Wolfram von Eschenbach (* um 1170 bzw. 1160/1180 in Franken, wahrscheinlich in Obereschenbach (heute Wolframs-Eschenbach); † um/nach 1220) war ein deutscher Dichter. Die mittelhochdeutsche Literatur verdankt ihm mehrere epische Werke. Ebenso verfasste er als Minnesänger lyrische Dichtungen. Als sein berühmtestes Werk gilt der Versroman Parzival.
Was wir über Wolframs Leben zu wissen meinen, ist aus Hinweisen in seinen eigenen deutschsprachigen Dichtungen und aus Äußerungen zeitgenössischer Autoren und seinem Werk Parzival erschlossen. Aus seinem Namen lässt sich ableiten, dass er aus einem Ort namens Eschenbach stammte. Geographische Anspielungen im Parzival legen nahe, dass es sich um Obereschenbach bei Ansbach (heute Wolframs-Eschenbach) handelt. Es ist kein Adelsgeschlecht aus diesem Ort bekannt. Er selbst bezeichnete sich als „ritterbürtig“ (Parzival 115,11 und 337,30) und als Baier – deshalb könnte sein Herkunftsort im damaligen bairischen Nordgau gelegen haben.[1] Albrecht (Dichter des ‚Jüngeren Titurel‘) nannte ihn als seinen Freund von Bleyenfelden, vermutlich das heutige Pleinfeld, welches damals im Grenzgebiet des Nordgaus lag.[2]
Es ist bekannt, dass er in seinem Leben an zahlreichen Höfen Dienst tat. Mit Sicherheit stand er in Verbindung mit dem Grafen von Wertheim sowie dem Landgrafen Hermann I. von Thüringen.
Der Hinweis Wolframs im Parzival: „min herre der grave von Wertheim“ ist die Grundlage zur Annahme, dass er den Versroman zum Teil im Auftrag des genannten Grafen schrieb. Die Niederschrift, die nach herrschender Meinung zwischen 1200 und 1210 erfolgte, fällt dadurch in die Regierungszeit des Wertheimer Grafen Poppo II. ab 1212: „Es ist anzunehmen, daß Graf Poppo, der [seit 1190] in der Umgebung Kaiser Heinrichs VI. weilte, der als Minnesänger bekannt ist, sich ebenfalls für die höfische Dichtung der Zeit interessiert hat.“ Vermutet wird, „daß Wolfram als Ministerialer der Wertheimer Grafen Güter in Obereschenbach und Pleinfeld bei Ansbach zu Lehen hatte, denn Wertheimer Besitz und Hoheitsrechte sind an jenen Orten und in der betreffenden Zeit und auch noch später urkundlich bezeugt.“[3]
Für die Herren von Dürn, denen die im 5. Buch des Parzival erwähnte Burg Wildenberg im Odenwald gehörte, könnte er einen weiteren Teil des Parzival verfasst haben. Nach neueren Forschungen unterstand die Wildenburg im fraglichen Zeitraum jedoch nicht den (infolge des Deutschen Thronstreits damals ins Ausland geflüchteten) Dürn, sondern höchstwahrscheinlich den Grafen von Wertheim, so dass sich Wolfram in seiner überlieferten Eigenschaft als deren Gefolgsmann und nicht als Gast der Dürn, wie bislang – ohne urkundlichen Rückhalt – angenommen, auf der Burg Wildenberg aufgehalten haben könnte.[4]
Noch während Wolframs Arbeit am Parzival erscheint als sein Mäzen Landgraf Hermann I. von Thüringen, ein bedeutender Förderer der deutschen Literatur seiner Zeit. Bemerkungen über Landgraf Hermann und den thüringischen Hof finden sich öfter als über andere historische Personen: die Schilderung von Problemen am dortigen Hof in 'Buch 6' des Parzival setzt persönliche Anwesenheit dort, zugleich mit Walther von der Vogelweide, voraus; 'Buch 13' nennt Kontakte mit dem thüringischen Hof in Abwesenheit; den Willehalm schrieb Wolfram im Auftrag Hermanns. Den Tod Hermanns erwähnt er im Willehalm; nicht lange danach brach er die Arbeit am Willehalm ab.[5]
Umstritten ist, über welche Bildung Wolfram verfügte.[6] Er gibt sich programmatisch als Verächter des gelehrten Buchwissens.[7] Einer Äußerung im Parzival wird oft die Bedeutung unterlegt, er bezeichne sich selbst als Analphabeten. Diese Interpretation ist nicht wahrscheinlich; außerdem ist die betreffende Aussage wohl eher eine Kritik an einem nicht namentlich genannten Dichter, der seine schriftliche Quelle zu hoch wertet (offensichtlich Hartmann von Aue), und dient der Konstruktion einer spezifischen Autor-Rolle: der Rolle des Laiendichters, dessen Wertschätzung man als Ausdruck des wachsenden Selbstbewusstseins der höfischen Laiengesellschaft verstehen kann, für die Wolfram tätig war. Unbestreitbar ist, dass er über umfassende Kenntnisse aus der lateinischen Bildungstradition verfügte. Sein Werk ist durchsetzt mit sachkundig behandeltem Wissensstoff aus allen Bereichen (Naturkunde,[8][9] Geographie,[10] Medizin[11][12][13] und Astronomie[14]) und mit theologischen Reflexionen. Ausgedehnt waren auch seine Kenntnisse der zeitgenössischen französischen Sprache und Literatur.
Heute gilt der Parzival als Wolframs berühmtestes Werk, häufig stuft man es als das wichtigste Epos dieser Zeit ein. Es ist das erste in deutscher Sprache erhaltene Werk, dessen Motiv der Heilige Gral ist. Geschildert wird die Geschichte zweier Helden: einerseits Parzivals Leben von seiner Kindheit über die Zeit als Artusritter bis zum Gralskönigtum, andererseits Gawans Geschichte, die das Gefüge des Artuskreises nicht übersteigt. Als Forschungsthese wird häufig angenommen, dass der Parzival die Immanenz der höfischen Gesellschaft durch die Abbildung auf eine universale Ebene aufbrechen soll.
Unmittelbar interpretierend und den Gegensatz Parzival–Gawan auf der universalen Ebene ausgleichend Friedrich von der Leyen:[15]
„Das ist nach Wolfram des Menschenlebens höchstes Ziel, daß man sich des Himmels Huld verdiene, ohne den Freuden der Erde den Rücken zu kehren.“
Wolfram benutzte bei der Abfassung des Parzival das Werk Perceval von Chrétien de Troyes, sein Werk ist (teilweise) eine sehr freie Bearbeitung des Perceval. Chrétiens Werk ist allerdings Fragment geblieben, es bricht in der Gawan-Handlung ab. Für das Ende von Wolframs Werk (das Ende der Gawan-Handlung, Parzivals orientalischen Bruder und seine Berufung zum Gralskönig) und auch für den Beginn (die Geschichte der Eltern Parzivals) ist keine Quelle nachweisbar, so dass allgemein Wolfram als direkter Urheber dieser Teile angesehen wird. Wolfram schreibt im Parzival jedoch, dass er Chrétiens Darstellung – die er nach eigener Angabe kannte – für falsch halte, und behauptet, dass er eine andere Quelle benutzt habe, einen provenzalischen Dichter namens Kyot. Über Kyot[16] ist allerdings sonst nichts bekannt. In der Rezeptionsgeschichte des 20. Jahrhunderts dominiert die Auffassung, dass diese Quelle und deren Autor nicht existiert haben, sondern eine Fiktion Wolframs sind.
Daneben existiert eine Tradition, die im Parzival die Wiedergabe einer mündlich überlieferten Historie erblickt. Herbert Kolb hält Wolframs Gewährsmann Kyot für nachweisbar. Falsch ist die Theorie des Schweizer Anthroposophen Werner Greub (1909–1997), der in der Historisierung des Parzival so weit geht, dass die wichtigsten Schauplätze der Gralssuche lokalisierbar seien, die sich ihm zufolge im 9. Jahrhundert abgespielt hätte.
Weitere Dichtungen:
Wolframs Sprache unterscheidet sich vom Stil Hartmanns von Aue. Sie ist bildhaft, reich an Ironie und Pointen, wobei seine Syntax gedrängt und sperrig erscheint. Den von seinen Vorgängern entwickelten Erzählstil baut er aus. Typisch für ihn ist das sogenannte „hakenschlagende Erzählen“ sowie die Technik der Hybridisierung.
Wolfram war der wirkungsreichste deutschsprachige Dichter des Mittelalters. Wolframs Titurel-Fragment hatte eine enorme Nachwirkung im späten Mittelalter: Die dafür erfundene Strophenform (die sog. Titurelstrophe) wurde von vielen Dichtern adaptiert. Das Fragment selber wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von Albrecht zu einem ausführlichen Roman erweitert. Dieser Jüngere Titurel galt im Spätmittelalter als Wolframs eigenes Werk und begründete seinen Ruhm als bedeutendster aller Ritterdichter. Der Parzival ist die einzige Reimpaar-Dichtung, die noch nach 1470 im Buchdruck mehrere Auflagen erlebte. Der Stoff des Parzival bot Richard Wagner die Hauptquelle für die Schaffung des Librettos seiner Oper Parsifal. Wolfram selbst tritt als Figur in Wagners Oper Tannhäuser auf.
Die Literaturwissenschaft des 19./20. Jahrhunderts befasste sich sehr intensiv mit Wolfram, wobei sie ihn allerdings zeitweise nationalistisch überhöhte und gegen den angeblich „welschen“ Gottfried von Straßburg auszuspielen suchte.
Am 19. Juli 1917 wurde die Stadt Obereschenbach auf Betreiben von Prälat Johann Baptist Kurz (18. Mai 1881–18. Februar 1968)[17] durch ein Dekret von König Ludwig III. von Bayern zu Ehren von Wolfram von Eschenbach aus dem Geschlecht der Herren von Eschenbach in Wolframs-Eschenbach umbenannt.
Eine Gedenktafel befindet sich in der Walhalla in Donaustauf.
Codex Manesse und Wolframslinde
Nach ihm sind der Wolfram-von-Eschenbach-Preis und das Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasium in Schwabach benannt.
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