Die portugiesisch-tschechischen Beziehungen beschreiben das zwischenstaatliche Verhältnis zwischen Portugal und Tschechien. Die Länder können historisch auf eine seit dem 18. Jahrhundert bestehende Verbindung zurückblicken und pflegen seit 1974 erneuerte diplomatische Beziehungen.[1]
Insbesondere die Geschichte der portugiesisch-tschechischen Familie Silva-Tarouca und das anhaltende Interesse an der portugiesischen Sprache in tschechischen Bildungs- und Kulturinstitutionen bilden wesentliche Verbindungselemente der bilateralen Beziehungen beider Länder.
Als Dokument eines ersten offiziellen Kontaktes Tschechiens mit Portugal gelten die Tagebücher des Václav Šašek z Bířkova und des Deutschen Gabriel Tetzel von Nürnberg, die mit einer transeuropäischen Mission im Auftrag des böhmischen Königs Georg von Podiebrad 1466 bis nach Portugal kamen. Die Mission, an der u. a. auch Jaroslav Lev von Rosental teilnahm, wandte sich an alle wichtigen europäische Höfe zur Absprache einer Verteidigung gegen den näherrückenden Türkenkriege, aber auch zur Verbesserung des Ansehens Böhmens nach den Hussitenkriegen und den Differenzen mit Papst Paul II. Die Aufzeichnungen enthalten auch ausführliche Bemerkungen zu Landschaft und Gesellschaft, darunter Beschreibungen von Bräuchen, der Erwerb und die Haltung von Sklaven, die Auswirkungen der Pest und die dortigen Vorsichtsmaßnahmen.
Der in Portugal tätige Buchdrucker Valentim Fernandes († 1518 oder 1519) stammte aus Mähren(Moravia), bezeichnete sich selbst jedoch als Deutscher (alemão).
Möglicherweise kam der portugiesische Diplomat und Gelehrte Damião de Góis durch Böhmen. Zweifelsfrei belegt ist die Lehrtätigkeit Bento Pinhels an der Universität von Prag Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, der als Benedetto Pinelli bekannter wurde.
Im 18. Jahrhundert heiratete João Gomes da Silva Johanna von Menezes, Gräfin von Tarouca. Er wurde Gesandter des portugiesischen Hofes in Wien. Sein Sohn Emanuel Silva-Tarouca (portugiesisch: Manuel de Meneses de Castro, deutsch: Emanuel Tellez, Menezes und Castro, Herzog von Sylva-Tarouca und Turnhout, k. k.) wurde Diplomat und bevorzugter Berater der Kaiserin Maria Theresia von Österreich. Er gründete den österreichisch-tschechischen Zweig der Familie, das Geschlecht der Silva-Tarouca. Er erwarb u. a. das Schloss von Čechy pod Kosířem, fortan Familienfideikommiss der Silva-Tarouca, und Landgüter in Krakovec und Drahanovice, die von 1768 bis 1945 in Familienbesitz blieben.
Der hochrangige Politiker und engagierte Botaniker Ernst Emanuel von Silva-Tarouca ließ das alte Schloss Průhonice bei Prag erneuern und war Mitgründer des angrenzenden 220 Hektar großen Parks. Der zwischen 1885 und 1917 angelegte Park gehörte zu den schönsten englischen Gärten in Europa und war insbesondere für seine Rhododendren-Sammlung bekannt.
Im 19. Jahrhundert waren regelmäßig auch Portugiesen unter den Besuchern Karlsbads.
Nach der Ausrufung der Republik Portugal 1910 und der Gründung der demokratischen Tschechoslowakei 1918 nahmen beide Länder 1921 diplomatische Beziehungen auf. Nach 1937 wurden sie unterbrochen. Nach der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 und dem Ende des antikommunistischen autoritären Estado Novo-Regimes wurden sie wieder aufgenommen.
Seit dem Ende des Ostblocks ab 1989 haben sich die Beziehungen beider Länder stetig intensiviert, insbesondere durch die Bemühungen Václav Havels und Mário Soares, der auch durch die Universität Prag ausgezeichnet wurde.[2]
Diplomatie
Die Botschaft Portugals befindet sich in der Na Zátorce 10 im Prager Stadtteil Bubeneč im Stadtbezirk Prag 6.
1976 schlossen die Tschechoslowakei und Portugal ein Kulturabkommen. Neben Literatur und Musik kamen auch portugiesische Künstler anderer Bereiche dorthin. Eine Ausstellung Paula Regos und zwei Ausstellungen portugiesischer Fotografen fanden statt.[2]
Das portugiesische Kulturinstitut Instituto Camões hat in Tschechien seinen Sitz in Prag und ist mit einer Vielzahl von Projekten und Kooperationen im Land aktiv.
Zum Portugal-Tag am 10. Juni 2012 gründete in Prag eine lusophile Gruppe um Hochschullehrer der Universitäten Prag, Brünn und Olmütz und die Übersetzerin Lada Weissová die Sociedade Checa de Língua Portuguesa (deutsch: Tschechische Gesellschaft der Portugiesischen Sprache). Ehrenpräsidentin wurde die Übersetzerin Pavla Lidmilová.[4]
In Brünn hat die Gesellschaft der Freunde lusophoner Länder ihren Sitz, gegründet durch den Lusitanisten Anton Pasienka.
Am 30. März 2016 beantragte Tschechien die Aufnahme in die Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder (CPLP) als assoziierter Beobachter. Begründet wurde der Antrag mit bereits in der Tschechoslowakei entstandenen Initiativen und der steigenden Verbreitung und Lehre der portugiesischen Sprache in dem Land, in dem hunderte Studenten Portugiesisch lernen und zudem immer mehr tschechische Unternehmen in Brasilien und den afrikanischen PALOP-Ländern präsent sind.[5]
Am 1. November 2016 wurde Tschechien in Brasília von der CPLP der Status eines assoziierten Beobachters verliehen.[6]
Sprache und Lusitanistik
Das portugiesische Kulturinstitut Instituto Camões führt in Prag ein Sprachzentrum und unterstützt eine Reihe von Projekten an Schulen und Hochschulen. Zudem vergibt die einflussreiche portugiesische Gulbenkian-Stiftung Stipendien und fördert Bücherkäufe und Übersetzungen. Daneben wird insbesondere an Prager Sprachschulen Portugiesisch angeboten.
Dank des portugiesisch-tschechischen Kulturabkommens 1976 bereisten gelegentlich portugiesische Musiker das Land. So trat beispielsweise der portugiesische Pianist Sequeira Costa bereits vor 1989 dort auf, ebenso war die portugiesische Gruppe Trovante dort auf einem Festival des politischen Liedes zu Gast.[2]
Seit dem Ende des Eisernen Vorhangs ab 1989 sind portugiesische Musiker häufiger in Tschechien zu hören, etwa 2003 die blinde Fado-Sängerin Dona Rosa[2] oder mehrmals die portugiesische Heavy-Metal-Band Moonspell.
Literatur und Theater
Aus allen Bereichen der portugiesischen Kultur fand in Tschechien die portugiesische Literatur die weiteste Verbreitung. 1836 erschien dort eine erste tschechische Übersetzung der Lusiaden des portugiesischen Nationaldichters Luís de Camões, die 1902 erstmals in kompletter Übersetzung durch den Lyriker Jaroslav Vrchlický in Tschechien erschienen. Es folgten weitere tschechische Übersetzungen portugiesischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu erwähnen sind insbesondere die Werke Eça de Queiroz, häufig von Zdenek Hampl übersetzt, Professor an der Prager Karls-Universität und Mitbegründer des dortigen Studiengangs der Lusitanistik. Pavla Lidmilová gilt als bedeutende lusophone Übersetzerin[7] vor allem brasilianischer Literatur, aber auch einer Vielzahl portugiesischer Werke, darunter Romane Mário de Sá-Carneiros und die Lyrik Fernando Pessoas, diese gelegentlich in Zusammenarbeit mit dem Lyriker Josef Hirsal.[2]
Die tschechischen Autoren mit den meisten Übersetzungen ins Portugiesische sind Franz Kafka und Milan Kundera, die in Portugal auch allgemein als bekannteste Autoren aus dem heutigen Tschechien gelten, zusammen mit Rainer Maria Rilke. Die erste gesicherte Übersetzung tschechischer Literatur ins Portugiesische ist die 1926 übersetzte Erzählung Jan NerudasDer Vampir (O Vampiro). Als erstes Buch, das aus dem Tschechischen ins Portugiesische übersetzt wurde, gilt Karel Josef Beneš’ A Vida Doutra (deutscher Titel: Das geraubte Leben), das 1943 in Portugal erschien. Unter den weiteren, mehrfach übersetzten Autoren sind Bohumil Hrabal, Václav Havel und Karel Čapek zu nennen.[8]
Der portugiesische Film wurde unter Filmfreunden in Tschechien insbesondere durch Werke Manoel de Oliveiras bekannt, die auf Filmfestivals und im tschechischen Fernsehen liefen.[2]
Der tschechische Film ist auch unter Filmfreunden in Portugal bekannt und angesehen. Filme aus Tschechien werden häufig auf portugiesischen Filmfestivals gezeigt. So wurden JakubiskosLepšie byť bohatý a zdravý ako chudobný a chorý 1993 und Jan SvěráksLeergut 2008 beim Festróia-Filmfestival mit dem Goldenen Delphin als bester Film ausgezeichnet.
Die aus Tschechien stammende Lenka da Silva (* 1975) war Model und wurde danach Schauspielerin. Sie spielte in einigen portugiesischen Fernsehserien und Telenovelas wie Mar Salgado und Dancin´ Days mit. Sie ist dem breiten Publikum aber seit 2003 vor allem als eine der zwei Assistentinnen des populären Moderators Fernando Mendes in der seit 1990 fast allabendlich laufenden Gewinnspielsendung O Preço Certo des ersten Kanals des öffentlich-rechtlichen Senders RTP bekannt.[9][10]
Der portugiesische Komponist António Victorino de Almeida wirkte seit seiner Zeit in Österreich auch als Regisseur. Sein erster Spielfilm (A Culpa, 1980) wurde vom tschechisch-österreichischen Kameramann Hanuš Polak fotografiert.
Die portugiesische Außenhandelskammer AICEP unterhält in Prag eine Niederlassung.[12]
Im Jahr 2015 führte Tschechien Waren und Dienstleistungen aus Portugal im Wert von 353,3 Millionen Euro ein (2014: 357,5 Millionen, 2013: 325,3 Millionen, 2012: 366,1 Millionen, 2011: 330,6 Millionen), davon 22,0 % Maschinen und Geräte, 16,6 % Kunststoffprodukte, 14,4 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile und 13,7 % Textilien.
Im gleichen Zeitraum importierte Portugal aus Tschechien Waren und Dienstleistungen im Wert von 483,9 Millionen Euro (2014: 417,1 Millionen, 2013: 326,0 Millionen, 2012: 313,3 Millionen, 2011: 373,0 Millionen), davon 41,6 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile, 25,9 % Maschinen und Geräte, 6,5 % Metalle und 6,4 % Kunststoffe.
Damit steht Tschechien für den portugiesischen Außenhandel an 20. Stelle bei den Abnehmerländern und an 19. Stelle bei den Lieferländern. Für die tschechische Außenwirtschaft steht Portugal an 32. Stelle der Abnehmerländer und an 35. Stelle der Lieferländer.[13]
Der Anteil tschechischer Touristen am weiter wachsenden Tourismus in Portugal betrug mit Einnahmen von 20,5 Millionen Euro etwa 0,18 % Marktanteil (2014: 20,2 Millionen= 0,19 %; 2013: 19,5 % = 0,21 %; 2012: 19,6 Millionen = 0,23 %; 2011: 16,9 Millionen = 0,21 %).[13]