Das Tegeler Fließ ist ein Bach in Brandenburg bzw. am nördlichen Stadtrand von Berlin. Er hat eine Länge von 30,4 Kilometer, von denen sich 9,9 Kilometer auf Berliner Stadtgebiet befinden. Sein Einzugsgebiet beträgt 172 km², davon 80,3 km² in der Hauptstadt. Das Gewässer wurde nach dem Berliner Ortsteil Tegel benannt[2] und gab auch einem Naturschutzgebiet (NSG) seinen Namen.
In seinem Verlauf befinden sich etliche Brücken, über welche vor allem Fußgänger und Radfahrer das Gewässer queren können. Dazu gehören unter anderem die auf Berliner Gebiet liegenden Tegeler Hafenbrücke („Sechserbrücke“) und ein hölzerner Fußgängersteg im NSG[4]
Die Tegeler Hafenbrücke („Sechserbrücke“) überspannt den Tegeler Hafen und das Tegeler Fließ (links im Bild).
Blick nach Osten von der Brücke am nördlichen Ende des Tituswegs
In Hermsdorf kreuzt die B 96 das Fließ bei einer ehemaligen Mühle.
Tegeler Fließ im Landschaftsschutzgebiet Tegeler Fließ nördlich der Lübarser Felder
Reste der ehemaligen DDR-Grenzsicherung am Tegeler Fließ
Geschichte
Während der letzten Eiszeit bildete sich unter einem Gletscher eine Schmelzwasserrinne und formte so die Niederung des Tegeler Fließes. Die Erosionsrinne reichte vom Summter und Mühlenbecker See bis zum Tegeler See. Im Randbereich des Bachs wurden die ältesten menschlichen Spuren im Berliner Raum gefunden. Steinzeitliche Jäger erbeuteten hier an WildwechselnRentiere. Mehrere Siedlungen aus der Bronzezeit gruppierten sich auf den Sandrücken am Fließ. Ein ausgegrabener Teerofen aus dem 13. Jahrhundert belegt, dass in den Wäldern mehr als 100 Jahre alte Kiefern stockten, denn nur diese waren für die Teerschwelerei nutzbar. In dieser Zeit entstanden die Dörfer Mönchmühle (Erstnennung 1242), Woltersdorf (1242), Lübars (1247), Blankenfelde (1284), Basdorf (1302), Tegel (1322), Hermsdorf (1349), Mühlenbeck (1375), Schildow (1375) und Zühlsdorf (1375). Ein Motiv zur Ortsgründung war sicher der große Fischreichtum jener Zeit.[3][5][6]
Der Bau der Wassermühlen in Schildow und Tegel (heutige Humboldt-Mühle) um 1450 führte zur Wasserregulierung, zur Entstehung des Hermsdorfer Sees und Tegeler Teichs sowie zur Vermoorung. Der hohe Grundwasserstand und die Überschwemmungen verhinderten das erneute Aufkommen von Bruchwald. Die Feuchtigkeit der Niedermoore ermöglichte nur eine extensive Nutzung der Wiesen. Die Bauern waren unzufrieden mit der späten oder gänzlich verhinderten Mahd. Abhilfe sollten Entwässerungsgräben schaffen, deren engmaschiges Netz eine Karte von 1839 erkennen lässt.[3][5]
Seit dem 19. Jahrhundert wurde umfangreich Torf gestochen, ein Ergebnis ist der Köppchensee. Belegbar ist auch eine Gewinnung im Bereich des Hermsdorfer Sees und im NSG Kalktuffgelände am Tegler Fließ. Außerdem wurde ab 1854 bei Hermsdorf Ton gefördert und zu Ziegeln gebrannt. Die Hermsdorfer Tongruben an der Seebadstraße und der Ziegeleigraben zeugen davon. Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Nordostraum Berlins Rieselfelder angelegt. Das Wasser wurde über das Tegeler Fließ in den Tegeler See abgeleitet. Nach der Einstellung der Verrieselung 1985 sank die starke Nährstoff- und Schadstoffbelastung. Durch die verringerte Abflussmenge ging aber auch die Quelltätigkeit an den Talhängen zurück und die Niederung wurde deutlich trockener.[3][7]
Bis 1990 verlief an einem Teilstück des Tegeler Fließes die Staatsgrenze zwischen der DDR und West-Berlin. Die Grenzsicherungsanlagen zwischen Schildow und Glienicke/Nordbahn im Norden sowie Lübars und Hermsdorf im Süden lagen nicht unmittelbar am Gewässer, sondern am nördlichen Rand der umgebenden Auenlandschaft. Der Bachlauf zwischen Schildow und Blankenfelde war mit einer Wassersperre gesichert. Reste davon finden sich noch heute am Berliner Mauerweg in der Nähe des Köppchensees.
Umwelt
Das in weiten Teilen noch natürlich mäandrierende Tegeler Fließ prägt die Landschaft. Der hochkomplexe Lebensraum umfasst Quellen und Quellbäche, Quell- und Niedermoore, Trockenhänge, Nass-, Feucht- und Frischwiesen, naturnahe Erlen- und Grauweidenbrüche, Teiche, Seen und Verlandungszonen. Das Fließ selbst zeigt sich als Wald- oder Wiesenbach mit unterschiedlichen Fließstrecken und Altarmen. Das Gebiet liegt größtenteils im bundeslandübergreifenden Naturpark Barnim. In Brandenburg berührt es das Landschaftsschutzgebiet Westbarnim, in Berlin das LSG Tegeler Fließ sowie das NSG Kalktuffgelände am Tegler Fließ und das NSG Niedermoorwiesen am Tegeler Fließ. In beiden Bundesländern ist das Tegeler Fließtal als Natura 2000-Gebiet gemeldet. Im Berliner Teil finden sich zwölf Lebensraumtypen und sechs Tierarten, die nach der FFH-Richtlinie unter Schutz stehen, außerdem neun Arten der EU-Vogelschutz-Richtlinie. Für eine Millionenstadt bemerkenswert.[3][5][7]
Unter den Waldgesellschaften sind besonders die Erlen-Eschen- und die Weichholzauenwälder schützenswert. Größere Bestände haben sich am Hermsdorfer See entwickelt. Die anderen Standorte sind deutlich kleiner sowie wegen der angrenzenden Nutzung und der veränderten Gewässerdynamik weniger naturnah. Die Niederung beherbergt zahlreiche Weidenarten, am häufigsten ist die Grau-Weide, aber auch Korb-, Lorbeer-, Purpur- und Smith-Weide sind anzutreffen. Vermutlich kommen weitere Arten vor, aber sogar Botanikern bereitet die Bestimmung Probleme, weil sich die verschiedenen Arten untereinander kreuzen können. Ein Problem stellt die invasive Ausbreitung von Neophyten dar, so dominieren in einigen Abschnitten Drüsiges Springkraut, Goldruten, Topinambur oder Eschen-Ahorn.[3]
Seit Mai 2015 werden darüber hinaus neun Wasserbüffel zur Beweidung der unter Naturschutz stehenden Sumpfgrasflächen in einem 19 Hektar großen umzäunten Gebiet zwischen der Egidybrücke im Süden und den nördlichen Niedermoorwiesen eingesetzt.[8][9] Im August 2015 wurde die Herde um weitere vier Wasserbüffel erweitert.[10][11]
Besonders zwischen Hermsdorf und Lübars hat sich eine urwüchsige Bachauenlandschaft erhalten, wie sie einst für das ganze Tegeler Fließ typisch war. Der Eichwerdersteg, ein 145 Meter langer Bohlensteg, führt direkt durch die Flussaue, die hier an die großen osteuropäischenFlussmoore erinnert. Es gibt einen Naturlehrpfad mit Hinweistafeln und das Freibad Lübars am Ziegeleisee. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der Lübarser Dorfkern und das Naturschutzgebiet Niedermoorwiesen. Im Naherholungsgebiet geben Informationstafeln Hinweise. Südwestlich des Köppchensees kreuzen sich der Barnimer Dörferweg – beginnt im Wuhletal und endet am Tegeler See – und der Berliner Mauerweg. Sehenswert sind die Phasen der Apfelblüte im Mai und der Ernte im Frühherbst.[3][5][12]
Blicke hinab in die Niederung des Tegeler Fließes bieten Lübars und die Hangkante am Köppchensee. Das NSG Kalktuffgelände ist wegen seiner Empfindlichkeit nur sehr beschränkt zugänglich, ein Eindruck lässt sich von der Stadtrandsiedlung Blankenfelde aus gewinnen. Der mit einem grünen Querstrich markierte Wanderweg leitet, anfangs parallel zur Deutschen Tonstraße, durch den stärker bebauten südlichen Teil der Gemeinde Mühlenbecker Land zum Mühlenbecker See. Auf das Schloss Dammsmühle inmitten Buchen- und Mischwälder folgt das Museum der Heidekrautbahn in Basdorf und schließlich der Bereich der Basdorfer Quelle. Über einen Zwischenabschnitt am Summter See führt die gleiche Markierung auch in die Nähe der Zühlsdorfer Quelle.[3][5][7][13][14]
Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.): Natürlich Berlin. Naturschutz- und Natura 2000-Gebiete in Berlin. 2. Auflage. Verlag Natur und Text, Rangsdorf 2009, ISBN 978-3-9810058-9-9, S. 22–39.
↑Berliner Akzente, Magazin der Berliner Sparkasse, Herbst 2020, S. 33: Über sieben Brücken musst du gehn....
↑ abcdeBerliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.): Naturschutzgebiet Niedermoorwiesen am Tegeler Fließ. In: Natürlich Berlin. Naturschutz- und Natura 2000-Gebiete in Berlin. 2. Auflage. Verlag Natur und Text, Rangsdorf 2009, ISBN 978-3-9810058-9-9, S. 28–33. Digitale Ausgabe in: Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Kurzversion.
↑ abcdBerliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.): Naturschutzgebiet Kalktuffgelände am Tegeler Fließ. In: Natürlich Berlin. Naturschutz- und Natura 2000-Gebiete in Berlin. 2. Auflage. Verlag Natur und Text, Rangsdorf 2009, ISBN 978-3-9810058-9-9, S. 34–39. Digitale Ausgabe in: Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Kurzversion.
↑Rolf Bernstengel: Wanderung am Tegeler Fließ und Naturlehrpfad Eichwerdersteg. In: Pharus-Plan Nördliche Berliner Stadtteile und südlicher Naturpark Barnim.Pharus-Plan, Berlin 2006, ISBN 3-86514-097-1.
↑Radwander- und Wanderkarte Naturpark Barnim, Wandlitzer See und Umgebung. 3. Auflage. Verlag Dr. Andreas Barthel, Borsdorf bei Leipzig Laufzeit bis 2015, ISBN 978-3-89591-090-6.
↑Kristine Jaath: Wandlitz und Umgebung. In: Brandenburg. Unterwegs zwischen Elbe und Oder. 1. Auflage. Trescher Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-89794-150-2, S. 197–202.