Caldern wurde, soweit bisher bekannt, urkundlich erstmals im Codex Eberhardi als Calantra erwähnt, wobei die Vorlagen dazu aus der Zeit des FuldaerAbtsRatgar 802–817 stammen. Der Name Calantra bedeutet „Kalter Baum“, aus Calan- kalt und -tra Baum. Gemeint sind exponiert gelegene Bäume in Höhenlage, was auf den nahe gelegenen etwa 250 m höheren Rimberg zutrifft. Calantra scheint deshalb der ursprüngliche Name des Rimberges zu sein, der auch für die Talsiedlung verwendet wurde. Auf dem Gipfel des Rimbergs befand sich eine eisenzeitlicheRingwallanlage Rimberg, die vermutlich bis zur Zeitenwende besiedelt war.[3] Auf einem in Ortsnähe gelegenen Bergsporn gab es eine Burg, die bereits im Hochmittelalter aufgegeben wurde.[4] Ein an deren Fuß liegender (heute nicht mehr aktiver) Brunnen, der nach dem heiligen Bonifatius benannt wurde, könnte als Hinweis darauf betrachtet werden, dass Bonifatius auf seinen Reisen durch Hessen im 7. und 8. Jahrhundert auch nach Caldern kam. Schon im frühen Mittelalter (1154) machten Mönche und Pilger auf ihrem Weg nach Rom in Caldern Station.[5]
In späteren schriftlichen Erwähnungen des Ortes erscheint als Ortsname (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[6]Calderen (1200/1220), Kalderen (1235), Caldre (1270), Kaldiren (1281), Calderin (1282), Caldern (1399) und Kallern (1502).
Neben der Kirche sind ein Teil der Klostermauer und ein ehemaliges Konventgebäude (vermutlich der Konversenbau) erhalten. Die Klostermauer wurde restauriert. Der baufällige Konventbau steht auf einem privaten Grundstück und ist daher nicht öffentlich zugänglich.[7]
Weitere Entwicklung
Neben dem Kloster war Caldern früher vor allem als Gerichts- und Richtstätte bekannt.
Zur Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Bevölkerung des Dorfs im Wesentlichen aus Tagelöhnern ohne Landbesitz zusammen, die zum Lebensunterhalt Leinen woben, bei der Ernte halfen oder Soldat wurden.[8]
Hessische Gebietsreform (1970–1977)
Zum 31. Dezember 1970 wurde Caldern mit der benachbarten Gemeinde Kernbach im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis zur neuen Gemeinde Caldern zusammengeschlossen.[9] Bereits ein Jahr später (31. Dezember 1971) entstand aus den Orten Caldern, Kernbach und Sterzhausen die Gemeinde Lahntal.[10] Am 1. Juli 1974 wiederum wurde die Gemeinde um die bisherigen Gemeinden Brungershausen, Göttingen und Lahnfels erweitert. Lahnfels hatte sich Ende 1971 aus den ehemaligen Gemeinden Goßfelden und Sarnau gebildet.[6] Für Caldern wurde, wie für die übrigen ehemaligen Gemeinden von Lahntal, ein Ortsbezirk gebildet.[11]
Verwaltungsgeschichte im Ãœberblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungsorgan,[Anm. 1] denen Caldern angehört(e):[6][12]
vor 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Gericht Kaldern (Gericht Kalden bestand aus den Orten: Kaldern, Kernbach, Dagobertshauſen, Michelbach, Brüngershausen und Wehrshausen, sowie die Hälfte von Dilschhausen)[13]
ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Marburg-Biedenkopf, Gemeinde Lahntal
Gerichte seit 1821
Mit Edikt vom 29. Juni 1821 wurden in Kurhessen Verwaltung und Justiz getrennt. In Marburg wurde der Kreis Marburg für die Verwaltung eingerichtet und das Landgericht Marburg war als Gericht in erster Instanz für Caldern zuständig. 1850 wurde das Landgericht Marburg in Justizamt Marburg umbenannt.[17] Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 wurde das Justizamt Marburg am 1. September 1867 zum königlich preußischen Amtsgericht Marburg.[18][19] Auch mit dem in Kraft treten des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1879 blieb das Amtsgericht unter seinem Namen bestehen.
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Caldern 1185 Einwohner. Darunter waren 24 (2,0 %) Ausländer.
Nach dem Lebensalter waren 222 Einwohner unter 18 Jahren, 522 zwischen 18 und 49, 246 zwischen 50 und 64 und 195 Einwohner waren älter.[20] Die Einwohner lebten in 483 Haushalten. Davon waren 117 Singlehaushalte, 138 Paare ohne Kinder und 177 Paare mit Kindern, sowie 45 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 66 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 345 Haushaltungen lebten keine Senioren/-innen.[20]
33 Mannschaften (zwei vierspännige, zwei dreispännige, sechs zweispännige Ackerleute, elf Einläuftige)
• 1681:
22 hausgesessene Mannschaften.
• 1838:
Familien: 28 nutzungsberechtigte, 31 nicht nutzungsberechtigte Ortsbürger, zehn Beisassen
Caldern: Einwohnerzahlen von 1767 bis 2022
Jahr
Einwohner
1767
278
1800
?
1834
448
1840
457
1846
468
1852
470
1858
445
1864
460
1871
422
1875
429
1885
461
1895
455
1905
483
1910
523
1925
620
1939
685
1946
990
1950
944
1956
907
1961
904
1967
975
1980
?
1990
?
2000
?
2011
1.185
2014
1.189
2022
1.227
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[6]; Zensus 2011[20]; Gemeinde Lahntal: 2014[21], 2022[2]
Blasonierung: „In Silber auf rotem Schildfuß eine rote Linde hinter einer schwarzen steinernen Gerichtsbank.“
Wappenbegründung: Um das Jahr 1050 richtete das Grafengeschlecht der Gisonen auf der Burg Hollende westlich von Treisbach das Gericht Caldern ein, dem neun Ortschaften angehörten. Die Rechtsprechung oblag dem Schultheiß ("der die Schuld heißt"), der später seinen Wohnsitz im heute noch so genannten „Schulzenhof“ in der Klosterbergstraße hatte. Der Gerichtsort war zunächst der Platz um die Gerichtslinde in der Nähe der Kirche, später der Platz zwischen dem Dorfgasthof und der Post. Gerichtssitzungen fanden unter der Gerichtslinde auf steinernen Bänken und Tischen statt. Verhandelt wurden hauptsächlich Vergehen wie Feld- und Waldfrevel, Jagd- und Fischereivergehen, Diebstahl, Beleidigungen und Körperverletzungen. Im Jahre 1821 wurde aus dem Stadtgericht Marburg, den Gerichten Caldern, Schönstadt und Reizberg und den Ämtern Wetter und Amöneburg das Landgericht Marburg gebildet. Wie lange unter der Gerichtslinde Recht gesprochen wurde, ist nicht nachweisbar. Caldern führt in seinem Ortswappen eine stilisierte Linde mit dem steinernen Gerichtstisch.
Sehenswürdigkeiten
Neben der Klosterkirche und dem erhaltenen Teil der Klostermauer gibt es in Caldern eine historische Wassermühle zu sehen, die heute immer noch durch eine ortsansässige Bäckerei zum Getreidemahlen benutzt wird. Ferner existiert ein Heimatmuseum, das vom Heimat- und Geschichtsverein betrieben wird. Beliebte Ausflugsziele sind der nahe gelegene Rimbergturm mit einer beachtlichen Weitsicht sowie die Turmspitze des durch einen Sturm zerstörten früheren Rimbergturms, welche südlich des Dorfes auf einem Hügel am Fuße des Hungert steht und eine schöne Aussicht auf das Tal der Lahn und die umliegenden Berge bietet.
Verkehr
Die Bundesstraße 62 führt unmittelbar am Ort vorbei. Im Teilort Bahnhof Caldern gibt es einen Haltepunkt an der Oberen Lahntalbahn, an der stündlich Regionalbahnen nach Marburg und über Biedenkopf nach Bad Laasphe (und alle zwei Stunden weiter nach Erndtebrück) halten. Der Bahnsteig wurde Mitte der 2000er Jahre modernisiert. Dabei wurde er gepflastert, mit taktilen Blindenleitstreifen und moderner Beleuchtung ausgestattet und auf 55 Zentimeter angehoben. Er ist für mobilitätseingeschränkte Personen problemlos erreichbar.
Heinz Loth, Friedrich Karl Azzola, Heimat- und Geschichtsverein Lahntal: Ora et labora: 750 Jahre Kloster Caldern: eine Nonnenabtei des Zisterzienserordens; 1250–1527. Heimat- und Geschichtsverein Lahntal, Lahntal-Caldern 2000, ISBN 3-00-005188-0.
Heinz Loth: Mein Caldern zwischen Rimberg, Lahn und Franzosenbrücke. Burgwald, Cölbe-Schönstadt 2007, ISBN 978-3-936291-38-4.
Heinz Loth: Kirchenfaltblatt 2012, 775 Jahre Kirche caldern, Porta patet – Die Tür ist offen. 7. Auflage. Caldern 2012.
Kurt Vogt für den „Arbeitskreis Chronik Caldern“ (Hrsg.): Calantra 817 - Caldern 2017: 1200 Jahre Chronik Von Caldern. Bing & Schwarz, Korbach, 2017.
↑Gerd Strickhausen, G. Nina Strickhausen-Bode: Die Frühzeit Calderns bis 1247. In: Calantra 817 - Caldern 2017: 1200 Jahre Chronik Von Caldern. Bing & Schwarz, Korbach, 2017, S. 29–36
↑Gerd Strickhausen, G. Nina Strickhausen-Bode: Die Burg in Caldern - Eine Burg der Grafen Giso. In: Calantra 817 - Caldern 2017: 1200 Jahre Chronik Von Caldern. Bing & Schwarz, Korbach, 2017, S. 61 ff.
↑Heinz Loth, Kirchenfaltblatt 2012, 775 Jahre Kirche caldern, Porta patet – Die Tür ist offen, 7. Auflage 2012, Caldern
↑Robert von Friedeburg: Lebenswelt und Kultur der unterständischen Schichten in der Frühen Neuzeit. 2002, S. 1
↑Zusammenschluß der Gemeinden Caldern und Kernbach im Landkreis Marburg zur Gemeinde „Caldern“ vom 10. Dezember 1970. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1970 Nr.52, S.2447, Punkt 2468 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,8MB]).
↑Gemeindegebietsreform in Hessen; Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr.2, S.47, Punkt 50 Abs. 3 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,8MB]).
↑ abHauptsatzung. (PDF; 111 kB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Lahntal, abgerufen im August 2023.
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑
Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S.107f. (online bei Google Books).
↑Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 73 f.
↑
Neueste Kunde von Meklenburg/Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und den freien Städten, aus den besten Quellen bearbeitet. im Verlage des G. H. G. privil. Landes-Industrie-Comptouts., Weimar 1823, S.158ff. (online bei HathiTrust’s digital library).
↑Verordnung über die Gerichtsverfassung in vormaligen Kurfürstentum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 19. Juni 1867. (PrGS 1867, S. 1085–1094)
↑Informationen zu Lahntal. In: Webauftritt. Gemeinde Lahntal, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Januar 2016; abgerufen am 15. Januar 2016.
↑Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Caldern, Landkreis Marburg vom 15. Juli 1969. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1969 Nr.31, S.1309, Punkt 1066 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,1MB]).