Die Vermögensteuer oder Vermögenssteuer ist eine Steuer auf das Gesamtvermögen eines Steuerpflichtigen. Ihre Bemessungsgrundlage umfasst in der Regel das nach Abzug der Schulden verbleibende Reinvermögen. Sie zählt ebenso zu den vermögensbezogenen Steuern wie Steuern, die nicht das Gesamtvermögen treffen, sondern nur einzelne Vermögensteile, beispielsweise die Grundsteuer.
Im Durchschnitt der OECD-Staaten schwankte das Aufkommen der vermögensbezogenen Steuern am BIP von 1998 bis 2018 zwischen 1,7 und 2,3 %. In dieser Zeit senkte die Schweiz ihren Anteil und näherte sich damit dem OECD-Durchschnitt an, während Deutschland und Österreich zu den europäischen OECD-Ländern mit dem niedrigsten Anteil der vermögensbezogenen Steuern gehörten.[1]
Vermögensteuern wurden bereits in der Antike erhoben, etwa im Römischen Reich[2] und in Athen[3]; sie dienten vorübergehenden Zwecken wie der Kriegsfinanzierung. Das setzte sich bis in die Neuzeit fort, so erhob die im Österreichischen Erbfolgekrieg bedrängte Maria Theresia in den Jahren 1743,[4] 1747[5] und 1748[6] mehrfach eine Vermögensteuer.
In Deutschland wurden vermögensteuerartige Abgaben bis ins späte Mittelalter vornehmlich auf Grundbesitz erhoben; diese Abgaben entsprachen eher der heutigen Grundsteuer.[7] Eine das Gesamtvermögen treffende Vermögensteuer wurde in Deutschland erstmals 1893 durch das Preußische Ergänzungssteuergesetz eingeführt. Ende der 2010er Jahre wurde die Vermögensteuer als „Auslaufmodell“ bewertet:[8] Unter den 36 OECD-Staaten hatten 2017 fünf eine personenbezogene Vermögensteuer (1990 waren es noch 12 Staaten).[1]
In Deutschland ist die eigentliche Vermögensteuer gemäß dem geltenden Vermögensteuergesetz[9] eine stichtagsbezogene Substanzsteuer, die vom Wert des Nettovermögens (Bruttovermögen abzüglich Schulden) des Steuerpflichtigen berechnet wird. Zur Bemessungsgrundlage gehören Betriebe, Immobilien, Sparguthaben, Wertpapiere und Lebensversicherungen sowie Luxus- und Kunstgegenstände. Steuerpflichtig sind sowohl natürliche als auch juristische Personen. Natürliche Personen erhalten gemäß § 6 Abs. 1 VStG einen Freibetrag von 120.000 DM oder umgerechnet rund 61.355 Euro.
Die Vermögensteuer wurde zuletzt 1996 erhoben; in jenem Jahr betrug ihr Aufkommen rund 9 Milliarden DM.[10] Die Vermögensteuer stand als Ländersteuer den Bundesländern zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG). 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen mit Vermögensteuer nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sei.[11] In den Beratungen zum Jahressteuergesetz 1997 stellte die damalige Bundesregierung zwar fest, dass es keinen verfassungsrechtlichen Zwang zur Abschaffung der Vermögensteuer gebe, trotzdem wird seither die Vermögensteuer mit Wirkung ab 1997 nicht mehr erhoben, obwohl das Vermögensteuergesetz weiterhin in Kraft ist.[12]
In den 1920er-Jahren lag die vermögensbezogene Besteuerung bei ca. 2,5 % des BIP. Bis zu den 1970ern verlor sie an Bedeutung.[13] Ein Artikel in der SZ bewertete die heutige vermögensbezogene Besteuerung in Deutschland als relativ niedrig. Das liege auch daran, dass in anderen Ländern oft eine höhere Grundsteuer erhoben werde.[14] Wegen der niedrigen vermögensbezogenen Besteuerung wurde Deutschland 2013 als „Reichenparadies“ bezeichnet.[15]
Für die Vermögensteuer in der DDR siehe Vermögensteuer (DDR).
In Österreich bestand bis 1993 eine Vermögenssteuer auf Nettovermögen.[16] Die Einnahmen aus dieser lagen 1990 bei 511 Mio. €, was 1 % des Gesamtsteueraufkommens ausmachte. Hierbei waren die meisten Zahler der Steuer Unternehmen.[17] Da die Vermögenssteuer primär Unternehmen traf und nicht wohlhabende Privatpersonen – vom Bankgeheimnis geschützt –, wurde sie 1993 auf Initiative des sozialdemokratischen Finanzministers Ferdinand Lacina abgeschafft. Stattdessen plante Lacina eine Reform der Grundbesteuerung und der Erbschaftsbesteuerung, dazu kam es jedoch nicht.[18] Die Erbschaftssteuer in Österreich wurde bis 2008 weiter eingehoben.
Laut einer repräsentativen Umfrage Anfang 2020 stimmten 64 % der Bevölkerung einer Besteuerung von Vermögensanteilen über 1 Million Euro zu, einer Besteuerung von Erbschaften über 1 Million Euro 66 % der Bevölkerung.[19]
Die schweizerische Vermögenssteuer ist eine Ergänzungssteuer zur Einkommenssteuer und wird unabhängig von der Höhe des Einkommens erhoben. Geregelt wird sie im Wesentlichen im kantonalen Recht,[20] wobei das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes[21] gewisse formale Vorgaben macht (etwa Artikel 2 betreffend die Erhebung als solche, Artikel 13–14a betreffend die Steuerobjekte und die Bewertung und Artikel 17 betreffend die zeitliche Vermessung des Vermögens). Neben den Kantonen profitieren häufig auch die politischen Gemeinden von ihr; auf Bundesebene gibt es hingegen keine Vermögenssteuer.
Bei der Vermögenssteuer handelt es sich um eine jährlich auf das Gesamtvermögen des Steuerpflichtigen zu entrichtende Steuer. Besteuert wird das Reinvermögen, also das Vermögen nach Abzug von Verbindlichkeiten (Schulden) und solchen Sozialabzügen, die einige Kantone für AHV- und IV-Rentner gewähren. In einigen Kantonen gibt es auch ein steuerfreies Vermögensminimum. Besteuert wird der Sollertrag, nicht der tatsächliche Ertrag. Nicht unter die Besteuerung fallen Hausrat und Gebrauchsgegenstände, ebenso Vorsorgegelder.
Die Steuersätze sind nach Kanton oder Wohnsitzgemeinde unterschiedlich festgelegt und reichen von 1,3 ‰ bis 10,1 ‰. Weil die Besteuerung progressiv erfolgt, sind insbesondere Steuerpflichtige ab einem Vermögen von 1 Million Franken und höher betroffen.[22]
Die geltende Vermögenssteuer bringt den Kantonen jährlich rund sieben Milliarden Franken ein. Das entspricht rund einem Prozent der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung (BIP).[23]
Aus juristischer Sicht wird die Erhebung einer Vermögensteuer unter anderem mit folgenden Argumenten befürwortet:[24]
Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird die Erhebung einer Vermögensteuer unter anderem mit folgenden Argumenten befürwortet:
Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird die Erhebung einer Vermögensteuer unter anderem mit folgenden Argumenten abgelehnt:[39]
Aus steuerrechtlicher Sicht wird die Erhebung einer Vermögensteuer unter anderem mit folgenden Argumenten abgelehnt:[40]
In Frankreich bestand seit 1982 eine Vermögensteuer, allerdings nur auf Privatvermögen, nicht auf Betriebsvermögen. Premierminister Jacques Chirac schaffte sie 1986 bis 1988 ab.[41] Sie hat zu Abwanderungen vermögender Steuerzahler insbesondere nach Belgien und in die Schweiz beigetragen.[42] Im Herbst 2012 wurde die Vermögensteuer von der sozialistischen Regierung unter Staatspräsident François Hollande stark erhöht.[43] Die Steuer greift jetzt bei einem Vermögen ab 800.000 Euro, zuvor lag die Schwelle bei 1,3 Millionen Euro. Der Eingangssteuersatz wurde auf 0,55 % erhöht; bei einem Vermögen von z. B. 4 Millionen Euro werden 95.500 € (ca. 2,4 %) Steuern berechnet.[44]
Emmanuel Macron, Staatspräsident seit Mai 2017, hat die Umwandlung der Steuer in eine reine Immobiliensteuer initiiert. Die Vermögensbesteuerung soll um mehr als 3 Milliarden Euro sinken.[41]
Eine empirische Studie von 2007 untersuchte die Effektivität der Vermögensteuer speziell hinsichtlich ihrer Funktion zur Umverteilung. Die Umverteilungsfunktion war eingeschränkt und wurde durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen wurden Vermögen durch zahlreiche Ausnahmeregelungen in der Steuergesetzgebung unterbewertet. So wurden Wohnimmobilien, der wichtigste Bestandteil des Vermögens, und Unternehmensvermögen von der Erfassung ausgenommen, was zu Verzerrungen bei der Vermögensbewertung und Ungleichheiten führt. Zum anderen förderten diese Ausnahmen Steuervermeidung. Insgesamt lag die Tax-compliance in diesem Bereich unter 50 %. Eine Verstärkung der Tax-Compliance würde die Steuereinnahmen maßgeblich erhöhen.[45]
Ab Januar 2023 wird Spanien eine für zwei Jahre befristete Vermögensteuer einführen, die das reichste 1 % der Vermögenden betreffen wird. Anlass ist der Inflationsanstieg ab 2022.[46]
In Norwegen[47], in Indien[48] und in Liechtenstein[49] bestehen Vermögensteuern in unterschiedlichem Umfang.
In Japan werden auf der Basis eines Gesetzes aus dem Jahr 1950 Vermögensteuern auf Gemeindeebene erhoben, die sich allerdings nur auf Immobilien und abnutzbares Betriebsvermögen beziehen.
Belgien, Litauen und das Vereinigte Königreich kennen in ihrer Geschichte keine Vermögensteuer. Auch in Bulgarien, Estland, Lettland, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Zypern und Australien existiert keine allgemeine Vermögensteuer. Dies gilt auch für Kanada und die USA, auch wenn dort einzelne Vermögensgegenstände wie Grundstücke in einer der deutschen Grundsteuer ähnelnden Weise besteuert werden.
Vermögensteuern abgeschafft haben Irland (Erhebung bis 1977), Österreich (Erhebung bis 1993), Italien (Erhebung auf das Reinvermögen von Unternehmen bis 1995), Dänemark (Erhebung bis 1995), Finnland (Erhebung bis 2005), Island (Erhebung bis 2005)[50] und Schweden (Erhebung bis 2006). In Luxemburg existierte nur bis 2005 eine Vermögensteuer für natürliche Personen, eine Steuer auf das Reinvermögen juristischer Personen wird jedoch weiterhin erhoben.
In den Niederlanden wurde von 1964 bis einschließlich 2000 eine Vermögensteuer aufgrund des Wet op de vermogensbelasting (deutsch Gesetz über die Vermögensteuer) erhoben.[51][52] Seit 2001 wurde an deren Stelle im Zuge einer Reformierung der niederländischen Einkommensteuer eine Steuer auf Erträge aus Vermögen erhoben, wobei die Erträge in fiktiver Höhe von 4 % des zu besteuernden Vermögens festgelegt wurden.[52] Diese Steuer wird im Volksmund teilweise weiterhin als Vermögensteuer bezeichnet, stellt jedoch tatsächlich eine Kapitalertragsteuer (niederländisch Vermogensrendementsheffing) dar.[53] Im Jahre 2021 stellte das höchste Gericht der Niederlande fest, dass solch eine pauschale Vermögensbesteuerung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar ist, und forderte eine Neuregelung unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Kapitalerträge.[54]
In den USA ist die Vermögensteuer fast überall abgeschafft worden. Lediglich in einigen Bundesstaaten und Countys (Bezirken) besteht sie noch formal. Das gesamte vermögensbezogene Steueraufkommen der USA speiste sich fast ausschließlich aus der US-amerikanischen Grundsteuer, die dort im Übrigen die zweitwichtigste Einzelsteuer ist.[55]
Griechenland führte 1997 eine Vermögensteuer ein, die allerdings im Wesentlichen nur Grundvermögen betrifft und deshalb eher der deutschen Grundsteuer entspricht. Ungarn führte mit Wirkung ab 2010 eine Vermögensteuer auf Wohnimmobilien und bestimmte Luxusgüter ein. Die Immobilienbesteuerung wurde jedoch aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichts nicht vollzogen.[56]
International, etwa bei der OECD, gelten auch die Grundsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Grunderwerbsteuer, Gewerbekapitalsteuer, Zweitwohnungsteuer, Hundesteuer, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer als vermögensbezogene Steuern.[57] Die OECD bezieht in die Gruppe der vermögensbezogenen Steuern (taxes on property) eine Vielzahl verschiedener Steuerarten ein, was bei einem direkten Vergleich der Aufkommensdaten zu berücksichtigen ist.
In Frankreich zählt dazu auch eine Steuer auf leerstehende Immobilien, die die Leerstandsquote erfolgreich gesenkt hat.[58]
Viele US-Bundesstaaten erheben einen Steuerzuschlag für Häuser mit sehr hohem Wert oder haben eine progressive Grunderwerbsteuer, die manchmal als mansion tax („Villensteuer“) bezeichnet wird.[59]
Diese vermögensbezogenen Steuern tragen in Deutschland im OECD-Vergleich stark unterdurchschnittlich zum Steueraufkommen bei. Sie erbringen in Deutschland dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge nur ein Aufkommen von 0,9 % des BIP. Dies ist knapp die Hälfte des Durchschnitts der wichtigsten Industriestaaten.[60]
Nach Ansicht von Stefan Bach, stellvertretender Leiter der Abteilung Staat des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten vermögensbezogene Steuern (insbesondere Erbschaftsteuer und Grundsteuer), die auf besonders Reiche zugeschnitten sind, etwa 15 Milliarden Euro jährlich erbringen, ohne dass größere wirtschaftliche Nachteile für Deutschland (Kapitalflucht oder ähnliches) entstünden. Das sind etwa 9 Milliarden Euro mehr, als ein Anheben des Spitzensteuersatzes auf 49 % (derzeit ca. 45 %) ab einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro (derzeit ab 250.401 Euro) zusätzlich erbringen würde.[61][62]
Im internationalen Vergleich erheben Deutschland und Österreich nach OECD-Zahlen (2008) sehr geringe vermögensbezogene Steuern. In Großbritannien, das eine hohe vom Bewohner der Immobilie zu zahlende Grundsteuer (Council Tax) erhebt, betragen die vermögensbezogenen Steuern dagegen über 4 % des BIP.[63] Zu beachten ist jedoch, dass in diesem relativ hohen Prozentsatz auch das Aufkommen aus der britischen Stempelsteuer auf Aktiengeschäfte enthalten ist. Vermögens- und Schenkungsteuern existieren in Großbritannien hingegen nicht.[55]
Die vermögensbezogenen Steuern stehen meist den lokalen Gebietskörperschaften (Kommunen, Regionen) zu. Häufig können diese Körperschaften die Steuersätze auch selbst festsetzen.
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