Glienicke/Nordbahn liegt an der nördlichen Stadtgrenze Berlins. Der Zusatz Nordbahn beruht auf der Nähe zu der Ende des 19. Jahrhunderts gebauten Eisenbahnstrecke Berlin–Stralsund, der Berliner Nordbahn. Die Gemeinde grenzt im Süden und Westen an den Bezirk Reinickendorf von Berlin (Ortsteile Frohnau, Hermsdorf sowie Lübars). Nördlich liegt die Stadt Hohen Neuendorf und östlich der Ort Schildow der Gemeinde Mühlenbecker Land. Die Wohnbebauung der Gemeinde ist mit der der Berliner Stadtteile Hermsdorf und Frohnau verwachsen. Zwischen 1961 und 1990 verlief direkt an der südlichen und westlichen Gemeindegrenze zwischen einzelnen Wohngrundstücken die Berliner Mauer und nahm an deren westlichen Ende eine besondere Form an, den sogenannten Entenschnabel. Der Ortskern ist ein typisches Angerdorf der Mark Brandenburg. Die höchste Erhebung der Gemeinde ist der Lange Berg mit 55 m ü. NHN.
Gemeindegliederung
Glienicke/Nordbahn hat keine amtlich ausgewiesenen Ortsteile, bewohnten Gemeindeteile oder Wohnplätze.[2]
Geschichte
Erstmals erwähnt wird der Ort als Glyneck in den Lehnsregistraturen des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg im Jahre 1412. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das kleine Bauerndorf fast total zerstört. Der Landreiter Ulrich Gärtner berichtet hierzu im Jahre 1654: „Glinike … dieses Dorf ist gantz wueste“. Erst ab etwa 1670 begann eine nennenswerte Wiederbesiedelung.
Der Hauptmann von Oranienburg erhielt vom Kurfürsten den Auftrag, eine Gaststätte in Verbindung mit einer Bauernwirtschaft (Krug) zu errichten. So entstand um 1670 der Sandkrug, der in Theodor FontanesWanderungen durch die Mark Brandenburg Erwähnung findet und erst dem Bau der Berliner Mauer weichen musste. Der erste Pächter des Sandkrugs hieß Ottemann. Er war zugleich Schulze des Dorfes, welches um 1700 bereits acht Bauerngehöfte umfasste.
Um 1704 wurde eine evangelische Kirche auf dem Dorfanger erbaut. Sie wurde 1864/65 durch den heutigen Kirchenbau ersetzt. Die Pläne zu dem neoromanischen Gebäude stammen von dem Architekten Georg Erbkam. Teile von Glienicke gehörten zu jener Zeit zum ca. 555 ha großen Gutsareal derer von Veltheim auf Schönfließ.[3] Daher war es auch Achaz von Veltheim, der als Kirchenpatron[4] den Grundstein für den Kirchenneubau legte. Der Bau wurde in den Jahren 2008 (außen) und 2013 (innen) renoviert.
Großen Einfluss auf die Entwicklung Glienickes hatte der Bau der Berliner Nordbahn Berlin–Oranienburg–Neustrelitz im Jahre 1877. Ab etwa 1880 begann die Parzellierung von Feldern; Berliner entdeckten das Dorf zwischen Kindelwald und Kindelsee für die Sommerfrische. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden neue Ortsteile an der Jungbornstraße, der Alten Schildower Straße und im Ortsteil West. Die Einwohnerzahl stieg von 201 im Jahre 1875 über 425 im Jahre 1900 auf 912 im Jahre 1910 an. Bis 1934 erhöhte sich die Einwohnerzahl – insbesondere durch zahlreiche Zuzüge aus Berlin – auf knapp 4000. Während des Zweiten Weltkrieges und der DDR-Zeit stagnierte die Bevölkerungsentwicklung des Ortes. Nach der Wende nahm die Einwohnerzahl Glienickes stark zu. Am 11. November 2011 wurde die 11.111te Einwohnerin (gemäß Bestand vor dem Zensus) begrüßt.
Zu DDR-Zeiten war Glienicke Ausgangspunkt von drei Fluchttunneln, die unter der Berliner Mauer hindurch nach West-Berlin gegraben wurden. Neben dem Becker- und dem Thomas-Tunnel an der Oranienburger Chaussee, die im Jahre 1962 gegraben wurden und mehreren Dutzend Menschen zur Flucht verhalfen, hat der Aagaard-Tunnel in der Ottostraße durch seine archäologische Wiederentdeckung und Erschließung im Jahre 2011 besonderes Interesse hervorgerufen. Durch den Tunnel flohen im Jahre 1963 insgesamt 13 Personen, darunter auch Kinder, aus der DDR nach West-Berlin.
In einer Volksabstimmung 1991 lehnten es die Glienicker ab, sich Berlin anzuschließen. Ebenso wurde bei einer zweiten Bürgerbefragung im Mai 1992 die vom Innenministerium vorgesehene Eingliederung in das Amt Schildow abgelehnt, so dass Glienicke eine amtsfreie Gemeinde blieb.
Im Jahre 2012 feierte Glienicke sein 600-jähriges Bestehen.
Bevölkerung
Hier fehlt eine Grafik, die leider im Moment aus technischen Gründen nicht angezeigt werden kann. Wir arbeiten daran!
Jahr
Einwohner
1875
0 201
1890
0 251
1910
0 912
1925
1 823
1933
3 713
1939
5 187
Jahr
Einwohner
1946
5 232
1950
5 392
1964
4 997
1971
4 930
1981
4 774
1985
4 768
Jahr
Einwohner
1990
04 407
1995
04 641
2000
07 709
2005
09 597
2010
11 005
2015
12 155
Jahr
Einwohner
2020
12 430
2021
12 403
2022
12 366
2023
12 201
Gebietsstand des jeweiligen Jahres, Einwohnerzahl: Stand 31. Dezember (ab 1991)[5][6][7], ab 2011 auf Basis des Zensus 2011
Die Gemeindevertretung von Glienicke/Nordbahn besteht aus 22 Gemeindevertretern und dem hauptamtlichen Bürgermeister. Die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 führte bei einer Wahlbeteiligung von 72,6 % zu folgendem Ergebnis:[8]
In Brandenburg hat jeder Wähler bei der Kommunalwahl drei Stimmen, die er auf die Bewerber eines Wahlvorschlages oder unterschiedlicher Wahlvorschläge verteilen kann.[10]
Die Piratenpartei ist durch Rücktritt ihres einzigen Listenkandidaten seit Juni 2020 nicht mehr in der Gemeindevertretung vertreten.[11] Seit November 2021 bildeten die beiden Gemeindevertreter der AfD keine Fraktion mehr.[12]
Bürgermeister
1990–1994 Karin Röpke (Glienicker Bürgerliste)
1994–2010 Joachim Bienert (SPD)
seit 2010 Hans Günther Oberlack (FDP)
Oberlack wurde in der Stichwahl am 8. Oktober 2017 für weitere acht Jahre[13] in seinem Amt bestätigt.[14]
Name
Stimmen
Stimmenanteil
Hans Günther Oberlack (CDU/FDP)
3.083
59,7 %
Uwe Klein (SPD)
2.079
40,3 %
Wappen
Blasonierung: „Halb geteilt und gespalten von Rot, Silber und Blau, darin vorne oben das erste Viertel eines gold-bewehrten, silbernen Adlers mit goldenem Kleestengel auf dem Flügel und hinten eine bewurzelte goldene Kiefer beseitet von je einer goldenen Kornähre.“[15]
Wappenbegründung: Hintergrundbild ist ein aus dem brandenburgischen Wappen abgeleiteter, farblich veränderter Teil eines silberfarbenen Adlers mit goldenem Kleestengel im Flügel, goldener Zunge und goldenem Schnabel auf rotem Grund in der linken oberen Ecke des Wappens. Die silberfarbene linke untere Ecke des Wappens stellt mit dem Adler einen Teil des Barnimer Wappens dar (obere Hälfte: Adler, untere Hälfte: silberfarben und leer). Die gesamte hintere Hälfte bringt in das Gesamtbild auf blauem Hintergrund die für Glienicke typischen Elemente ein – eine goldfarbene Kiefer für ehemaligen und noch vorhandenen Bestand dieser für die Mark so typischen Baumart und die flankierenden, goldfarbenen Kornähren symbolisieren Glienickes landwirtschaftlich-dörfliche Vergangenheit.
Das Wappen wurde am 13. Januar 1997 durch das Ministerium des Innern genehmigt.
Dienstsiegel
Das Dienstsiegel zeigt das Wappen der Gemeinde mit der Umschrift GEMEINDE GLIENICKE/NORDBAHN • LANDKREIS OBERHAVEL.
Hauptstraße 23–24: Eingang, Brunnen und Kapelle des Friedhofs der evangelischen Kirchengemeinde (⊙52.6297813.3202)
Hauptstraße 23–24: Grabstätte Familie Friedrich Müller
Hauptstraße 23–24: Grabstätte Familie Karl Müller
Hauptstraße 23–24: Grabstätte Familie Schmidtke-Assmus
Gedenkstein von 1980 an der Schulanlage in der Hauptstraße für den jüdischenKommunistenKarl Neuhof, der im Ort Widerstand gegen die Nazis organisierte und nach seiner Verhaftung 1943 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Die Schule legte nach 1990 seinen Namen ab. (⊙52.6309113.31903)
Hauptstraße 63–64 (Schule mit Turnhalle) (⊙52.6310613.31861)
Hauptstraße 70 (Wohn- und Geschäftshaus)(⊙52.6308113.313984)
Gedenkstein auf dem Friedrich-Wegner-Platz zur Erinnerung an den Kommunisten Gerhard Weiß, der im April 1932 beim Überwachen der KPD-Plakate zur Reichspräsidentenwahl von einem Nazi erschossen wurde (⊙52.635313.3136)
Rosa Baumgarten (* 1855), deportiert 1943, ermordet im KZ Auschwitz
Familie Liebermann: Max Moritz Liebermann (* 1879), Martha Liebermann (* 1889), Ernst Liebermann (* 1923), Hannelore Liebermann (* 1925), Ingeborg Liebermann (* 1929). Die Familie wurde 1942 ins Ghetto Warschau deportiert und im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
In Glienicke findet jährlich ein Herbstfest[20] am Dorfteich statt, das vom Gewerbeverein Glienicke e. V. organisiert wird.
Gemeindepartnerschaft
Seit 2017 besteht eine Gemeindepartnerschaft mit der französischen Gemeinde Plobannalec-Lesconil im Departement Finistère.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Glienicke/Nordbahn liegt an der Landesstraße L 30 zwischen der Berliner Stadtgrenze und Bernau. Die Kreisstraße K 6501 nach Schildow durchquert den Ort.
Die Autobahnausfahrten Stolpe und Berlin-Waidmannluster Damm der A 111 sind etwa fünf Kilometer von Glienicke entfernt. Den Berliner Autobahnring A 10 erreicht man nach etwa acht Kilometern über die Abfahrten Birkenwerder oder Mühlenbeck.
Trotz unmittelbarer Nähe zur Nordbahn verfügt Glienicke über keine Bahnstation. Die Gemeinde ist mit den Buslinien 806 und 809 vom S-Bahnhof Berlin-Hermsdorf bzw. vom S-Bahnhof Berlin-Frohnau (mit der Linie 809) direkt innerhalb von zehn Minuten oder mit der Linie 107 der Berliner Verkehrsbetriebe und zweimaligen Umsteigen von Berlin-Pankow an der Stettiner Bahn innerhalb von 25 Minuten zu erreichen. Zudem besteht ein Anschluss mit dem Bus 809 der OVG nach Hohen Neuendorf und Hennigsdorf. Der Südrand der Gemeinde kann auch über die auf Berliner Gebiet verlaufende Buslinie 326 vom S-Bahnhof Berlin-Hermsdorf erreicht werden.
Seit dem 1. April 2019 besteht durch eine Taktverstärkung bei der Linie 806 während der Hauptverkehrszeit ein 10-Minuten-Takt zwischen Glienicke und den S-Bahnhöfen Hermsdorf bzw. Frohnau. Mit Fahrplanwechsel zum 26. Oktober 2020 wurde der 10-Minuten-Takt vormittags bis 12 Uhr verlängert und wird nachmittags bereits ab 15 Uhr, dafür aber nur bis etwa 18:30 Uhr angeboten. Dafür entfiel der zuvor freitags bis Mitternacht angebotene halbstündliche Busverkehr von/nach Frohnau.
Sport
Der heutige SV Glienicke wurde 1949 als Sportgemeinschaft Glienicke gegründet[21] und trägt seit 1990 seinen jetzigen Namen.[22] Ihm gehören 880 Mitglieder an, die sich auf die Abteilungen Badminton, Darts, Gymnastik, Fußball, Gesundheitssport, Kegeln, Sportschießen, Tischtennis und Volleyball aufteilen.[23] Zweitgrößter Verein im Ort ist der BSC Fortuna Glienicke mit den Abteilungen Fußball, Leichtathletik, Boule und Tanzen.[24]
Hier fehlt eine Grafik, die leider im Moment aus technischen Gründen nicht angezeigt werden kann. Wir arbeiten daran!
Hier fehlt eine Grafik, die leider im Moment aus technischen Gründen nicht angezeigt werden kann. Wir arbeiten daran!
Persönlichkeiten
Ehrenbürger
Erich Schwabe (1909–2015), Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Glienicke/Nordbahn (1964–1976),[30][31] ältester Feuerwehrmann Brandenburgs[32]
In Glienicke/Nordbahn geboren
Uwe Barschel (1944–1987), ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, lebte bis 1945 in der Veltheimstraße (Breitscheidstraße) 82[33]
Mit Glienicke/Nordbahn verbundene Persönlichkeiten
Gustav Bauer (1870–1944), 1919–1920 Reichskanzler, lebte von 1940 bis 1944 in Glienicke/Nordbahn, auf dem Friedhof der Kirchengemeinde Glienicke/Nordbahn begraben
Hans-Joachim Beeskow (1946–2021), evangelischer Theologe, Kirchen- und Kunsthistoriker, lebte in Glienicke/Nordbahn
Artur Ebert (1891–1978), Geophysiker, lebte in Glienicke/Nordbahn
Georg Ebert (1931–2020), Ökonom, war von 1993 bis 2001 Mitglied der Gemeindevertretung und von 1994 bis 2001 deren Vorsitzender
Johannes Felsenstein (1944–2017), Intendant und Opernregisseur, lebte in Glienicke/Nordbahn
Walter Felsenstein (1901–1975), Regisseur, hatte seinen Wohnsitz in Glienicke/Nordbahn
Caterina Granz[34] (* 1994) Mittelstreckenläuferin, deutsche U20-Meisterin 2013 (1500 m), aufgewachsen in Glienicke/Nordbahn
Anja Heyde (* 1976), ZDF-Moderatorin, lebt in Glienicke/Nordbahn
Paul Korth-Cortini (1890–1954), Magier und Illusionist, lebte von 1927 bis zu seinem Tod im Haus Nohlstraße 14
Toni Krahl (* 1949), Sänger der Rockband City, lebt in Glienicke/Nordbahn
Adolf von Trotha (1868–1940), Admiral, auf dem Friedhof der Kirchengemeinde Glienicke/Nordbahn begraben, das Grab ist inzwischen beräumt
Wilfried Werz (1930–2014), Bühnenbildner, lebte in Glienicke/Nordbahn
Wolfgang Würfel (* 1932), Graphiker, hat seinen Wohnsitz in Glienicke/Nordbahn
↑Ernst Seyfert, Hans Wehner, Alexander Haußknecht: Niekammer’s Landwirtschaftliches Adressbuch der Rittergüter, Güter und Höfe der Provinz Brandenburg 1929. Verzeichnis der Betriebe über 20 ha. In: Niekammer. Letzte Ausgabe. 4. Auflage. BandVII.. Niekammer`s Adressbuch-Verlag G.m.b.H., Leipzig 1929, S.40 (martin-opitz-bibliothek.de [abgerufen am 17. September 2021]).
↑Gothaisches genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser auf das Jahr 1861.
Freiherrliche Häuser nach alphabetischer Ordnung. In: "Der Gotha", bis 1942. Nachfolge durch das GHdA bis 2015. 11. Auflage. Justus Perthes, Gotha 1861, S.888 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 17. September 2021]).
↑Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Statistischer Bericht A I 7, A II 3, A III 3. Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsstand im Land Brandenburg (jeweilige Ausgaben des Monats Dezember)