Die Stadt liegt in der Woiwodschaft Lebus, etwa 80 Kilometer östlich von Zielona Góra (Grünberg in Schlesien). Benachbarte größere Ortschaften sind im Osten Leszno (Lissa) und im Südwesten Głogów (Glogau).
Geschichte
Mittelalter
Die Stadt wurde um 1250 nach Magdeburger Recht in einem zwischen Schlesien und Großpolen (Wielkopolska) umstrittenen Gebiet von deutschen Kolonisten gegründet. Schon im 12. Jahrhundert war die Bevölkerung der Ortschaft deutsch.[1] Ursprung war vermutlich eine Grenzburg, aus der sich eine Siedlung entwickelte. Nach Meyers Lexikon wurde Fraustadt von Schlesiern angelegt und gehörte dann zum Herzogtum Glogau.[2]
Die erste nachweisliche Nennung des Ortes als „Veschow“ datiert auf das Jahr 1248. Die erste Nennung als „Frowenstat Civitas“ stammt aus dem Jahre 1290.
Bis 1343 wechselte der Besitz häufig, dann wurde das Fraustädter Land vom polnischen König Kasimir dem Großen erobert und Fraustadt als unmittelbar dem König unterstellte Immediatstadt privilegiert. Das Fraustädter Land wurde ein eigenständiges Verwaltungsgebiet (Ziemia). Dennoch kam es zu wiederholten Versuchen der von Deutschen bewohnten Stadt, wieder mit dem benachbarten schlesischen Herzogtum Glogau vereint zu werden.[3] König Władysław II. Jagiełło gewährte 1426, dass gegen Fraustadt „kein polnisches Recht gelten“ sollte.[3]
Frühe Neuzeit und Reformation
Im 16. Jahrhundert gehörte Fraustadt durch seine weitgehend deutsche Bürgerschaft zu den Hochburgen des Protestantismus in Polen. 1555 war nach der Erklärung des Kaisers Ferdinand I. die erste deutsche Messe gefeiert worden. 1552 war die Stelle des deutschen Predigers einem Protestanten übertragen worden.[4] Die wichtigsten Vertreter des Protestantismus in Fraustadt waren die Pastoren Valerius Herberger (1562–1627) und Samuel Friedrich Lauterbach (1662–1728) sowie der Schriftsteller und Schulleiter Christian Gryphius (1649–1706). Als königliche Stadt unterstand sie einem königlich polnischen Starosten. Nach der lutherischen Familie von Gorka wurden nur noch Katholiken Starosten, die Stadtpfarrkirche musste auf königlichen Befehl 1604 wieder an die römisch-katholische Kirche zurückgegeben werden, mit der Erlaubnis für die Lutheraner eine eigene Kirche zu erbauen. Davon machte Pastor Valerius Herberger Gebrauch und ließ als neue Kirche das „Kripplein Christi“ errichten.[5]
Trotz der Gegenreformation blieb Polen tolerant und nahm protestantische Glaubensflüchtlinge aus Schlesien auf. Der Starost Hieronimus Radomicki stiftete 1633 wegen des großen Andrangs die Neustadt nach Magdeburger Recht. Damit bestand Fraustadt aus der Altstadt mit zwei Vorstädten (Glogauer und Polnische), der Neustadt und zwei Kämmereidörfern, Nieder- und Oberpritschen.
Im Großen Nordischen Krieg trafen in der Schlacht bei Fraustadt am 2. Februarjul. / 13. Februar 1706greg. die schwedische und die sächsisch-russische Armee aufeinander. Die Schlacht, die nur zwei Stunden dauerte, kostete die sächsisch-russischen Verbündeten über 6000 Tote und Verwundete, 8000 Gefangene und 29 Kanonen, während die Schweden nur 400 Tote und 1000 Verwundete zu beklagen hatten.[2]
Während der Herrschaft des sächsischen Hauses Wettin in Polen fanden in Fraustadt Sitzungen des Senates der Republik statt (die erste 1699), zweimal (1755, 1773) wurde hier eine türkische Gesandtschaft empfangen.
Mehrmals wurde Fraustadt durch die Pest heimgesucht: 1568 fielen ihr 1100 Menschen zum Opfer, 1613 sogar 2125 Menschen.[6]
Preußische Herrschaft
Mit der Zweiten Teilung Polens kam Fraustadt 1795 an Preußen und wurde 1816 Kreisstadt für den Landkreis Fraustadt an der südwestlichen Grenze der Provinz Posen. Ab 1826 gab es eine lutherische, eine katholische und eine israelitische Elementarschule. Unterrichtssprache war in allen drei Elementarschulen Deutsch.[7] Eine polnische Schule gab es mangels polnischer Bevölkerung nicht. 1840 zählte die Stadt 5303 Einwohner, von denen 568 Juden waren. Obwohl es für sie ein Niederlassungsverbot gab, das zuletzt 1768 von König Stanislaus II. August bekräftigt wurde, konnten sich einige Familien im Ort festsetzen. Mit der Angliederung an Preußen fielen alle Niederlassungsbeschränkungen für Juden, was zu einem raschen Zuzug führte. Die Zahl fluktuierte jedoch stark.[8]
Während der polnischen Erhebung in anderen Teilen der preußischen Provinz Posen im Frühjahr 1848 verlangte die Stadt, für den Fall einer Abtrennung der von Polen bewohnten Teile der Provinz, ihre weitere Zugehörigkeit zum Deutschen Bund eventuell durch Anschluss an die angrenzende Provinz Schlesien.[9] Fraustadt wurde auch Standort einer preußischer Garnison. Dessen bekanntester hier stationierter Soldat Paul von Hindenburg war, der hier von 1884 bis 1885 als Kompaniechef diente.
Unter Preußen setzte im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung auch ein Zuzug von Polen ein: 1871 zählte Fraustadt 6515 Einwohner (4100 Evangelische, 2050 Katholische, 350 Juden), darunter 410 (oder 6,3 %) Polen.[10] Bis 1901 war der deutsche Bevölkerungsanteil auf 72,2 % zurückgegangen, während der polnische Anteil durch Zuzug und eine höhere Geburtenrate auf 27,8 % angewachsen war.[11]
Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 wurde die Region um Fraustadt zum Schauplatz der einzigen polnischen Gegenoffensive auf deutsches Territorium. Am 2. September 1939 erfolgte ein Störangriff polnischer Truppen auf das deutsche Grenzgebiet bis hin zum Stadtrand von Fraustadt samt Artilleriefeuer auf die deutschen Stellungen. Dies resultierte in der Gefangennahme einiger deutscher Soldaten und der Vertreibung weiterer dort garnisonierter Truppenteile. Der Angriff wurde auf Anweisung des polnischen Oberkommandos noch am selben Abend eingestellt. Das polnische Regiment zog sich hinter die Grenze zurück, um zur polnischen Verteidigung beizutragen.[12]
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt von der Sowjetunion unter die Verwaltung der Volksrepublik Polen gestellt und in Wschowa umbenannt. Danach begann die allmähliche Zuwanderung polnischer Migranten. In der Folgezeit wurde die einheimische deutsche Bevölkerung von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben.
Seit 2001 ist die Stadt wieder Kreisstadt in der Woiwodschaft Lebus.
Wirtschaft
Im Jahr 1676 erhielt Fraustadt das Lagerrecht.[13]
Nach 1820 brach der hier bedeutende Tuchhandel durch die russische Zollpolitik zusammen, und die Stadt musste sich andere Betätigungsfelder suchen. So entstand in Fraustadt 1881 eine Zuckerfabrik, die bis 2003 als deutsch-polnisches Franchiseunternehmen in Betrieb war. 1857 bekam die Stadt einen Eisenbahnanschluss (Strecke Glogau–Lissa).
Im Jahr 1864 wurden die „sorgsamen und fleißigen Kürschner der Städte Lissa und deren Nachbarstadt Fraustadt in Posen“ erwähnt, die jährlich mehr als eine halbe Million Kaninchenfelle zubereiten und zu Pelzwerk verarbeiten.[14] Vor 1900 bis Mitte des 20. Jahrhunderts war in der Pelzmode das preisgünstige und massenhaft anfallende Kaninfell noch einmal mehr gefragt. Die polnischen weißen Felle der Hauskaninchen wurden nicht gefärbt, sondern wurden alaungar zugerichtet und naturfarben verarbeitet, teilweise auch geschoren. Mittelpunkt dieser Industrie waren jetzt Lemberg in Galizien und Lissa, „Sitz der weißen Kanin-Industrie“.[15][16] Kaninfelle mit Lissaer Pelzzurichtung waren „ein bekannter und standardmäßig gehandelter Tagesartikel“.[17]
davon 4803 Einwohner in der Altstadt und 662 in der Neustadt, ohne das königliche Vorwerk Fraustadt (sechs Einwohner);[18] nach anderen Angaben 5222 Einwohner[1]
mit der Garnison (ein Bataillon Nr. 58), darunter 4100 Evangelische, 2050 Katholiken, 350 Juden (410 Polen);[21] nach anderen Angaben 6513 Einwohner, darunter 4053 Evangelische, 2146 Katholiken, 314 Juden[20]
Pfarrkirche unter dem Patrozinium des hl. Bischofs und Märtyrers Stanislaus und der Mariä Himmelfahrt, gotisch, aus dem 15. Jahrhundert, nach dem Brand von 1685 zwischen 1720 und 1726 umgebaut
Gebäudekomplex des Franziskanerklosters mit St.-Josef-Kirche, 1638–1646 erbaut, später mehrfach umgebaut
Dreifaltigkeitskirche, erbaut von 1837 bis 1839 nach Entwurf Karl Friedrich Schinkels aus dem Jahr 1825 als Hallenbau auf rechteckigem Grundriss mit zweitürmiger Fassade. Ursprünglich war es eine evangelische Kirche, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Lagerhaus genutzt wurde. Anfang der 1990er Jahre wurde die Kirche der Pfarrei St. Stanislaus zugeordnet und ist seitdem eine Filialkirche.
Evangelischer Friedhof von 1609
Stadtmauern aus dem 15. und 16. Jahrhundert
Rathaus
Mittelalterliche Stadtbefestigung mit der St.-Stanislaus-Kirche
Fraustadt, Regierungsbezirk Posen, Provinz Posen, in: Meyers Gazetteer, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Fraustadt (meyersgaz.org).
Johann Daniel Ferdinand Neigebaur: Urkundliche Nachrichten über die frühere Geschichte von Fraustadt. In: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates. Band 15, Berlin/ Posen/ Bromberg 1834, S. 82–89 (Google Books).
Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 294–310 (Google Books).
August Gustav Wilhelm Braune: Geschichte der Stadt Fraustadt. Fraustadt 1889.
Martin Sprungala: Kronika Wschowy/ Chronik der Stadt Fraustadt (Wschowa). Towarzystwo Przyjaciół Sławy, Sława 2016, ISBN 978-83-932235-1-0.
Weblinks
Commons: Wschowa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
↑ abcdefghijHeinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 294–310.
↑ abcMeyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 7, Leipzig/Wien 1907, S. 49.
↑ abHeinrich Wuttke: Codex diplomaticus magni ducatus Posnaniensis. Fries, 1864, S.296 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Verband der Historiker Deutschlands. Sektion für Kirchengeschichte, Gesellschaft für Kirchengeschichte (Hrsg.): Zeitschrift für Kirchengeschichte. Nr.84-85. W. Kohlhammer, 1973, S.115 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Heinrich Wuttke: Codex diplomaticus magni ducatus Posnaniensis. Fries, 1864, S.303 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Heinrich Wuttke: Codex diplomaticus magni ducatus Posnaniensis. Fries, 1864, S.302 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Heinrich Wuttke: Codex diplomaticus magni ducatus Posnaniensis. Fries, 1864, S.310 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Heinrich Wuttke: Codex diplomaticus magni ducatus Posnaniensis. Fries, 1864, S.308ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑L. v. J.: Die polnische Insurrektion in Posen im Frühjahr 1848. Glogau 1849, S. 41.
↑Gustav Neumann: Das deutsche Reich in geographischer, statistischer und topographischer Beziehung. 2. Auflage. Band2. Müller, Berlin 1874, S.145 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Königliches Preussisches Statistisches Landesamt in Berlin (Hrsg.): Preussische Statistik: (Amtliches Quellenwerk). Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. Decker), Berlin 1905, S.142 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Stan Lewicki: Historja handlu w Polsce na tle przywilejów handlowych: (prawo składu). Warschau 1920, S. 132 (polnisch).
↑Heinrich Lomer: Der Rauchwaarenhandel - Geschichte, Betriebsweise und Waarenkunde. Leipzig, 1864, S. 87.
↑Emil Brass: Aus dem Reiche der Pelze. Verlag der „Neuen Pelzwaren-Zeitung und Kürschner-Zeitung“, Berlin 1911, S. 626.
↑Philipp Manes: Richard König senior in Firma Adolph Schlesinger Nachf. Leipzig. In: Die deutsche Pelzindustrie und ihre Verbände 1900–1940, Versuch einer Geschichte. Berlin 1941 Band 4. Durchschrift des Originalmanuskripts, S. 166 (→ Inhaltsverzeichnis).
↑Alexander Tuma: Pelz-Lexikon. Pelz- und Rauhwarenkunde, Band XVIII. Alexander Tuma, Wien 1949, S.168, Stichwort „Kaninfell“.
↑Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preußischen Staats. Band 1, A–F, Halle 1821, S. 383, Ziffer 1026–1028.
↑ abKönigliches Statistisches Büro: Die Gemeinden und Gutsbezirke des preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Teil IV: Die Provinz Posen, Berlin 1874, S. 102–103, Ziffer 1 (Digitalisat, S. 109–110).