die Verbindungen Genf–Lausanne–Brig sowie ab Lausanne die Weiterführungen über Romont nach Bern und über Yverdon–Neuenburg nach La Neuveville bildeten das Hauptstreckennetz. Ihr strategisch wichtigstes Ziel war der Bau einer Verbindung von Brig nach Domodossola mit einem Durchstich des Simplons, was vorerst jedoch nicht gelang. Allein 1886 investierten die SOS in diesbezügliche Vorarbeiten rund 670'000 Franken.
Am 1. Juni 1886 nahmen die SOS das schweizerische Teilstück Bouveret–St-Gingolph der Tonkin-Linie in Betrieb. Der in Savoyen gelegene Abschnitt von Saint-Gingolph nach Évian-les-Bains gehörte der Paris–Lyon–Mittelmeer-Bahn (PLM).
Am 21. Januar 1888 lösten sich bei Cheyres größere Felsmassen und überschütteten das Gleis zwei bis drei Meter hoch. Ein mit etwa 40 Reisenden besetzter Personenzug Payerne–Yverdon fuhr in den Schuttkegel, wobei die beiden Lokomotiven entgleisten. Der Heizer der Vorspannlokomotive kam dabei ums Leben, der andere Heizer und der Führer der Vorspannlokomotive wurden erheblich verletzt.[7]
Die Suisse-Occidentale und die SOS besorgten den Betrieb weiterer Bahnlinien:
Die Betriebsergebnisse der Suisse-Occidentale–Simplon lagen stets im positiven Bereich. Der Güter- und der Personenverkehr trugen dazu etwa zu gleichen Teilen bei. Die SOS konnte alljährlich eine bescheidene Dividende ausschütten.
Streckennetz der Suisse-Occidentale–Simplon (SOS)
Die folgende Karte zeigt das Streckennetz Suisse-Occidentale–Simplon vor der Fusion mit der Jura-Bern-Luzern-Bahn (JBL):
Fusion zur Jura-Simplon-Bahn
Die SOS gingen am 1. Januar 1890 durch Fusion mit der Jura-Bern-Luzern-Bahn (JBL) einschließlich der dem Kanton Bern gehörenden Strecke Gümligen–Luzern in der neu gegründeten Jura-Simplon-Bahn (JS) auf. An der neuen Bahngesellschaft beteiligte sich durch freihändigen Aktienkauf auch die Eidgenossenschaft. Genau ein Jahr später übernahm die Jura-Simplon-Bahn die von den SOS betriebene Pont-Vallorbe-Bahn. Die JS brachte den seit Jahrzehnten geplanten Bau des Simplontunnels endlich voran.
Grafische Zusammenfassung
Übersicht über die Geschichte der Suisse-Occidentale–Simplon (E: Eröffnung; Ü: Übernahme):
Seit 1881 bezeichneten die SO ihre Lokomotiven mit römischen Zahlen: Serie I und II waren Zweikupplerlokomotiven, Serie III Dreikuppler-Personenzuglokomotiven und Serie IV Dreikuppler-Güterzuglokomotiven. In der Rollmaterialstatistik wurden die Serienbezeichnungen zum Teil bereits seit 1873 verwendet. Die von der Jougne–Eclépens-Bahn übernommenen Lokomotiven wurden in der Statistik als Serie V, die Maschinen der Compagnie du Simplon als Serie IV benannt. Ab 1887 wurden die Lokomotiven nach dem schweizweit einheitlichen System bezeichnet.
Liste der Lokomotiven, die bei den SO und den SOS eingesetzt wurden. In Klammern ist die ab 1902 gültige Serienbezeichnung aufgeführt.
von der Pont–Vallorbe-Bahn für den Betrieb auf ihrer Strecke beschafft (siehe dort)
SACM
1886
1948, 1924
Auf den empfindlichen Mangel an Rollmaterial – insbesondere während der Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs – reagierten die SO mit der Miete meist französischer Lokomotiven.
Personen- und Güterwagen
Als Eigentumsmerkmal trugen alle Wagen der Gesellschaft das Kürzel „S.O.“, nach der Umbenennung „S.O.S.“ Personenwagen waren grün lackiert und hatten eine gelbe Beschriftung. Gepäck- und Güterwagen hatten einen grauen Anstrich mit weißer Beschriftung.[15]
↑ abEigentumslänge gemäss offizieller Eisenbahnstatistik in bahndaten.ch
↑The Railways Register, St. Louis, USA (Hrsg.): Foreign Railways of the World. 1884, S.265 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Die SBB nummerierten die übernommen Lokomotiven nach der Fälligkeit der Kesselrevisionen.
↑Die Maschine kam 1910 als Nr. 7 zur Tösstalbahn (TTB) und nach deren Verstaatlichung 1918 zurück zu den SBB, wo sie wieder mit der Nr. 6195 eingereiht wurde.
↑Die Maschine kam 1909 als Nr. 1 zur Martigny-Orsières-Bahn (MO), 1910 als Nr. 8 zur Tösstalbahn TTB und nach deren Verstaatlichung 1918 zurück zu den SBB, wo sie wieder die Nr. 6196 trug.
↑H. Frei (Hrsg.): Schweizerischer Eisenbahn-Kalender für Bahnbeamte, Juristen, Fabrikanten und sonstige Gewerbetreibende. Eigenthums-Merkmale der Eisenbahn-Wagen. 1876, S.156–157 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).