Der Schweinfurter Industrielle Ernst Sachs stiftete der Stadt Schweinfurt im Jahre 1927 anlässlich seines 60. Geburtstages 500.000 Reichsmark zur Erbauung eines Hallenschwimmbades, des sogenannten Ernst-Sachs-Bades. Ziel war die Verbesserung der hygienischen Bedingungen und die Förderung der Gesundheit – sowohl für seine Angestellten der Fichtel & Sachs AG als auch für alle Bürger seiner Heimatstadt. 1925 wurde der Würzburger Architekt Roderich Fick mit der Planung zur Erbauung des Ernst-Sachs-Bades beauftragt. Er schuf ein elegant-schlichtes Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Die Anordnung der einzelnen Gebäudeteile erinnert an eine Klosteranlage mit Kreuzgang, Kirchenschiff und Refektorium. 1944 wurde das Bad im Krieg durch Luftangriffe schwer beschädigt, sodass es zeitweise geschlossen werden musste.
Unveränderte Fassade des Ernst-Sachs-Bades nach dem Umbau zur Kunsthalle (Foto 2020)
Kunsthalle
Der Umbau vom Bad zur Kunsthalle wurde 2006–2007 vorgenommen. Dabei blieb das äußere Gebäude unverändert. Der Grundstein wurde 2007 gelegt, die Kunsthalle Schweinfurt eröffnete im Jahr 2009. Auf 2200 Quadratmetern in zwei Geschossen sind die städtischen Kunstsammlungen, die Dauerausstellung Kunst nach 1945 in Deutschland und die Exponate des Kunstvereins Schweinfurt ausgestellt. Die Dauerpräsentationen werden durch Wechselausstellungen ergänzt. Die historisch geprägte Außenansicht blieb erhalten. Kernstück der Kunsthalle ist die einstige Schwimmhalle im Erdgeschoss, mit einer 500 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche und einer Raumhöhe von rund 11 Metern.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die mittelalterliche Stadtmauer vom Generalfeldmarschall der schwedischen Armee Karl Gustav Wrangel zu einer modernen Befestigungsanlage mit Schanzen ausgebaut. Als der große Innenhof des Bades für einen weiteren Ausstellungsraum unterkellert wurde, kam ein Teil der 1648 angelegten sogenannten Naturheilschanze zu Tage. Das gut erhaltene Mauerstück wurde in den Ausstellungsraum integriert, mit einer aufgesetzten Lichtraupe im darüber liegenden Innenhof als Oberlicht.[1] Siehe auch: Schweinfurter Stadtbefestigung und Ringanlagen.
Kunsthalle Schweinfurt
Rossbändiger-Brunnen vor dem Arkadenbau
Große Halle (ehem. Schwimmhalle) mit Wechselausstellung (2019)
Urkataster (19. Jahrhundert). Einstige Naturheilschanze mit Lage der Kunsthalle und Lichtraupe (Oberlicht der freigelegten Futtermauer der Schanze)
Innenhof mit Lichtraupe
Ständige Ausstellungen
Kunst nach 1945 in Deutschland
Auf zwei Geschossebenen wird in der Kunsthalle die Sammlung zur „Kunst nach 1945 in Deutschland“ präsentiert. Im Erdgeschoss werden die kunsthistorischen Highlights der Sammlung in den Bereichen Informel und Neofiguration gezeigt, mit Werken der Künstlergruppen Quadriga, ZEN 49, junger westen sowie SPUR, WIR, GEFLECHT und Kollektiv Herzogstraße. Künstler wie Willi Baumeister, Georg Meistermann, Karl Otto Götz, Fritz Winter und Peter Brüning sind genauso vertreten wie HP Zimmer, Helmut Rieger, Hans Matthäus Bachmayer und Franz Hitzler. Die Sammlung ist in ihrer Qualität und Fülle in Deutschland fast einzigartig. Im Untergeschoss konfrontieren Werke unter dem Titel „Individuum und Gesellschaft“ die Besucher mit gesellschaftspolitischen Fragen. Abgerundet wird der Rundgang mit Arbeiten, die sich der Landschaft- und Architekturdarstellung widmen.
Zeitgenössische Bildhauerei – Die Akademien München und Nürnberg und ihre Schüler
Ein besonderes Augenmerk der Kunsthalle Schweinfurt liegt auf plastischen Arbeiten von herausragenden Bildhauern, die mit der Region durch ihre Vita verbunden sind. Dazu zählen beispielsweise Heinrich Kirchner aus Erlangen, Fritz Koenig aus Würzburg, Wilhelm Uhlig oder Richard Mühlemeier und ihre Verbindung zur Rhön. Andere Beziehungen lassen sich wiederum zu den Akademien für Bildende Künste in Nürnberg und München herstellen. Im Zentrum der künstlerischen Arbeit stand in der Nachkriegszeit an den Akademien vor allem die Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur. Von den süddeutschen Bildhauern der sogenannten „Stunde Null“ sind neben Heinrich Kirchner und Fritz Koenig in der Schweinfurter Sammlung Anton Hiller, Toni Stadler, Michael Croissant und Leo Kornbrust als großzügige Leihgaben der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Der Bildhauer Lothar Fischer und seine künstlerische Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur repräsentiert dabei nicht nur die Tradition der Münchener Bildhauerschule in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern als Mitglied der Gruppe SPUR steht er außerdem stellvertretend für eine neofigurative Formensprache. Er prägte wiederum nachhaltig eine jüngere Bildhauergeneration, für die Namen wie Klaus Hack, Menno Fahl, Christina von Bitter, Sati Zech oder Friedemann Grieshaber stehen, die alle in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen sind.
Urbane Architekturen – Visionäre Landschaften
Der vierseitige Umraum unter dem Innenhof im Untergeschoss der Kunsthalle widmet sich dem seit der Antike bekannten Thema der Landschaft. Neben der klassischen Malerei und Skulptur, die sich aus überraschenden Perspektiven und mit innovativem Ansatz der „Natur“ nähern, nehmen dabei auch fotografische Arbeiten von unter anderem Thomas May, Christoph Brech, Maria Maier, oder Andreas Schmidt breiten Raum ein. Die Prozesse, in denen der Mensch sich seinen Umraum aneignet, formt, gestaltet, vielleicht auch zurichtet, sind äußerst vielseitig. Jede Zeit brachte ihre eigenen Formen von Landschaftsmalerei bzw. Landschaftsaneignung hervor – stets kulturell geprägt durch die jeweiligen gesellschaftlichen Grundlagen. Beschäftigung mit Natur ist hochaktuell, nicht zuletzt auf Grund der drängenden ökologischen Probleme.
Politische Kunst und Menschenbild aus dem ehemaligen Ost- und Westdeutschland bis zu den Zeitgenossen
Fragen nach Individuum und Gesellschaft im Fokus künstlerischen Arbeitens stellen das Verhältnis des Einzelnen in seiner Einbindung in politische, soziale, kulturelle und weltanschauliche oder religiöse Gemeinschaften in den Mittelpunkt. Inwiefern beeinflussen politische und religiöse Umbrüche, wirtschaftliche Krisen oder geschichtliche Zäsuren das Bildsujet? Die Stadt Schweinfurt führte viele Jahre ein Leben im „Schatten der Grenze“, im ehemaligen Zonenrandgebiet des geteilten Deutschland. In der Präsentation im ersten Teil des Untergeschosses sind sowohl DDR-Klassiker, als auch lokale und überregionale Westpositionen sowie jüngere Äußerungen ausgestellt, vertreten unter anderem von: Thomas Baumgärtel, Böhler & Orendt, Jürgen Brodwolf, Hartwig Ebersbach, Hubertus Hess, Robert Höfling, Ottmar Hörl, Harald Klemm, Christofer Kochs, Gregor Torsten Kozik, Victor Kraus, Michael Morgner, Manfred Paul, Stefan Plenkers, Gerhard Rießbeck, Sebastian Stumpf, Hans Ticha, Robert Weissenbacher.
Vom November 2013 bis März 2014 wurde die Sammlung Gunter Sachs gezeigt. Im Gegensatz zur Premiere in der Villa Stuck in München stellte der älteste Sohn von Gunter Sachs, Rolf Sachs, für die Ausstellung in der Kunsthalle 70 zusätzliche Exponate zur Verfügung.[2] Die Ausstellung mit Werken von Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Salvador Dali, Max Ernst und anderen hatte 64.744 Besucher und 858 gebuchte Führungen mit insgesamt 17.000 Teilnehmern. Wegen des unerwartet großen Andrangs wurden die Öffnungszeiten erweitert.[3] Die Ausstellung verstand sich als „eine Hommage der Familie Sachs an ihre Wurzeln“. Gunter Sachs selbst hatte jedoch ein distanziertes Verhältnis zu seiner Heimatstadt.[2]
Gunter Sachs – Kamerakunst. Fotografie, Film und Sammlung
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Kunsthalle fand 2019 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kulturaustausch in Tübingen die Ausstellung Gunter Sachs – Kamerakunst. Fotografie, Film und Sammlung statt. Die von Sachs gesammelten Werke bekannter Fotografen wie Richard Avedon, Irving Penn, Andreas Feininger oder Andy Warhol wurden hier mit seinen eigenen fotografischen Arbeiten verwoben.[4][5]
InformELLE Künstlerinnen der 1950er/60er Jahre
Von Februar bis Juni 2025 bietet die Ausstellung eine neue Perspektive auf das Informel und zeigt hochkarätige Positionen von 16 Künstlerinnen. Neben bekannteren Namen werden auch lange übersehene Persönlichkeiten vorgestellt. So waren Maria Helena Vieira da Silva und Brigitte Meier-Denninghoff bereits auf den ersten documenta-Ausstellungen in Kassel vertreten und erlangten internationales Ansehen. Viele andere Künstlerinnen dagegen gerieten trotz früher Erfolge in Vergessenheit und konnten sich nicht langfristig im Kunstbetrieb behaupten. Die Ausstellung beleuchtet Fragen zu Netzwerken, Ausstellungsbeteiligungen und zur Rezeption der Künstlerinnen.
Rolf Sachs - Berühren
Von Juli bis Oktober 2025 zeigt die Kunsthalle Schweinfurt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kulturaustausch in Tübingen die Ausstellung Berühren. Zu sehen sind Arbeiten des Künstlers Rolf Sachs von der klassischen Malerei über Plastiken, Installationen oder Fotokunst und Designobjekte.
Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken
Die Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken wurde erstmals im Jahr 2009 veranstaltet, seitdem findet sie im Drei-Jahres-Rhythmus statt, zuletzt 2024 unter dem Motto „Aufgefächert“[6] mit Werken von neun Künstlerinnen.
Kunstverein und Museumspädagogik
Der 1986 gegründete Kunstverein Schweinfurt e. V. ist der Förderverein der städtischen Museen und Galerien am Ort. Er richtet im „Kunstsalong“ im Obergeschoss Ausstellungen sowie Werkschauen von Künstlermitgliedern aus. Zudem unterstützt er mäzenatisch Ausstellungen, Ankäufe und Katalogproduktionen.
Otto Letze, Wilfried Dickhoff, Rose-Maria Gropp: Die Sammlung Gunter Sachs – Katalogbuch zu den Ausstellungen in München 2013 und Schweinfurt 2013–2014. Hirmer Verlag, München 2012, ISBN 978-3-7774-5451-1.
Erich Schneider, Andrea Brandl: Diskurse. Deutsche Kunst nach 1945 – Kunsthalle Schweinfurt. Schweinfurter Museumsschriften 162/2009, ISBN 978-3-936042-45-0.
Andrea Brandl (Hrsg.), Schweinfurt schwimmt in Kunst! 10 Jahre Kunsthalle Schweinfurt. Schriften der Kunsthalle Schweinfurt Nummer 235, 2019, ISBN 978-3-945255-20-9