Ziegenhain entstand im 11. Jahrhundert zur Sicherung eines Übergangs über die Schwalm. Die Grafen von Cigenhagen wurden 1144 zum ersten Mal urkundlich genannt. 1275 erhielt Ziegenhain das Stadtrecht.
Nach dem Tod von Johann II., dem letzten Grafen von Ziegenhain, im Jahre 1450 fiel die Grafschaft und mit ihr die Stadt Ziegenhain an die Landgrafschaft Hessen. Graf von Ziegenhain ist noch heute Bestandteil der Titulatur im hessischen Fürstenhaus.
Landgraf Ludwig II. („der Freimütige“) von Hessen ließ die Burg in Ziegenhain 1470 zu einem Schloss umbauen. Sein Enkel Philipp I. ließ sie von 1537 bis 1548 zu einer Wasserfestung ausbauen, und diese galt bis zu ihrer durch Napoleon verfügten Schleifung 1807 als hessische Hauptfestung.
Frühe Neuzeit und 19. Jahrhundert
Östlich des befestigten Stadtbezirks entstand die Vorstadt Weichaus, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts bereits nach Anzahl der Haushaltungen größer als Ziegenhain war. Die beiden Stadtteile wuchsen durch weitere Bebauung im Laufe der Jahre zusammen.
Von einer wirtschaftlichen Blüte zeugt die Tätigkeit von Goldschmieden zwischen etwa 1680 und 1790 in Ziegenhain.[4]
Im Jahr 1728 lud Landgraf Karl die Schwälmer Bauern nach Ziegenhain zu einem Kartoffel- und Salatessen ein, um sie vom Kartoffelanbau zu überzeugen. Zur Erinnerung daran findet seither am zweiten Wochenende nach Pfingsten die Ziegenhainer Salatkirmes statt.
Im Siebenjährigen Krieg musste die hessische Armee während des Vormarsches französischer Truppen die Festung Ziegenhain räumen. Bei einem missglückten hessischen Rückeroberungsversuch wurde 1761 die Festung in Brand geschossen und dabei wurden 47 Gebäude zerstört. Erst 1762 gelang die Rückeroberung.[5]
Von der Salatkirmes des Jahres 1934 ist Filmmaterial bis heute erhalten.[6]
1939 entstand das Stammlager IX A, das nach dem Zweiten Weltkrieg als Durchgangslager für Displaced Persons diente und auf dessen Areal 1951 die Ortschaft Trutzhain angelegt wurde.
Im Zuge der Gebietsreform in Hessenfusionierten zum 31. Dezember 1970 die beiden Städte Treysa und Ziegenhain mit den umliegenden bis dahin selbständigen Gemeinden Ascherode, Florshain, Frankenhain, Niedergrenzebach, Rommershausen und Trutzhain auf freiwilliger Basis zur neuen Stadt Schwalmstadt.[7] Dadurch wurde Ziegenhain ein Stadtteil von Schwalmstadt. Schwalmstadt übernahm somit von Ziegenhain die Funktion der Kreisstadt, verlor diese aber an Homberg, als die Landkreise Ziegenhain, Melsungen und Fritzlar-Homberg am 1. Januar 1974 zum Schwalm-Eder-Kreis zusammengelegt wurden. Für die ehemals eigenständigen Städte und Gemeinden von Schwalmstadt wurde je ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[8] Der Verwaltungssitz der Stadt Schwalmstadt teilt sich zwischen den Rathäusern von Treysa und Ziegenhain auf.
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Ziegenhain angehört(e):[9][10]
ab 1971: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Ziegenhain, Stadt Schwalmstadt
ab 1974: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Schwalm-Eder-Kreis, Stadt Schwalmstadt
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Ziegenhain 4290 Einwohner. Darunter waren 270 (6,3 %) Ausländer.
Nach dem Lebensalter waren 621 Einwohner unter 18 Jahren, 1749 zwischen 18 und 49, 924 zwischen 50 und 64 und 999 Einwohner waren älter.[14] Die Einwohner lebten in 1809 Haushalten. Davon waren 624 Singlehaushalte, 528 Paare ohne Kinder und 453 Paare mit Kindern, sowie 159 Alleinerziehende und 45 Wohngemeinschaften. In 414 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 1206 Haushaltungen lebten keine Senioren.[14]
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[9]; Stadt Schwalmstadt[15]; Zensus 2011[14]
ein Apotheker, ein Bader, zwei Bender, 19 Bäcker, drei Brauknechte, zwei Buchbinder, ein Chirurg, 16 Krämer, ein Dachdecker, zwei Färber, drei Gasthalter und Wirte, 27 Gemeinere, ein Hutmacher, ein Knopfmacher, ein Koch, 18 Leineweber, zwei Löhner, sechs Maurer, 17 Metzger, ein Musikus, ein Müller, 9 Hufschmiede, ein Kupferschmied, vier Sattler, ein Schirrmacher, 18 Schneider, 21 Schuhmacher, 6 Schreiner, zwei Seiler, ein Seifensieder, drei Strumpfweber und -stricker, ein Tabakspinner, ein Töpfer, vier Wagner, vier Wollweber und Tuchmacher, drei Zimmermeister
• 1838:
Familien: 16 Ackerbau, 235 Gewerbe, 69 Tagelöhner
• 1961:
Erwerbspersonen: 84 Land- und Forstwirtschaft, 880 Produzierendes Gewerbe, 238 Handel und Verkehr, 536 Dienstleistungen und Sonstiges
Eine Jüdische Gemeinde bestand in Ziegenhain möglicherweise bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, mit Sicherheit aber seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann bis 1938/40. Im 19. Jahrhundert zählte die Gemeinde etwa 100 Personen, nahm aber nach der Jahrhundertwende durch Abwanderung stetig ab. Im Jahre 1933 lebten noch 53 jüdische Einwohner in der Stadt.
Im Jahre 1853 wurde eine Synagoge im Stadtteil Weichaus in der Kasseler Straße 28 eingeweiht, mit einer Mikwe (rituelles Bad) im Erdgeschoss. Im an der Straße gelegenen, 1835 erbauten Vorderhaus befanden sich die Lehrerwohnung im Obergeschoss, der Schulraum und das rituelle Bad im Erdgeschoss; im 1852/53 angebauten Hintergebäude war der Betsaal mit der Frauenempore. Der Friedhof der Gemeinde befand sich im nahen Niedergrenzebach. Eine Elementarschule bestand von 1870 bis 1922 im Synagogengebäude; danach gab es nur noch eine Religionsschule. Da durch zunehmende Ab- und Auswanderung nach 1933 das Ende der Gemeinde absehbar war, wurde das Gebäude noch vor 1938 an eine christliche Familie verkauft. Dennoch wurde das Gebäude beim Novemberpogrom 1938 durch SA- und NSDAP-Leute verwüstet. Die beiden noch verbliebenen jüdischen Geschäfte und die jüdischen Wohnungen wurden demoliert, und die jüdischen Einwohner der beiden benachbarten Häuser Kasseler Straße 23 und 24 wurden misshandelt.
Von den 53 im Jahre 1933 verbliebenen jüdischen Einwohnern der Stadt starben sechs bis 1939 in Ziegenhain. Alle anderen zogen wegen der zunehmenden Entrechtung und Repressalien weg oder wanderten ganz aus Deutschland aus. Im April 1939 verließen die letzten von ihnen die Stadt. Von den in Ziegenhain geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen fanden mindestens 34 in der NS-Zeit einen gewaltsamen Tod.
Politik
Für Ziegenhain besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Ziegenhain) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.
Der Ortsbeirat besteht aus neun Mitgliedern.[8] Bei der Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 41,19 %. Es erhielten die SPD mit 29,66 % der Stimmen drei Sitze, die CDU mit 29,61 % zwei Sitze und die „Freien Wähler“ mit 10,73 % vier Sitze.[16] Der Ortsbeirat wählte Burkhard Walz (SPD) zum Ortsvorsteher.[17]
Durch Ziegenhain verlaufen die Bundesstraßen254 und 454, die sich in Ziegenhain kreuzen.
Der nächste Autobahnanschluss (A 49) befindet sich beim Nachbarortsteil Treysa, westlich von Ziegenhain. Die nächste Autobahnanschlussstelle Richtung Süden befindet sich bei Alsfeld an der A 5.
Literarische Erwähnung fand Ziegenhain in Jean Pauls Roman Hesperus oder 45 Hundposttage: Ein irrlaufender Brief von Fenk ging in dem Roman durch 15 Hände, unter anderem auch durch Ziegenhain.
Heinz Reuter (Hrsg. Peter Reuter): Ziegenhain – Geschichte der Stadt 782–1973. Dritte erweiterte Auflage 2000. Schwalmstadt, 2000
Zum Kriegsgefangenenlager in Ziegenhain im Februar 1945, siehe Agnes Humbert Notre guerre, souvenirs de Resistance (Tallandier Editions, 2004).
Die Dreharbeiten zu der Romanverfilmung Der Winter, der ein Sommer war fanden zum Teil in Ziegenhain statt. Die Handlung des gleichnamigen Romans von Sandra Paretti beginnt in Ziegenhain.
↑Götz J. Pfeiffer: Goldschmiede des Barock in Ziegenhain. Johann Christoph Wolff, Johann Michael Pletong und Johann Andreas Siegfried. In: Schwälmer Jahrbuch. 2020, S.72–78.
↑F. von Appel: „Die ehemalige Festung Ziegenhain“. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Neue Folge 25, 1901, S. 192–320.
↑Zusammenschluss von Gemeinden zur Stadt „Schwalmstadt“ Landkreis Ziegenhein vom 7. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr.4, S.139, Punkt 158 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3MB]).
↑ abHauptsatzung. (DOCX; 30 kB) § 5. In: Webauftritt. Stadtverwaltung Schwalmstadt, abgerufen im Januar 2022.
↑
Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S.81f. (online bei Google Books).
↑Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 73 f.
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