Das Christentum verbreitete sich vor fast 2000 Jahren im Gebiet der heutigen Türkei. In den letzten 900 Jahren hat sich das zuvor fast ausschließlich von Christen besiedelte Gebiet nach Jahrhunderten des Zusammenlebens beider Religionen zu einem fast ausschließlich von Muslimen bewohnten Gebiet gewandelt.
Aufgrund historischer Belastungen wie des Völkermords an den Armeniern und Assyrern[1] (auch bekannt als Aramäer oder Chaldäer) sowie der Vertreibung der Griechen machen sie heute als religiöse Minderheit nur noch 0,2 % der Bevölkerung aus. Vor allem der Völkermord an den Armeniern hatte sich in dem kollektiven Gedächtnis der Christen derart verfestigt, dass dieser Genozid der entscheidende Auslöser für viele Christen war, aus der Türkei zu flüchten.[2]
Insgesamt leben noch etwa 100.000 Christen in der Türkei, andere Quellen geben etwa 170.000 an.[3] Rund 85 % leben in der Region um Istanbul, wo die Christen vor allem der armenischen Gemeinde angehören.[4]
Später lebten hier viele der bedeutendsten Kirchenväter. Alle sieben in Ost und West gemeinsam anerkannten Ökumenischen Konzilien fanden ebenfalls auf heute türkischem Boden statt. Dadurch wurde hier das gesamte Christentum des ersten Jahrtausends der christlichen Ära maßgeblich geprägt.
Nach der Schlacht bei Manzikert im Jahr 1071 gründeten türkische Seldschuken in einem Teil Kleinasiens Staaten, in denen der Islam Staatsreligion war. Langfristig setzte sich von diesen Staaten das Osmanische Reich durch, das nicht nur die übrigen seldschukischen Staaten eroberte, sondern auch das byzantinische oder oströmische Reich.
Ab 1461 beherrschte das Osmanische Reich alle Gebiete der heutigen Türkei. Allmählich wurden die Christen zur Minderheit im Land. Ihre Rechtsstellung wurde durch das Millet-System geregelt.
Verfolgung und Vertreibung der Christen im frühen 20. Jahrhundert
Die türkischen Christen im anatolischen Teil des damaligen Osmanischen Reichs zählten Ende des 19. Jahrhunderts noch mehr als zwei Millionen und machten damit ein Viertel der Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Türkei aus. Anatolien hatte im 19. Jahrhundert hunderttausende muslimischer Flüchtlinge (Muhacir) aufgenommen – Albaner, Bosniaken und Balkantürken, die aus den Balkanländern nach deren Lossagung vom osmanischen Reich geflüchtet waren. Das führte zunächst zum demographischen Absinken des christlichen Bevölkerungsanteils im anatolischen Teil der späteren Türkei. Allein 850.000 muslimische Flüchtlinge wurden in den von armenischen Christen bewohnten Gegenden angesiedelt.[5]
Ab Mitte des 19. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die meisten Christen aus dem Gebiet der heutigen Türkei vertrieben oder getötet. Die Vertreibung und teilweise Massenermordung von Minderheitsgruppen erfolgte in einzelnen Schritten:
1894–1896 wurden bei ersten antiarmenischen Pogromen 80.000 bis 300.000 armenische Christen ermordet.[8][9][10][11][12] Das Massaker richtete sich hauptsächlich gegen die armenische Bevölkerung, wandelte sich im Verlauf jedoch zu allgemein antichristlichen Pogromen, bei dem nach einer zeitgenössischen Quelle etwa 25.000 Assyrer ermordet wurden.[13]
1909 wurden bei pan-islamischen, antiarmenischen Pogromen in Adana und der Provinz Kilikien 30.000 armenische Christen ermordet.[14] Bis 1910 forderten die anschließenden Epidemien und eine Hungersnot unter den schlecht versorgten Überlebenden der Massaker weitere 20.000 Opfer.[15]
Während des Zweiten Balkankrieges 1913 wurden die orthodoxen und katholischenBulgaren aus Ostthrakien und die Bulgaren aus den anatolischen Gebieten vertrieben. Schätzungen der Vertriebenenorganisationen und der bulgarisch-orthodoxen Kirche belaufen sich auf zwischen 60.000 und 400.000 Flüchtlinge.
1922–1923 wurden ca. 1.250.000 griechisch-orthodoxe Christen im Zuge der griechischen Niederlage im griechisch-türkischen Krieg und gemäß dem anschließend vereinbarten Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei nach Griechenland vertrieben.[19] Ausgenommen waren lediglich die griechisch-orthodoxen Gemeinden in Istanbul und auf den Inseln Bozcaada und Gökçeada. Beim Bevölkerungsaustausch wurden auch 500.000 muslimische Türken aus Griechenland in den neuen türkischen Nationalstaat vertrieben. Zehntausende Christen wurden nach der Eroberung der griechischen Gebiete oder bei den Vertreibungen ermordet.[20]
1955 verließen nach dem vor allem gegen Griechen gerichteten Pogrom von Istanbul Tausende griechisch-orthodoxe Einwohner die Stadt.[21] Von 110.000 Griechen im Jahr 1923[22] waren zehn Jahre nach dem Pogrom nur noch 48.000 geblieben.[23]
Die Nachkommen der verbliebenen Christen leben vorwiegend in Istanbul (griechisch-orthodoxe und armenische Christen), im Tur Abdin (meist syrisch-orthodoxe Christen) sowie im Südosten in der Provinz Hatay um die altkirchliche Patriarchenstadt Antiochien, dem heutigen Antakya. Diese Provinz war bis in die 1920er Jahre syrisches Gebiet. Auch in Izmir gibt es noch kleine christliche Gemeinden, die allerdings seit dem Brand von Smyrna 1922 nur noch marginale Bedeutung haben.
Lage und Entwicklung
Menschenrechtsorganisationen wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) beurteilen die Behandlung und Situation der türkischen Christen negativ.[24] Entgegen der in der Türkei nach Artikel 24 der türkischen Verfassung geltenden Religionsfreiheit gibt es zahlreiche Beeinträchtigungen, so das staatliche Verbot, Pfarrer und Religionslehrer auszubilden und Behinderungen beim Bau von christlichen Kirchen. Insgesamt nahm die Intoleranz der türkischen Regierung gegenüber religiösen Minderheiten in den letzten Jahren zu.[3]
Religiös motivierte Gewalttaten und Attentate auf türkische und ausländische Christen sowie Anschläge auf christliche Gebäude gibt es in der Türkei nach wie vor.[3]
Vertreter der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei haben die Darstellung ihrer Glaubensgemeinschaft in staatlichen Schulbüchern kritisiert. Die Christen werden in Geschichtsbüchern als Landesverräter beschrieben, die aus wirtschaftlichen Gründen aus der Türkei ausgewandert und im Westen „zum Werkzeug der politischen und religiösen Interessen der dortigen Länder“ geworden seien. Vertreter der syrisch-orthodoxen Christen beklagten, dadurch werde die Feindschaft der christlichen Minderheit gegenüber weiter vertieft.[25] Im Oktober 2015 veröffentlichte die türkische Bibelgesellschaft im Auftrag von fünf christlichen Konfessionen in der Türkei ein 96-seitiges Heft mit dem Titel Das Christentum und seine Grundsätze.[26][27] In leicht verständlichem Türkisch soll das Heft türkischen Schulen als Grundlage dienen und vorherige missverständliche Darstellungen zum Christentum aufklären.[28][29]
Im Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923, der in der Türkei bis heute gilt, wurden den Anhängern von zwei christlichen Konfessionen und des Judentums einige Minderheitenrechte zugesprochen. Demnach sind allerdings nur die griechisch-orthodoxe Kirche und die Armenisch-Apostolische Kirche als christliche Konfessionen anerkannt. In der Türkei sind die Assyrer als Minderheit nicht anerkannt. Ihre Kultur und Sprache können sie nur versteckt in den Kirchen praktizieren, die Kirchensprache wird heimlich gelehrt.[31] Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker wurde der Lausanner Vertrag mittlerweile durch türkische Gesetze ausgehöhlt, sodass der Gebrauch der Minderheitenrechte kaum noch möglich ist.[24]
Zu den weiterhin ungeklärten Problemen zählen die nicht mögliche Ausbildung von christlichen Geistlichen und die anhaltende Schließung des Seminars vonHeybeliada und des Heilig-Kreuz-Seminars. Theologie kann auch von christlichen Studenten nur noch an islamisch-theologischen Fakultäten studiert werden. Pfarrer müssen sich entweder als Diplomaten ausweisen oder türkische Staatsangehörige sein. Der Rechtsstatus der nicht vom Lausanner Vertrag geschützten Kirchen, die lediglich als Vereine von Einzelpersonen existieren, sowie damit zusammenhängend der Erwerb oder Bau und die religiöse Nutzung von Immobilien. Auch die Renovierung alter Kirchen ist durch juristische Schikanen erschwert, Enteignungen von Kirchengütern noch immer Praxis. Seit der Regierung durch Erdogan erhalten die Kirchen indessen vermehrt Eigentum zurück.[33] Trotz Änderungen im Bau- und Vereinsrecht gilt nach Einschätzung von missio: „Sicher auch mittelfristig nicht möglich sein wird der Bau von Gebetsstätten in Trägerschaft von Kirchen, da die Kirchen keinen Rechtsstatus haben.“[34] Evangelische Christen fordern, dass in der geplanten neuen türkischen Verfassung die Religionsfreiheit gestärkt wird.[35]
Die Unterhalts- und Beschäftigungskosten von kirchlichen Bauten und anderen kirchlichen Immobilien, dem kirchlichen Personal sowie der kirchlichen Arbeit werden durch die jeweilige christliche Gemeinschaft überwiegend allein getragen. Eine finanzielle Unterstützung seitens des Präsidiums für Religionsangelegenheiten erfolgt nicht wie im Falle der Moscheen.[36] Der türkische Staat übernimmt freilich die Stromrechnungen der Kirchen und beteiligt sich finanziell an ihren Renovierungen.[37][38]
Gemäß Artikel 24 der Verfassung der Republik Türkei ist die Teilnahme an dem am sunnitischen Islam orientierten Religionsunterricht an Grundschulen und Mittelschulen grundsätzlich für alle Schüler Pflicht.[39] Christliche und jüdische Schüler werden jedoch auf Wunsch vom Religionsunterricht befreit.[40]
Im Jahr 2008 stellte das türkische Präsidium für Religionsangelegenheiten durch eine Fetva fest, dass eine Abkehr vom Islam hin zu einer anderen Religion erlaubt sei. Der Koran sehe neben einer jenseitigen Strafe keine weltliche Strafe für den Abfall vom Islam vor.[41] Dies ist relevant, besonders für Bürger der Republik Türkei, die vom Islam zum Christentum konvertieren. Der Übertritt sei aus islamischer Sicht immer dann zulässig, „wenn der Übertritt nicht den Boden bereite für eine Auflehnung gegen den Islam und die rechtmäßige Ordnung“. Die Todesstrafe für Abkehr vom Islam sei hingegen dann gerechtfertigt, wenn der Apostat gegen den Islam Krieg führe, indem er beispielshalber Muslime unter Anwendung von Gewalt bekämpfe oder ermorde.[42] Diese Ansicht deckt sich mit der Sure 5:32 des Korans, nach welcher der Islam die Todesstrafe nur für Mord und Unheilstiftung (Krieg) vorsieht.[43] Siehe auch: Kein Zwang in der Religion.
Sakralbauten, Kirchen und Klöster
Die Pauluskirche in Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus, ist eine christliche Pilgerstätte. Die ihm geweihte griechisch-orthodoxe Kirche wurde 1943 vom türkischen Staat beschlagnahmt, als Militärlager genutzt und ist heute ein Museum. Christen konnten dort zwar Gottesdienste feiern, mussten ihre Reliquien aber nach den Messen wieder einpacken.[44] Erzbischof Joachim Kardinal Meisner war bemüht, in Tarsus die bestehende Kirche zu übernehmen oder eine neue Kirche bauen zu dürfen. Die türkische Regierung schließt eine Rückgabe des Gebäudes an die Kirche aus.[45] Die katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen begingen 2008/2009 die Zweitausendjahrfeier der Geburt des Apostels mit einem Paulusjahr. Im Juni 2008 erlaubte das türkische Kultusministerium, die Kirche für Gebete im Paulusjahr zu nutzen.[44]
Die rechtliche Situation von entwidmeten oder umgewidmeten Kirchen, Klöstern und Friedhöfen ist unklar. Gewisse Gruppierungen fordern immer wieder, dass Kirchen, die zu Museen erklärt worden sind, in Moscheen umgewidmet werden. Unter dem Einfluss des stellvertretenden Ministerpräsidenten und ehemaligen Parlamentspräsidenten der Großen Nationalversammlung der TürkeiBülent Arınç wurde die leerstehende ehemalige Kirche Hagia Sophia in Nikäa in eine aktive Moschee verwandelt. In der besagten Kirche fand das Zweite Konzil von Nikäa statt. Im Jahre 2000 war dem Ökumenischen Patriarchen erlaubt worden, die Göttliche Liturgie dort zu feiern.[46]
Viele christliche Bauten, Friedhöfe und andere teils sehr bedeutende Stätten des christlichen Glaubens befinden sich in einem entwidmeten bzw. umgewidmeten oder (teilweise mutwillig) zerstörten Zustand.[47]
Das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Kloster Mor Gabriel, eines der ältesten christlichen Klöster der Welt, ist Schutzburg und Wallfahrtsort für die syrische Minderheit der Türkei. Das Kloster wurde im Jahr 397 gegründet. Über Jahrhunderte Übergriffen von Türken und Kurden ausgeliefert, steht es seit 2008 im Mittelpunkt einer politischen Kampagne, nachdem es von drei kurdischen Dörfern wegen „rechtswidriger Ansiedelung“ verklagt.[48]
Dem Kloster wird vorgeworfen, dass hier illegal Aramäisch unterrichtet wird. Ende Dezember 2008 fand in der nächstliegenden Stadt Midyat ein Gerichtsverfahren um den Fortbestand des Klosters statt, dessen Existenz damit seitens staatlicher Behörden in der Türkei durch Enteignung und Auflösung des Klosterbetriebes bedroht ist.[49]
Neue Katasteramts-Registrierungen ermöglichen es angrenzenden Bauern, die bisher keinerlei Grundbuch-Urkunden besitzen, Ländereien des Klosters für sich zu fordern. Die Kläger werden durch lokale Politiker der regierenden AKP unterstützt. Die Europäische Union hat zu dem Prozess Beobachter entsandt. Am 10. Mai 2019 wurde der Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf die Rückgabe der 27 Hektar großen Fläche um das Kloster herum abgelehnt.[50]
Aufgrund von Beschlüssen des türkischen Verfassungsgerichtshofes mussten 1970 das Priesterseminar der armenischen Christen in Üsküdar (Heilig-Kreuz-Seminar) den Lehrbetrieb einstellen, im Sommer 1971 das 1844 gegründete griechisch-orthodoxe Priesterseminar von Chalki und 1980 das in den 1950er Jahren eröffnete Syrisch-Orthodoxe klosterinterne Priesterseminar des Klosters Mor Gabriel die Pforten schließen.
Im ostthrakischenEdirne, wo noch 1873 Bulgaren und Griechen über die Hälfte der Bevölkerung stellten, existieren heute nur noch zwei Kirchen, die in den 2000er Jahren restauriert wurden.
Im August 2011 entschied der türkische Ministerpräsident Erdoğan, durch einen Erlass einigen nichtmuslimischen Minderheiten in der Türkei in der Vergangenheit konfiszierte Immobilien und Sakralbauten zurückzugeben. Das Oberhaupt des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, Bartholomäus I., und Vertreter der Europäischen Union begrüßten die Entscheidung als Wiedergutmachung von früherem Unrecht. Die Rückgabe der konfiszierten Immobilien ist eine Forderung der EU in den Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union.[51] Dieser Erlass gilt jedoch nur für das Ökumenische Patriarchat, für das Armenische Patriarchat und für die türkischen Juden. Andere religiöse Gemeinschaften bleiben hiervon ausgeschlossen.[52]
Im Ramadan 2016 wurde vom Staatsfernsehen TRT täglich um 2.00 Uhr aus der Hagia Sophia in Istanbul die Rezitation von Koranversen übertragen.[53] Darüber hinaus gab es aus der Regierungspartei AKP Stimmen, die die Hagia Sophia wieder dauerhaft zur Moschee machen möchten. Dies wurde dann im Jahr 2020 umgesetzt.[54]
Internationale Kritik
Die Beseitigung von Diskriminierungen der christlichen Minderheit gehört zu den Forderungen der Europäischen Union in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei an den Beitrittskandidaten Republik Türkei.
Der damalige deutsche Bundespräsident Christian Wulff rief den türkischen Staat im Oktober 2010 in einer Rede vor dem türkischen Parlament in Ankara auf, die Rechte der Christen im Land zu verbessern und ihnen freie Religionsausübung zu ermöglichen. „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei“, erklärte Wulff in dieser Rede.[55]
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisierte Ende 2005, dass sich die Lage der religiösen Minderheiten seit dem EU-Beschluss für Beitrittsverhandlungen eher verschlechtert habe. Unter anderem sei es der Regierung Erdoğan auch 2004 nicht gelungen, Angriffe auf Christen und Kirchen zu verhindern.[56] Außerdem habe die Türkei einige Zusagen an die christlichen Gemeinden nicht erfüllt. Weiter wird das harte Vorgehen gegen Autoren, Bürgerrechtler und Journalisten verurteilt, die sich um eine Aufklärung des Völkermordes an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts bemühen.
2006 startete die IGFM einen internationalen Appell unter dem Motto „Türkei: Erst die Christen vertreiben, dann in die EU?“ Darin fordert die IGFM nochmals den EU-Ministerrat auf, „angesichts der negativen Entwicklung in der Türkei eine deutliche Klärung der Vorgänge in der Türkei zu verlangen und konsequent auf der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien zu bestehen“. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., stellte 2006 fest, dass sich die Lage der Christen in der Türkei „vom Schlechten zum Schlechteren“ wende.[56]
Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats, Fener, Istanbul
Rum-Orthodoxe Kirche: Die türkische Provinz Hatay mit der Stadt Antakya, dem antiken Antiochien, gehört kirchenrechtlich nicht zum Territorium des Ökumenischen Patriarchats, sondern zum Patriarchat Antiochien. Die Mehrheit der örtlichen Orthodoxen sind arabischsprachig. Der Patriarch von Antiochien residiert seit Langem in Damaskus (Syrien).
Türkisch-Orthodoxes Patriarchat: Die Türkisch-Orthodoxe Kirche wurde aus dem Willen geboren, eine türkische Nationalkirche zu schaffen. Sie ist zahlenmäßig ganz unbedeutend und steht außerhalb der Gemeinschaft der kanonischen Orthodoxie.
Susanne Landwehr: Christen in der Türkei. Essay. In: Udo Steinbach (Hrsg.): Länderbericht Türkei (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung. Band 1282). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2012, ISBN 978-3-8389-0282-1, S. 229–231.
↑Svante Lundgren: Die Assyrer von Ninive bis Gütersloh. LIT Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-643-13256-7, S.176.
↑Christoph Leonhardt: Der levantinische Krieg: Die islamistische Bedrohung und die Re-definierung politischer Allianzen im Libanon. Eine kritische Analyse zur Positionierung interviewter Rum- und Syrisch-Orthodoxer Christen. In: Martin Tamcke (Hrsg.): Das ist mehr als ein Beitrag zur Völkerverständigung. Zur Geschichte und Rezeption des Völkermordes an den Armeniern (= Göttinger Orientforschungen I.: Syriaca Band 52). Harrassowitz, Wiesbaden 2016, S. 185–232.
↑Oehring: Gutachterliche Stellungnahme. (PDF; 1,2 MB) 6. April 2008, S. 66, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Januar 2012; abgerufen am 21. Juli 2013.
↑Wolfgang Gust: Eigene Buchbesprechungen: Taner Akçam: A shame ful Act, The Armenian Genocide and the Question of Turkish responsibility – „Taner Akçam erinnert nicht nur an die vielen christlichen, sondern auch an die vielen muslimischen Opfer des Untergangs des Osmanischen Reichs in Europa – von der türkischen Historiographie der Gegenwart besonders hervorgekehrt, von der westlichen weitgehend verschwiegen –, um zumindest die Empörung mancher Jungtürken zu erklären. Schon nach 1840 waren viele Muslime nach Massakern aus Europa geflohen. In den Jahren 1855 bis 1866 waren es in der Folge des Krimkriegs eine Million. Hunderttausende flohen aus Serbien und Kreta und nochmals Tausende nach dem russisch-osmanischen Krieg. Und nun gab es die Massaker an Muslimen in den verbliebenen Balkangebieten. Besonders an den Kriegsakademien nistete sich der Geist der Revanche für diese Verluste ein.“ [86]
„Die Ankunft der rumelischen Flüchtlinge nach Ende 1912“, schrieb der englische Historiker Arnold Toynbee, der das Land zu jener Zeit besuchte, „schaffte eine beispiellose Gefühlsspannung in Anatolien und einen Wunsch nach Revanche.“ „Der letzte Punkt ist entscheidend für den folgenden Völkermord an den Armeniern“, schreibt Akçam, „denn es waren genau diese Leute, gerade selbst von Massakern davongekommen, die eine zentrale und direkte Rolle bei der Säuberung Anatoliens von nicht-muslimischen Elementen spielten. Die Dimension dieser Migration und ihre Ergebnisse werden klarer, wenn wir daran erinnern, daß zwischen 1878 und 1904 etwa 850000 Flüchtlinge allein in den vorherrschend von Armeniern bewohnten Gebieten angesiedelt wurden.“ [87]
↑Taner Akçam: A Shameful Act: The Armenian Genocide and the Question of Turkish Responsibility. Metropolitan Books, New York 2006, ISBN 0-8050-7932-7, S. 42.
↑Samuel Totten, Paul R. Bartrop, Steven Leonard Jacobs: Dictionary of Genocide. Greenwood Press, Westport (Connecticut) 2008, ISBN 978-0-313-32967-8, S. 23.
↑Charles King: The Black Sea: A History. Oxford University Press, New York 2004, ISBN 0-19-924161-9, S. 210.
↑Omer Bartov, Eric D. Weitz: Shatterzone of Empires: Coexistence and Violence in the German, Habsburg, Russian, and Ottoman Borderlands. Indiana University Press, Indiana 2013, ISBN 978-0-253-00635-6, S. 184.
↑Sara Cohan: A Brief History of the Armenian Genocide. Social Education 69(6), National Council for the Social Studies, 2005, S. 333–337.
↑Anahid Ter Minassian: L'Arménie et l'éveil des nationalités (1800–1914). In: Gérard Dédéyan (Hrsg.): Histoire du peuple arménien. Editions privat, Toulouse 2007, ISBN 978-2-7089-6874-5, S. 518.
↑Grégoire Tafankejian: Mémoire en images. L'Arménie et les Arméniens. Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2010, ISBN 978-2-8138-0125-8, S. 106.
↑Diese Gebiete verlor die Türkei nach den Verträgen von Sèvres und Lausanne.
↑David Marshall Lang: The Armenians: A People in Exile. London: George Allen & Unwin, 1981, S. 37.
↑Tessa Hofmann (Hrsg.): Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Christen im Osmanischen Reich 1912–1922. LIT, Münster 2004, ISBN 3-8258-7823-6.
↑S. 1. (PDF; 252 kB) – A convention signed at the same time provided for a compulsory exchange of populations: about a million and a quarter Greeks left Turkey for Greece, and about half a million Turks returned to Turkey from Greece
↑Naimark, Norman M.: Fires of Hatred. Ethnic Cleansing in Twentieth-Century Europe. Harvard 2001, ISBN 0-674-00313-6, S. 55.
↑S. 8. (PDF; 350 kB) – Wide-scale violence against the Greek community of Istanbul, believed to have been engineered by the Turkish government of then Prime Minister Adnan Menderes, destroyed an estimated 3-4,000 shops and precipitated the exodus of thousands of ethnic Greeks from the city in 1955.
↑James B. Cuno Who owns antiquity? S. 80 in der Google-Buchsuche – Ten years after the so-called „Istanbul Pogrom“, the Greek population of Istanbul was only 48,000.
↑Recep Kaymakcan: Pluralismus und Konstruktivismus in der türkischen Religionslehre für Religionslehrer und Religionsunterrichtsprogramme. In: B. Ucar, D. Bergmann (Hrsg.): Islamischer Religionsunterricht in Deutschland. Fachdidaktische Konzeptionen: Ausgangslage, Erwartungen und Ziele. Osnabrück 2010, S. 180–200.
↑Cigdem Toprak: Wie viel Religion gehört in türkische Schulen? In: DIE WELT. 22. September 2014 (welt.de [abgerufen am 9. Oktober 2022]).