Schytomyr liegt 120 km westlich von Kiew und 150 km südlich der Grenze zu Belarus. Die Stadt befindet sich am Kreuzungspunkt zweier Fernstraßen (M 06, M 21) und zweier Bahnstrecken. Diese vier Linien verlaufen annähernd nach den vier Himmelsrichtungen. Außerdem führen die Nationalstraße N 03 und die Regionalstraße P–18 in die Stadt.
Geschichte
Die Ortsgründung geht etwa auf das 7. Jahrhundert zurück, als die eingewanderten slawischen Stämme sesshaft wurden. Die Erhebung zur Stadt im 9. Jahrhundert wird in altrussischen Chroniken des Jahres 1240 erwähnt. Seit dem 11. Jahrhundert gehörte die Region zum Staat der Kiewer Rus, dessen Hauptstadt Kiew war. Sie war auch von Polen und Wolhyniern bewohnt. Von 1320 an gehörte Schytomyr zu Litauen. 1444 erhielt sie das Magdeburger Stadtrecht.[3] 1569 kam die Stadt an das vereinigte Königreich Polen-Litauen. Zu dieser Zeit siedelten sich hier zahlreiche Juden an.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Region 1991 einer der 24 Bezirke (Oblast) der nun selbständigen Ukraine, deren Verwaltungs-, Kultur- und Industriezentrum die Stadt darstellt.
Bedingt durch den russischen Überfall auf die Ukraine 2022 hatten bis zum 24. März etwa die Hälfte der Bewohner die Stadt verlassen. Es war auch befürchtet worden, dass Truppen des Nachbarlandes Belarus die russischen Truppen verstärken und nach Schytomyr vorstoßen könnten. Das Lyzeum Nr. 25 in der Nähe des Gouverneurssitz bzw. Rathauses wurde schon kurz nach Kriegsbeginn von einer Rakete getroffen, sowie Wohnblocks und Krankenhäuser; bis einschließlich 24. März starben mindestens neun Zivilisten, weitere 33 in der Region. Der Bürgermeister Serhij Suchomlyn war einst Panzeroberst, wurde Pazifist und organisierte heute Schutz und Verteidigung der Stadt.[5][6]
Juden in Schytomyr
Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in Schytomyr eine bedeutende jüdische Gemeinde. Die Stadt war ein Zentrum der chassidischen Bewegung und gehörte im Zarenreich zum Ansiedlungsrayon. Im Jahre 1891 war über ein Drittel der Stadtbevölkerung jüdisch (24.062 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von 69.785 Einwohnern). Zusammen mit Vilnius war dies der einzige Ort, an dem die russische Regierung ein Rabbinerseminar zur Ausbildung von Rabbinern im Staatsdienst errichten ließ. Zu den Leitern gehörte von 1862 bis zur Schließung 1873 der Universalgelehrte Chajim Slonimski und zu den bekannten Studenten des Rabbinerseminars zählte der Begründer des jiddischen Theaters, Abraham Goldfaden und der neuhebräische Dichter und Schriftsteller Salomon Mandelkern. Der Schriftsteller Mendele Moicher Sforim wohnte in Schitomir, und als Kind wuchs hier der bedeutende hebräische Dichter Chaim Nachman Bialik auf.
Am 7. und 8. Mai 1905 fand in Schytomyr ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung statt. 29 Juden sowie der christliche Student Nikolaj Blinow, der den Juden zu Hilfe kommen wollte, wurden ermordet.
Am 27. September 2018 wurde die Stadt zum Zentrum der neugegründeten Stadtgemeinde Schytomyr (ukrainischЖитомирська міська громада/Schytomyrska miska hromada), zu dieser zählen die Stadtrajone Rajon Bohunyja und Rajon Koroljowsk und das eingemeindete Dorf Weressy (ukrainisch Вереси, russisch Вересы).[8] Bis dahin bildeten allein die Stadtrajone die Stadtratsgemeinde Schytomyr (Житомирська міська рада / Schytomyrska miska rada) im Zentrum des Rajons Schytomyr.
Schytomyr ist bekannt für seine Gärten, Parks und grünen Alleen, besonders für die längs der felsigen Ufer des Teteriw, an dessen Ufern sich auch das Denkmal zur Erinnerung an den Unbekannten Soldaten befindet.
Die interessantesten Zeugnisse der Baukunst der Stadt sind das einstige Magistratsgebäude aus dem 17. Jahrhundert sowie die an der Peremohy-Straße befindliche Preobraschenski-Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert. Diese ist eine dem Moskauer Patriarchat unterstehende orthodoxe Kirche. Die Michaelskirche an der Kyjiwska (Kiewer) Straße aus dem 19. Jahrhundert untersteht dagegen der Orthodoxen Kirche der Ukraine.
Schytomyr hat mehrere Museen, zu denen die Korolenko- und die Koroljow-Gedenkstätte zählen, aber auch das Kosmonautik-Museum und das Naturkundemuseum, das seit 1987 in der Kathedrale der heiligen Kreuzerhöhung untergebracht ist. Laut einer Infotafel am Eingang der Kathedrale wurde sie im 18. Jahrhundert im russisch-neobyzantinischen Stil gebaut.
Das Theater von Schytomyr erinnert an mitteleuropäische Opernhäuser.
Im Jahr 1996 wurde in Schytomyr das Denkmal für die Opfer der Tragödie im Wald von Bogunija errichtet, bei der im Zweiten Weltkrieg Kriegsgefangene und Bürger erschossen wurden. Es kombiniert ein 6,5 Meter hohes Granitmonument mit einer Bronzefigur des Bildhauers Josef Tabachnyk.
Während des Zweiten Weltkriegs legte die Wehrmacht südlich der Stadt auf einem 1,7 ha großen Gelände einen Soldatenfriedhof für etwa 2700 gefallene Soldaten an. Auf dem Gräberfeld ruhen heute 3143 Gefallene.[9]
Wirtschaft
Im 20. Jahrhundert hat sich die Stadt beträchtlich ausgedehnt und die Zahl ihrer Industriebetriebe hat sich erhöht. In Schytomyr sind Firmen des Maschinenbaus, der Textil-, Möbel-, Automobil- und Lebensmittelindustrie ansässig.
Die Stadt liegt in einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet. Sie ist Verkehrsknotenpunkt der Region und Umschlagplatz für Holz und Getreide sowie Sitz mehrerer landwirtschaftlicher Institute.
Die Umgebung weist reiche Lagerstätten von dekorativem Gestein auf, das industriell gewonnen wird. Es werden roter, rosa und weißer Marmor, Granit und silbriger Labradorit abgebaut.
Transportwesen
Der 1939 gegründete, im Osten des Stadtgebietes gelegene internationale Flughafen (IATA: ZTR) bedient internationale Passagier- und Frachtflüge. Er wurde am 30. Juni 2021 nach intensiven Baumaßnahmen wieder für den Flugverkehr freigegeben.[10][11]
In Schytomyr hielt sich der große ukrainische Dichter, Schriftsteller und Streiter für Gerechtigkeit Taras Schewtschenko (1814–1861) auf, lebte und arbeitete der Klassiker der ukrainischen LiteraturMychajlo Kozjubynskyj (1864–1913). Im Literaturmuseum wurde 1987 eine Dauerausstellung zu Leben und Wirken der Familie des Komponisten Mychajlo Skorulskyj (1887–1950) eröffnet.
Zhitomir. In: Guy Miron (Hrsg.): The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust. Yad Vashem, Jerusalem 2009, ISBN 978-965-308-345-5, S. 980ff.
Alexander Kruglov: Zhitomir. In: Martin Dean (Ed.): The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. Vol. 2, Ghettos in German-Occupied Eastern Europe : Part B. Indiana University Press, Bloomington 2012, ISBN 978-0-253-00227-3, S. 1579–1581.
↑ abChristian Ingrao: Les chasseurs noirs. La brigade Dirlewanger (= Collection tempus. Nr.286). 3. Auflage. Éditions Perrin, Paris 2009, ISBN 978-2-262-03067-4, Kap.6, S.185 und Fußnote 31, S. 272.