Otto Graf Lambsdorff war das älteste von drei Kindern von Herbert Graf Lambsdorff (1899–1976) und Eva von Schmid (1904–1978). Sein Bruder Hagen Graf Lambsdorff (* 1935) war deutscher Botschafter in Tschechien und Lettland. Lambsdorff heiratete 1953 Renate Lepper. Er hatte aus dieser Ehe, die später geschieden wurde, drei Kinder, darunter den Botschafter Nikolaus Graf Lambsdorff.[8] 1975 heiratete Lambsdorff in zweiter Ehe Alexandra von Quistorp (* 1945).[8] Er lebte in Bad Münstereifel-Eschweiler und vorübergehend auch in Bonn. Sein Grab befindet sich in einer Familiengrabstätte auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf.[9]
Sein Neffe Alexander Graf Lambsdorff vertrat die FDP von 2004 bis 2017 im Europaparlament, war von 2017 bis 2023 Bundestagsabgeordneter und ist seit 2023 deutscher Botschafter in Moskau.
Partei
Lambsdorff war seit 1951 Mitglied der FDP. Von 1968 bis 1978 war er als Schatzmeister Mitglied im geschäftsführenden FDP-Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen. Seit 1972 gehörte Lambsdorff dem FDP-Bundesvorstand an, seit 1982 auch dem Präsidium der FDP. Vom 8. Oktober 1988 bis zum 11. Juni 1993 war er Bundesvorsitzender und seit 1993 Ehrenvorsitzender der FDP. Von 1991 bis 1994 war Lambsdorff Präsident der Liberalen Internationale. Von 1995 bis 2006 war er Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung. Unterlagen über seine Tätigkeit für die FDP und die Liberale Internationale liegen im Archiv des Liberalismus in Gummersbach.
Am 7. Oktober 1977 wurde er als Bundesminister für Wirtschaft in die von BundeskanzlerHelmut Schmidt geführte Bundesregierung berufen. Vom Ordoliberalismus und der Marktwirtschaft überzeugt, stritt Lambsdorff zum einen für eine Neuregelung der Mitbestimmungsgesetzgebung. Er versuchte dabei, die aus seiner Sicht zu weitgehenden Mitwirkungsrechte, die infolge der Biedenkopf-Kommission ins Mitbestimmungsgesetz von 1976 eingebracht worden waren, zu verhindern. Zum anderen wandte er sich gegen das „deficit spending“ im Rahmen der Globalsteuerung, das zu einer immer höher werdenden Schuldenlast des Staates führe.[10]
Nach der Bundestagswahl 1980 war Lambsdorff unter anderem durch das Abfassen des am 9. September 1982 veröffentlichten sogenannten Lambsdorff-Papiers (offiziell: Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, auch als Scheidungspapier oder Manifest der Sezession bekannt) maßgeblich am Bruch der sozialliberalen Koalition beteiligt. Am 17. September 1982 trat er gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern zurück. Nach der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler wurde Lambsdorff am 4. Oktober 1982 erneut zum Bundesminister für Wirtschaft ernannt.
Flick-Affäre und Steuerhinterziehung
Im Zuge der sogenannten Flick-Affäre hob der Bundestag am 2. Dezember 1983 auf Ersuchen der ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft die Immunität des amtierenden Bundeswirtschaftsministers Lambsdorff auf, der dann, als die Anklage zugelassen wurde, am 27. Juni 1984 zurücktrat. Der Prozess vor dem Landgericht Bonn zog sich rund anderthalb Jahre hin. Am 16. Februar 1987 wurde Otto Graf Lambsdorff gemeinsam mit dem Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch sowie dem vormaligen Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt.[11] Lambsdorff erhielt eine Geldstrafe in Höhe von 180.000 DM. Vom Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit sprach das Gericht die Angeklagten mangels Beweisen frei.[12] Vom Bundeswirtschaftsministerium wurden ihm jedoch 515.000 DM zur Deckung seiner Anwaltskosten zugesprochen.[13]
Weitere Ämter
Als bekannter Verfechter der Marktwirtschaft (der von Herbert Wehner erfundene Schmähbegriff „Marktgraf“ für Lambsdorff wurde lebenslang als positives Markenzeichen für ihn verwendet[14]) blieb Lambsdorff in seiner Partei populär und konnte sich 1988 als Nachfolger von Martin Bangemann bei der Neuwahl des FDP-Parteivorsitzenden gegen Irmgard Adam-Schwaetzer durchsetzen. In seiner Amtszeit kam im August 1990 der Zusammenschluss der FDP mit der LDPD und anderen liberalen Gruppierungen in der DDR zustande. Nach der deutschen Wiedervereinigung erreichte die FDP eines ihrer besten Wahlergebnisse seit Gründung. Bereits zu diesem Zeitpunkt forderte Lambsdorff als einer der ersten eine Abkehr von der bisherigen „Umverteilungspolitik“ und die „Rückkehr zu mehr marktwirtschaftlichen Prinzipien und Grundsätzen“, was später auch die Wiesbadener Grundsätze der FDP bestimmen sollte.
Rolle als Sonderbeauftragter
Nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag begann er 1999 als Beauftragter des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder die Verhandlungen über Art und Höhe der Entschädigung für ehemalige NS-Zwangsarbeiter zu führen. Mit Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde diese Wiedergutmachung im Sommer 2001 begonnen. Graf Lambsdorff erhielt für seine Rolle hierbei den Toleranzpreis des Jüdischen Museums in Berlin.
Nichtöffentliche Ämter
Otto Graf Lambsdorff war Ehrenpräsident der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz). Seit 2006 war er Internationaler Berater der Japan Art Association für die Verleihung des Praemium Imperiale.
Mitgliedschaften
1962 war Otto Graf Lambsdorff Gründungsmitglied des Rotary-Clubs Düsseldorf-Süd. 1995 war er Mitbegründer und bis 2003 Kuratoriumsvorsitzender des Fördervereins Dom zu Brandenburg. Er war Mitglied des Domkapitels des Doms zu Brandenburg/Havel. Von 1992 bis 2001 war er European Chairman der Trilateralen Kommission und ab 2001 Honorary Chairman. Lambsdorff war Mitglied der Jury des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises. Seit 1952 als Ehrenritter[15] und 1963 als Rechtsritter war er Mitglied des protestantischen Johanniterordens.
Preise und Auszeichnungen (Auswahl)
Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1977)
Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland (1980)
(Hrsg.): „Die Bildung der Individualität ist der letzte Zweck.“ Wilhelm von Humboldt – heute? Beiträge eines Kolloquiums über Liberale Kultur- und Bildungspolitik anlässlich des 75. Geburtstags von Dr. Barthold C. Witte am 23. Mai 2003 in Berlin. Liberal-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-920590-05-8.
Frische Luft für Bonn. Eine liberale Politik mit mehr Markt als Staat. 2. Aufl., DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06373-7.
Rationelle Energieverwendung. Nationale Massnahmen und Ergebnisse sowie internationale Aspekte. Glückauf, Essen 1981, ISBN 3-7739-0362-6.
Bewährung. Wirtschaftspolitik in Krisenzeiten. Econ, Düsseldorf [u. a.] 1980, ISBN 3-430-15888-5.
Zielsetzung. Aufgaben und Chancen der Marktwirtschaft. Econ, Düsseldorf [u. a.] 1977, ISBN 3-430-15887-7.
Abschied vom Reichsleistungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zum RLG.Universität zu Köln 1952. (Dissertation)
↑Siegfried von Boehn, Wolfgang von Loebell, Karl von Oppen: Die Zöglinge der Ritterakademie zu Brandenburg an der Havel. Teil: Fortsetzung und Ergänzung 2., 1914–1945 : Mit einer Gedenktafel der Opfer des 2. Weltkrieges. In: Verein Ehemaliger Zöglinge d. Ritterakademie zu Brandenburg a. H. (Hrsg.): Zöglingsverzeichnis III von IV. Druck Gerhard Heinrigs, Köln, Brandenburg (Havel) 1971, S.277–278 (d-nb.info [abgerufen am 20. August 2021]).
↑Johanniterorden (Hrsg.): Verzeichnis der Mitglieder der Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem. Stand September 2008. Eigenverlag, Berlin 2008, S.415 (d-nb.info [abgerufen am 20. August 2021]).