Bei dem deutschen Gattungsnamen hat sich der Name „Waldhyazinthe“ gegenüber weiteren Namen wie: „Kuckucksblume“ oder „Breitkölbchen“ behauptet. Der deutsche Namenszusatz „zweiblättrig“ ist eine Übersetzung des botanischenEpithetons.
Beschreibung
Erscheinungsbild und Blatt
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe ist eine ausdauerndekrautige Pflanze, die Wuchshöhen von 20 bis 50 Zentimetern erreicht; kräftige Pflanzen werden gelegentlich auch bis zu 60 Zentimeter hoch. Die Überdauerungsorgane dieses Geophyten sind zwei ungeteilte rübenförmige Knollen mit einem wurzelförmigen Fortsatz am Ende. Es sind ein bis zwei, selten auch drei grundständige und gegenständigeLaubblätter vorhanden.[1] Die einfachen Grundblätter sind bei einer Länge von 6 bis 22 Zentimetern sowie einer Breite von 3 bis 6 Zentimetern länglich eiförmig. Die Blattflächen sind hellgrün mit einem geringen silbrigen Glanz auf der Unterseite. Kurze, lanzettliche Blätter sind am Stängel verteilt.
Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und dreizählig. Die schlanken seitlichen Blütenhüllblätter des äußeren Perigonkreises sind 9 bis 13 Millimeter lang, 3 bis 6 Millimeter breit und stehen waagrecht ab. Das mittlere Blütenhüllblatt ist eiförmig und bildet mit den seitlichen Blütenhüllblättern des inneren Perigonkreises einen offenen „Helm“. Die schlanken inneren Blütenhüllblätter sind 5 bis 9 Millimeter lang und 2 bis 4 Millimeter breit. Sie sind an der Spitze nach außen geschwungen. Die Lippe (das mittlere Blütenhüllblatt) ist 8 bis 16 Millimeter lang und 2 bis 4 Millimeter breit. Die Pollinien sind parallel angeordnet und liegen dicht beieinander. Dies ist das deutlichste Unterscheidungsmerkmal zur Grünlichen Waldhyazinthe. Der dünne Sporn ist etwa bis zur Hälfte mit Nektar gefüllt.
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe wird von Nachtfaltern bestäubt. In dem Sporn der Blüten ist reichlich Nektar vorhanden. Die Pollenpakete kleben sich an die Rüssel der Bestäuber beidseitig an. Auf diese Weise gelangen sie sicher auf die Narbe der nächsten Waldhyazinthenblüte, die der Nachtfalter besucht. Die Blüte duftet nur während der Nacht und wird daher von nachtaktiven, langrüsseligen Schmetterlingenbestäubt.
Vorkommen
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe ist nahezu im gesamten Europa verbreitet. Sie fehlt nur in den Ländern Island und Moldau.[3] Vorkommen in Tunesien und Algerien gehören zu Künkeles Waldhyazinthe (Platanthera bifolia var. kuenkelei). In Skandinavien beschränkt sich das Vorkommen auf die küstennahen Regionen. Von Europa aus reicht die Verbreitung bis Kaukasien und den Iran. Weiter nach Osten bis Sibirien und zur Mongolei endet das Verbreitungsgebiet allmählich; hier dringt sie dann auch kaum in den Norden vor.
In Österreich kommt die Zweiblättrige Waldhyazinthe zerstreut in allen Bundesländern vor. In Kärnten etwa ist sie in allen Landesteilen weit verbreitet. In der Schweiz ist sie noch relativ weit mit wenigen Lücken verbreitet. Die ökologischen Zeigerwerte nach Landoltet al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3+w+ (feucht aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[4]
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe gedeiht am besten auf basenreichen Lehm- oder Tonböden mit guter Humusbeimischung. Sie bevorzugt Laubmischwälder, sie geht aber auch in Heiden, auf Bergwiesen, in ungenutzte Sumpfwiesen, in Flachmoore sowie in trockene Gebüsche. Sie steigt in den Alpen bis in Höhenlagen von über 2000 Meter auf. In den Allgäuer Alpen kommt sie im Tiroler Teil an der Jöchelspitze bis zu 2100 m Meereshöhe vor.[5] Nach Baumann und Künkele hat die Art in den Alpenländern folgende Höhengrenzen: Deutschland 20–1620 Meter, Frankreich 0–2220 Meter, Schweiz 260–1900 Meter, Liechtenstein 470–1550 Meter, Österreich 280–1600 Meter, Italien 2–2500 Meter, Slowenien 20–1490 Meter.[6] In Europa kommt die Art zwischen 0 und 2500 Metern Meereshöhe vor.[6]
In Mitteleuropa kommt sie zerstreut vor, im Tiefland ist sie selten und über Silikatgestein fehlt sie gebietsweise. An ihren Standorten bildet sie meist kleinere, sehr lockere Bestände.[7]
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe besiedelt Waldränder, Laub-, Misch- und Nadelwälder, Borstgrasrasen, Magerrasen, moorige Wiesen, alpine Wiesen und Weiden. In der Regel sind ihre Standorte nicht sehr basenreich und tendieren oft in den leicht sauren Bereich. Es gibt aber auch Standorte auf besonders kalkreichen Böden.
Wie alle in Europa vorkommenden Orchideenarten steht auch die Zweiblättrige Waldhyazinthe unter strengem Schutz europäischer und nationaler Gesetze. Die Art ist in Deutschland durch die BArtSchV besonders geschützt.[8]
Rote Liste Österreich: In Österreich gilt die Art nur im nördlichen Alpenvorland als regional gefährdet.
Gefährdet ist die Zweiblättrige Waldhyazinthe vor allem außerhalb der Wälder. Eutrophierung und zu frühe Mahd vor der Samenreife lassen die Bestände schrumpfen.
Systematik
Die Erstveröffentlichung erfolgte 1753 unter dem Namen (Basionym) Orchis bifolia durch Carl von Linné in seinem Werk Species Plantarum Tomus II, S. 939. Louis Claude Marie Richard überführte diese Art 1817 in De Orchideis Europaeis Annotationes S. 35 in die von ihm aufgestellte Gattung PlatantheraRich. Die große Breite der Anthere bei dieser Art gab der Gattung Platanthera ihren Namen (altgriechischπλατύςplatys, deutsch ‚breit‘, ‚platt‘ und ανθέραanthera, deutsch ‚Staubbeutel‘). Das botanische Artepithetonbifolia bezieht sich auf die zwei gegenständigen Laubblätter dieser Art; ein morphologisches Merkmal, das aber auch weitere Arten dieser Gattung besitzen.
Platanthera bifolia(L.) Rich. subsp. bifolia (Syn.: Conopsidium platantherumWallr., Conopsidium stenantherumWallr., Habenaria chloroleucaRidl., Habenaria fornicataBab., Habenaria virescensDruce nom. illeg., Orchis albaLam., Orchis ochroleucaTen., Orchis paucifoliaGaterau, Orchis platanthera(Wallr.) E.H.L.Krause, Orchis stenanthera(Wallr.) E.H.L.Krause, Platanthera brachyglossa(Wallr.) Rchb., Platanthera carduccianaGoiran, Platanthera lancifolia(Rohlena) A.W.Hill, Platanthera major(Besser) Linding., Platanthera perviaPeterm., Platanthera satyrioidesRchb. f., Platanthera schurianaFuss, Platanthera solstitialisBoenn. ex Drejer, Platanthera virescensK.Koch, Platanthera viricimaculataKraenzl., Platanthera wankeliiRchb., Platanthera bifolia subsp. atropatanicaB.Baumann & al., Platanthera bifolia subsp. gracilifloraBisse, Gymnadenia bifolia var. tenuifloraG.Mey., Orchis bifolia var. brachyglossaWallr., Orchis bifolia var. latissimaTinant, Orchis bifolia var. majorBesser, Orchis bifolia var. trifoliaGaudin, Orchis bifolia var. trifoliataTinant, Orchis bifolia var. virensTinant, Platanthera bifolia var. atropatanica(B.Baumann & al.) P.Delforge, Platanthera bifolia var. carducciana(Goiran) Hallier & Wohlf., Platanthera bifolia var. confertaPeterm., Platanthera bifolia var. laxaPeterm., Platanthera bifolia var. microglossaZapal., Platanthera bifolia var. obtusifoliaSchur, Platanthera bifolia var. pervia(Peterm.) Asch. & Graebn., Platanthera bifolia var. quadrifoliaPeterm., Platanthera bifolia var. simonkaianaSoó, Platanthera bifolia var. tenuiflora(G.Mey.) Thell., Platanthera chlorantha var. wankelii(Rchb.) Nyman, Platanthera montana var. lancifoliaRohlena, Platanthera solstitialis var. brachyglossa(Wallr.) Nyman, Platanthera solstitialis var. densifloraDrejer, Platanthera solstitialis var. latifloraDrejer, Platanthera solstitialis var. patulaDrejer, Platanthera solstitialis var. pervia(Peterm.) Rchb. f., Platanthera solstitialis var. trifoliataThielens)[9]
Platanthera bifolia var. kuenkelei(H.Baumann) P.Delforge (Syn.: Platanthera kuenkeleiH.Baumann, Platanthera bifolia subsp. kuenkelei(H.Baumann) Kreutz): Sie kommt nur in Nordafrika in Algerien und Tunesien vor. Sie ist benannt nach dem Orchideenforscher Siegfried Künkele.
Platanthera bifolia subsp. latifolia(Drejer) Løjtnant (Syn.: Platanthera fornicata(Bab.) Buttler subsp. fornicata): Sie unterscheidet sich von Platanthera bifolia subsp. bifolia durch einen Sporn, der 20 bis 41 Millimeter lang ist. Sie kommt auch eher an Waldstandorten vor.[8]
Platanthera bifolia subsp. oscaR.Lorenz, Romolini, V.A.Romano & Soca: Sie kommt in Italien vor.[9]
Platanthera bifolia subsp. subalpinaBrügger (Syn.: Platanthera subalpinaBrügger, Platanthera solstitialis var. subalpina(Brügger) M.Schulze): Sie kommt in den Alpen von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien vor.[9]
Die Zweiblättrige Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) kann mit der Grünlichen Waldhyazinthe die HybridenPlatanthera ×hybridaBrügger bilden, wenn beide Arten sich das Biotop teilen. Sie sind nicht einfach zu bestimmen. Hauptsächlich geht dies über die Stellung der Pollenfächer, die eine intermediäre Stellung einnehmen.
Robert L. Dressler: Die Orchideen. Biologie und Systematik der Orchidaceae. Bechtermünz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-413-8 (englisch: The orchids. Übersetzt von Guido J. Braem, gutes deutschsprachiges Werk zum Thema Systematik).
John G. Williams, Andrew E. Williams, Norman Arlott (Ill.): Orchideen Europas. Mit Nordafrika und Kleinasien. BLV, München/Bern/Wien, ISBN 3-405-11901-4 (englisch: A field guide to the orchids of Britain and Europe. Übersetzt von Karl Peter Buttler, Angelika Rommel).
↑ abHelmut Baumann, Siegfried Künkele: Orchidaceae. In: Oskar Sebald u. a.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. 1. Auflage Band 8, Seite 341. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1998. ISBN 3-8001-3359-8
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Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas. 2. Auflage. Band5: Schwanenblumengewächse bis Wasserlinsengewächse. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08048-X.
↑ abGerald Parolly: Platanthera. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 98. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2024. ISBN 978-3-494-01943-7. S. 196.
↑ abcdeOlatanthera bifolia. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 3. Dezember 2016.