Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
Eine erste Herstellung gelang 1839 dem französischen Chemiker Henri Victor Regnault durch das Erhitzen von Chloroform mit Chlorgas.[9][10][11]
Historisch bekannt ist es auch unter dem Namen Benzinoform.
Herstellung
Tetrachlormethan fällt bei der industriellen Herstellung von Chloroform an. Dazu wird Chlor mit Methan oder Chlormethan auf 400–500 °C erhitzt. Bei dieser Temperatur findet eine schrittweise radikalische Substitution bis hin zu Tetrachlormethan statt:
Methan reagiert mit Chlor unter Bildung von Chlorwasserstoff zunächst zu Chlormethan, und weiter zu Dichlormethan, Trichlormethan (Chloroform) und schließlich Tetrachlormethan.
Das Ergebnis des Prozesses ist eine Mischung der vier Chlormethane, welche durch Destillation getrennt werden können.[12]
Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften
Tetrachlormethan ist eine farblose, stark lichtbrechende, süßlich riechende, nicht brennbare, giftige Flüssigkeit mit einem Schmelzpunkt von −23 °C und einem Siedepunkt von 76,7 °C. Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,02291, B = 1221,781 und C = −45,739 im Temperaturbereich von 293 bis 350 K.[13] Tetrachlormethan ist mit Ethanol, Ether oder Benzin gut mischbar und es löst Fette, Öle und Harze. Die Mischbarkeit mit Wasser ist begrenzt. Mit steigender Temperatur steigt die Löslichkeit von Tetrachlormethan in Wasser bzw. steigt die Löslichkeit von Wasser in Tetrachlormethan.[14]
Löslichkeiten zwischen Tetrachlormethan und Wasser[14]
Tetrachlormethan ist sehr reaktionsträge und wird von Säuren und Laugen nicht angegriffen. Bei Kontakt mit Alkalimetallen und Aluminium findet jedoch eine explosionsartige Reaktion statt. Unter Licht- und Wärmeeinwirkung entsteht besonders in Anwesenheit von Feuchtigkeit das Giftgas Phosgen. Tetrachlormethan gehört zu den krebserzeugenden Stoffen und ist wie Chloroform stark leberschädigend. Außerdem ist es schädlich für Wasserorganismen und trägt mit zum Abbau der Ozonschicht bei, da es sich unter UV-Einwirkung aufspaltet: Es entstehen Chlorradikale, die sehr schädlich auf Ozon wirken (Ozonloch in der Arktis und Antarktis).
Verwendung
Tetrachlormethan wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts für die chemische Reinigung von Textilien und bis in die 1980er Jahre in Feuerlöschern und in der Industrie zur Entfettung von Bauteilen verwendet. In der Folgezeit wurde es wegen der Toxizität durch andere, weniger giftige Lösungsmittel ersetzt. Die geschätzten Produktionsmengen von Tetrachlormethan in Japan, USA und der EU zusammen betrugen im Jahr 1992 rund 720.000 Tonnen/Jahr.[15]
Wirkung auf den Menschen
Tetrachlormethan ist ein sehr starkes Hepatotoxin. Die akute Vergiftung führt zu Leber- und Nierenschäden, die sich im Laufe einiger Wochen bis Monate zurückbilden können. Es wird aber auch von Leberzirrhosen als Spätfolge berichtet. Dauerhafte Exposition führt zu schweren Schädigungen der Leber und der Nieren. Die leberschädigende Wirkung wird durch die gemeinsame Aufnahme von z. B. Ethanol oder Barbituraten noch potenziert. Im Tierversuch wirkt Tetrachlormethan krebserregend, beim Menschen besteht der begründete Verdacht auf kanzerogenes Potential. Die Verbindung zählt daher zu den CMR-Stoffen. Toxikologisch relevante Dosen können vermutlich auch über die Haut aufgenommen werden.[1]
Typische akute Symptome nach dem Einatmen der Dämpfe von Tetrachlormethan sind, je nach Konzentration:
Herabsetzung der Sinnesleistungen (Sehschärfe, Gehörempfindlichkeit usw.)
Bewusstlosigkeit
Bei Hautkontakt kann es mit viel Wasser oder Polyethylenglycol abgewaschen werden.
Sicherheitshinweise / Risikobewertung
Das Herstellen, Inverkehrbringen und Verwenden von Tetrachlormethan ist aufgrund seiner toxischen, krebserregenden und die Ozonschicht schädigenden Wirkung international verboten. Ausgesprochen wurde das Verbot mit der Aufnahme von Tetrachlormethan in das Montreal-Protokoll im September 1997 („Montrealer Änderungen“), es trat zum 10. November 1999 in Kraft. Die Verwendung ist seitdem nur noch zu Forschungszwecken erlaubt. Das Verbot ist in der Chemikalien-Ozonschichtverordnung geregelt.
Tetrachlormethan wurde 2012 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Tetrachlormethan waren die Besorgnisse bezüglich der Einstufung als CMR-Stoff, Exposition von Arbeitnehmern und hoher (aggregierter) Tonnage. Die Neubewertung lief von 2012 bis 2019 und wurde von Frankreich durchgeführt; anschließend wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht.[16][17]
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↑D. Lorke: A new approach to practical acute toxicity testing. In: Archives of toxicology. Band 54, Nummer 4, Dezember 1983, S. 275–287, doi:10.1007/BF01234480, PMID 6667118.
↑G. Myhre, D. Shindell et al.: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Working Group I contribution to the IPCC Fifth Assessment Report. Hrsg.: Intergovernmental Panel on Climate Change. 2013, Chapter 8: Anthropogenic and Natural Radiative Forcing, S.24–39; Table 8.SM.16 (PDF).
↑David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-19.
↑V. Regnault: Sur les chlorures de carbone CCl et CCl2 in Ann. Chimie Physique 70 (1839) 104–107.
↑V. Regnault: Ueber die Chlorverbindungen des Kohlenstoffs, C2Cl2 und CCl2 in Ann. Pharm. 30 (1839) 350–352.
↑Rolf Werner Soukup: Chemiegeschichtliche Daten organischer Substanzen, Version 2020, S. 153 (PDF).
↑A. Ohligschläger, K. Menzel, A.T. Kate, J. Ruiz Martinez, C. Frömbgen, J. Arts, A. McCulloch, M. Rossberg, W. Lendle, G. Pfleiderer, A. Tögel, T.R. Torkelson, K.K. Beutel: Chloromethanes, in: Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2019; doi:10.1002/14356007.a06_233.pub4.
↑Hildenbrand, D.L.; McDonald, R.A.: The Heat of Vaporization and Vapor Pressure of Carbon Tetrachloride; the Entropy from Calorimetric Data in J. Phys. Chem. 63 (1959) 1521–1523, doi:10.1021/j150579a053.
↑Manfred Rossberg, Wilhelm Lendle, Gerhard Pfleiderer, Adolf Tögel, Eberhard-Ludwig Dreher, Ernst Langer, Heinz Jaerts, Peter Kleinschmidt, Heinz Strack, Richard Cook, Uwe Beck, Karl-August Lipper, Theodore R. Torkelson, Eckhard Löser, Klaus K. Beutel, "Chlorinated Hydrocarbons" in Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 2006 Wiley-VCH, Weinheim. doi:10.1002/14356007.a06_233.pub2