Ulrich Mühe war der Sohn des Kürschnermeisters Hans-Günther Mühe.[1] Er wuchs zusammen mit seinem Bruder Andreas auf, der später die Werkstatt des Vaters fortführte.[2] Nach dem Schulabschluss durchlief er eine Berufsausbildung mit Abitur als Baufacharbeiter. Seinen anschließenden Wehrdienst, den er wegen eines Magengeschwürs vorzeitig beenden musste (ihm wurden nach eigener Aussage zwei Drittel seines Magens entfernt), leistete er bei den Grenztruppen der DDR an der Berliner Mauer ab. Von 1975 bis 1979 studierte er Schauspiel an der Theaterhochschule „Hans Otto“ Leipzig.[3]
Politisches Engagement
In der Wendezeit engagierte sich Mühe bei öffentlichen Diskussionen in der DDR und war einer der Initiatoren der Demonstration vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz. Er las öffentlich im damals von Dieter Mann geführten Deutschen Theater in Ost-Berlin aus Walter Jankas Buch Schwierigkeiten mit der Wahrheit, noch bevor es in der DDR erscheinen durfte.
Dokumentationen
Der Regisseur Christoph Rüter dokumentierte 1989–1991 die Probenarbeiten zu Heiner Müllers Inszenierung Hamlet/Maschine am Deutschen Theater in Ost-Berlin, in der Ulrich Mühe die Hauptrolle spielt: The Time is out of Joint/Die Zeit ist aus den Fugen (100 Min., WDR). Gleichzeitig zeigt der Film das Verschwinden der DDR. Ein weiterer Dokumentarfilm von Rüter, Jetzt bin ich allein, entstand nach Ulrich Mühes Tod und wurde in zeitlicher Nähe zu seinem 1. Todestag erstmals am 26. Juli 2008 auf 3sat ausgestrahlt.[4] Nach Mühes Tod drehte sein Sohn Konrad den Kurzfilm Fragen an meinen Vater (2011).[5]
Auseinandersetzung mit Jenny Gröllmann
Im Jahr 2006 äußerte sich Ulrich Mühe in einem Interview für das Filmbuch Das Leben der Anderen über angebliche informelle Kontakte seiner zweiten Ehefrau Jenny Gröllmann mit der HA II/13 des MfS. Gröllmann erwirkte daraufhin vor dem Landgericht Berlin einstweilige Verfügungen gegen den Verlag des Buches und gegen Mühe selbst. Sie erklärte eidesstattlich, sie habe nie „wissentlich“ mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet. Das Gericht gab dem Antrag Gröllmanns statt und untersagte die weitere Verbreitung des Buches.[6] Den Widerspruch Mühes wies das Gericht ab und untersagte ihm, Jenny Gröllmann weiterhin als Inoffizielle Mitarbeiterin zu bezeichnen, da die Unterlagen des MfS zwar „Verdachtsmomente“, jedoch keine Tatsachen liefern würden.[7][8][9]
Privates
Aus der ersten Ehe mit der Dramaturgin Annegret Hahn (* 1951) hatte Mühe zwei Söhne:[2]Andreas Mühe (* 1979) ist Fotograf;[10]Konrad Mühe (* 1982) studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin,[11] sein Kurzfilm Fragen an meinen Vater erhielt 2011 auf der Berlinale eine lobende Erwähnung der Jury.[12] In zweiter Ehe war Ulrich Mühe von 1984 bis 1990 mit der Schauspielerin Jenny Gröllmann (1947–2006) verheiratet, die er bei den Dreharbeiten zu Die Poggenpuhls kennenlernte. Aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor, die Schauspielerin Anna Maria Mühe (* 1985).
Mühe lernte 1990 bei den Salzburger Festspielen bei der Aufführung des Bühnenstücks Die Jüdin von Toledo die Schauspielerin Susanne Lothar (1960–2012) kennen und war von 1997 an bis zu seinem Tod mit ihr verheiratet.[2] Er wohnte mit ihr und den beiden gemeinsamen Kindern zunächst in Hamburg und ab 1999 in Berlin. Sohn Jakob wurde nach Ulrich Mühes Tod von Schauspielkollegin Gesine Cukrowskivormundschaftlich betreut.[13]
Kurz nach der Oscarverleihung im März 2007 wurde Mühe wegen eines Magenkarzinoms operiert.[14] Er erlag der Krankheit im Alter von 54 Jahren in seinem Sommerhaus in Walbeck,[15] wo ihn noch zehn Tage vor seinem Tod der US-Schauspieler Tom Cruise besucht hatte.[16] Am 25. Juli 2007 wurde Mühe auf dem Gemeindefriedhof beigesetzt.
Ulrich Mühe wurde postum zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Grimma ernannt. Ein ihm vom damaligen Oberbürgermeister Matthias Berger geschenktes T-Shirt mit der Aufschrift „Grimma – Sachsen“ hatte er bei der Oscarverleihung getragen.[17] Die bisherige Theodor-Körner-Straße wurde in Ulrich-Mühe-Straße umbenannt.[18]
Sein letzter im Jahr 2006 abgedrehter Kinofilm Nemesis, in dem er zusammen mit seiner dritten Ehefrau Susanne Lothar ein Ehepaar spielte, wurde aufgrund eines Rechtsstreits, mit dem Lothar die Aufführung des Films nach Mühes Tod verhindern wollte, erst im Jahr 2010, drei Jahre nach seinem Tod, gezeigt.[20]
Hörspielarbeiten
Ulrich Mühe betätigte sich auch als Hörspiel- sowie Hörbuchsprecher. In der Litera-Hörspielproduktion der DDR entstand 1985 das für Kinder produzierte Märchenhörspiel zu Wilhelm HauffsDas kalte Herz, in der Mühe die Hauptrolle des Peter Munk sprach. Im Rahmen der „Lieblingsmärchen der Deutschen“ (Patmos Verlag) sprach er die jeweils männliche Titelrolle in den Grimms-Märchen-Hörspielen Brüderchen und Schwesterchen und Jorinde und Joringel, die jeweils weibliche Titelrolle übernahm Susanne Lothar.
Ulrich Mühe – Unerbittlich, auch gegen sich selbst. Dokumentarfilm, Deutschland, 2007, 30 Min., Buch und Regie: Leonore Brandt, Produktion: MDR, Reihe: Lebensläufe, Erstsendung: 30. März 2008 beim MDR, Inhaltsangabe von MDR.
Jetzt bin ich allein – Der Schauspieler Ulrich Mühe. Dokumentarfilm, Deutschland, 2008, 60 Min., Buch und Regie: Christoph Rüter, Produktion: Christoph Rüter Filmproduktion, arte, Erstsendung: 29. September 2008 bei arte, Inhaltsangabe von Christoph Rüter.
Hahne, Dieter: Warum unser Bürgerhaus den Namen 'Ulrich Mühe' trägt, in: Heimatgrüße aus Walbeck (Hrsg. von Dietmar Pätz, Dieter Hahne und Jutta Pätz), Gestaltung: Meiling Druck, Haldensleben 2015, Seiten 64 – 67 (mit 5 Abb.).
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2. Auflage 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 492 f.
↑Im Audiokommentar des Films Das Leben der Anderen weist der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck darauf hin, dass die Birthler-Behörde Ulrich Mühe von Jenny Gröllmanns IM-Tätigkeit bestätigt habe, er sie aber nicht als solche bezeichnen dürfe, genauso wenig wie Bärbel Bohley, die eine ebensolche Tätigkeit ihres Anwalts Gregor Gysi zwar bestätigen könne, eine Bezeichnung Gregor Gysis als „IM-Notar“ jedoch unter Strafe verboten sei. Die verantwortliche Vertriebsfirma der DVD verpflichtete sich im Dezember 2006 schriftlich, diese Passagen zukünftig nicht mehr zu verbreiten.
↑Hahne, Dieter: Warum unser Bürgerhaus den Namen 'Ulrich Mühe' trägt, in: Heimatgrüße aus Walbeck (Hrsg. von Dietmar Pätz, Dieter Hahne und Jutta Pätz), Gestaltung: Meiling Druck, Haldensleben 2015, Seite 65.
↑Jochen-Martin Gutsch: Das Lob der anderen. In: Der Spiegel. 12. August 2007, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 3. September 2024]).