Im Jahr 1999 wurde Di Fabio auf Vorschlag der CDU vom Bundesrat in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt und gehörte dem Gericht vom 16. Dezember 1999 bis zum 19. Dezember 2011 an. Er war der Nachfolger Paul Kirchhofs, ihm folgte Peter Müller. Sein Dezernat umfasste vor allem das Völkerrecht, das Europarecht und das Parlamentsrecht. In diesen Bereichen bereitete er als Berichterstatter wichtige Urteile seines Senats vor,[3] darunter die Entscheidungen zur Bundestagsauflösung 2005 und zum Lissabon-Vertrag 2009.
Di Fabio ist römisch-katholisch.[5] Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie in Bonn.
Werk und Wirken
Umstritten war sein 2005 erschienenes Buch Die Kultur der Freiheit, vor allem wegen seiner Position zur Familie mit Kindern als gesellschaftliches Leitbild. Während die einen darin einen konservativen Rückschritt in die Anfangszeit der Bundesrepublik Deutschland sahen oder Di Fabios Etikettierung der deutschen Kultur des 19. Jahrhunderts als eine nicht-atlantische bzw. „nichtwestliche Kultur“[7] kritisierten, sahen andere Rezensenten in der Stellungnahme Di Fabios ein auf dem Autonomieverständnis der Moderne beruhendes Konzept, welches Kinder und Familie als Freiheitsgewinn auffasst.
2009 erregte Di Fabio durch einen Beitrag für den Festakt anlässlich des zweihundertjährigen Bestehens des Solinger Tageblatts Aufmerksamkeit, in dem er forderte, die weitreichende Anonymisierung im Netz zu beenden, so dass Urheber von öffentlichen Informationsquellen im Internet für deren Konsumenten identifizierbar sein müssten.[8]
„Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) das Verbot der Staatsfinanzierung verletzt, muss das Bundesverfassungsgericht im äußersten Fall Bundesregierung und Bundestag zum Austritt aus der Währungsunion verpflichten. […] Das Karlsruher Gericht besitze zwar „keinen prozessualen Hebel“, um der EZB Vorgaben zu machen […]. Daher müsse es den Fall aber auch nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, sondern dürfe bei ersichtlichen Kompetenzüberschreitungen selbst entscheiden. Dann könnten die Karlsruher Richter den Verstoß immerhin „deklaratorisch feststellen“.“[11]
Di Fabio schrieb das Vorwort zu einem Mitte 2013 erschienenen Buch des HistorikersDominik Geppert mit dem Titel Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro.[12]
Im September 2015 veröffentlichte Di Fabio ein Buch mit dem Titel Schwankender Westen: Wie sich ein Gesellschaftsmodell neu erfinden muss.[13]
Im April 2020 wurde Di Fabio Mitglied des von Ministerpräsident Armin Laschet einberufenen 12-köpfigen „Expertenrats Corona“. Das Gremium aus zwölf renommierten Experten aus unterschiedlichen Disziplinen sollte gemeinsam mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen Strategien für die Zeit nach der Corona-Krise erarbeiten.[14]
Seit November 2020 betreibt er im „Forschungskolleg normative Gesellschaftsgrundlagen“ den Podcast Auf den Grund, in dem er mit Vertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen diskutiert.[15]
Gutachten zur Migrationskrise
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Nicht mehr aktuell (Klageambitionen der CSU gab es spätestens seit der Regierungskrise 2018 nicht mehr); das Zitat scheint mir auch die folgende Schlussfolgerung ("Verstoß gegen geltendes Recht") nicht zu belegen, in der dafür als Beleg verlinkten FAZ-Berichterstattung steht das auch nicht.--Jordi (Diskussion) 10:34, 21. Mai 2019 (CEST)
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„Der Bund ist aus verfassungsrechtlichen Gründen […] verpflichtet, wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist […] Das Grundgesetz garantiert nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis. Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht besteht auch weder europarechtlich noch völkerrechtlich.“
Das Gutachten fand politische und mediale Beachtung, da es das Nicht-Schließen der Grenzen, welches 2015 dann doch teilweise erfolgte, durch die deutsche Bundesregierung während der Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015 nicht deckte. Damit räumte Di Fabios Gutachten dem Freistaat Erfolgsaussichten im Bund-Länder-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesregierung ein, der erreichen wollte, dass an den bayerischen Außengrenzen „wieder rechtlich geordnete Verhältnisse herzustellen“ wären.[19] Mehrfach wurde dieser Auffassung jedoch juristisch widersprochen.[20][21]
Automatisiertes und Vernetztes Fahren., Gutachten unter der Leitung von di Fabio erstellt, Bericht der Ethik-Kommission, Eingesetzt durch den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Juni 2017.
Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Vermögensteuern und Vermögensabgaben. Hrsg.: Stiftung Familienunternehmen (= Schriften der Stiftung Familienunternehmen. Nr.1). Nomos, Baden-Baden 2023, ISBN 978-3-7560-1395-1, doi:10.5771/9783748919377 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 6. April 2024]).
Schriften (Auswahl)
Das Recht offener Staaten. Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie. Mohr Siebeck, Tübingen, 1998, ISBN 3-16-147009-5.
Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft. Mohr Siebeck, Tübingen, 2001, ISBN 978-3-16-147612-9.
Schwankender Westen. Wie sich ein Gesellschaftsmodell neu erfinden muss. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-68391-6.
Grundrechtsgeltung in digitalen Systemen. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69309-0.
Die Weimarer Verfassung. Aufbruch und Scheitern. Eine verfassungshistorische Analyse. C. H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72388-9.
Coronabilanz. Lehrstunde der Demokratie. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77761-5.
Interviews
Melanie Amann, Alexander Neubacher: „Wir sind keine Labormäuse“. Der ehemalige Verfassungsrichter Di Fabio über das Recht des Bürgers auf unvernünftiges Verhalten. In: Der Spiegel. Nr.15, 2015, S.38 (online – 4. April 2015, Interview zum Thema Nudging).
Martin Klingst: Zwei Anwälte des Nationalstaats. Die Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier und Udo Di Fabio teilen manche Bedenken der Bürger gegen die EU. Wie wird Karlsruhe in den nächsten Wochen über Europa entscheiden? In: Die Zeit, Nr. 25, 16. Juni 2005.
↑Siehe auch: Robert Chr. van Ooyen: Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem? Wo Gutachter Di Fabio recht haben könnte – und wo nicht. In: Recht und Politik, 2/2016, S. 80–85.