Peter Härtling (* 13. November 1933 in Chemnitz; † 10. Juli 2017 in Rüsselsheim am Main[1]) war ein deutscher Schriftsteller, Herausgeber und Journalist.[2]
Peter Härtling verbrachte seine Kindheit zunächst in Hartmannsdorf bei Chemnitz, wo sein Vater eine Rechtsanwaltskanzlei unterhielt. Während des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach Olmütz in Nordmähren, gegen Ende des Kriegs floh sie vor der Roten Armee nach Zwettl in Niederösterreich. Im Juni 1945 starb der Vater in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.[3] Nach dem Krieg übersiedelte Härtling nach Nürtingen, besuchte dort das Max-Planck-Gymnasium und wurde Volontär bei der Nürtinger Zeitung. 1946 nahm sich seine Mutter das Leben. Deren Vergewaltigung durch russische Soldaten hatte Härtling 1945 mitansehen müssen.[4]
1948 lernte er in Nürtingen den Bildhauer Fritz Ruoff kennen, der zu seinem Mentor wurde. 1959 heiratete er die Psychologin Mechthild Maier.[5] Das Paar hat vier gemeinsame Kinder.[6]
1954/1955 war Härtling Redakteur bei der Heidenheimer Zeitung, von 1956 bis 1962 bei der Deutschen Zeitung und von 1962 bis 1964 bei der Zeitschrift Der Monat, deren Mitherausgeber er daraufhin bis zum Jahr 1970 war. In den 1960er Jahren beteiligte sich Härtling an Wahlkämpfen für die SPD, später wandte er sich von ihr ab und unterstützte die Friedensbewegung.[7]
Härtling war 1967 als Cheflektor und von 1968 bis Ende 1973 in der Geschäftsleitung des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main tätig. Seit 1974 arbeitete er als freier Schriftsteller. Im Wintersemester 1983/84 hielt Härtling die Frankfurter Poetik-Vorlesungen, in deren Verlauf die Erzählung Der spanische Soldat nach einer Fotografie von Robert Capa entstand. Von 1985 bis 1991 war er Mitglied der Synode der EKD.[8]
Von 1998 bis 2006 war Härtling Präsident der Hölderlin-Gesellschaft. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz,[9] der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Akademie der Künste Berlin und des PEN-Zentrums Deutschland. Ihm wurden darüber hinaus viele Literaturpreise und Auszeichnungen anderer Art zuteil, wie z. B. im Jahr 2004 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Nürtingen, in der auch ein privates Gymnasium nach ihm benannt wurde. Rund 20 Schulen wurden bislang nach ihm benannt.[10] Ab 2012 war Härtling ehrenamtlich als „Botschafter“ für die Deutsche Lungenstiftung tätig.
Peter Härtling lebte von 1973 bis zu seinem Tod im hessischen Mörfelden-Walldorf.[7]
Peter Härtling widmete einen großen Teil seines literarischen Werkes – sowohl in der Lyrik als auch in der Prosa – der Aufarbeitung der Geschichte und der eigenen Vergangenheit. Der autobiografische Roman Zwettl (1973) beschäftigt sich mit der Zeit in Niederösterreich nach der Flucht der Familie vor der Roten Armee. Nachgetragene Liebe (1980) verarbeitet Härtlings Erinnerungen an den früh verstorbenen Vater. In seinem 1990 erschienenen mit Mein Roman bezeichneten Buch Herzwand beschreibt der Autor – ausgelöst durch eine Herzuntersuchung in einer Klinik – seinen Lebensweg von der Ankunft als Flüchtlingskind in Nürtingen über die Förderung in Schule und Ausbildungszeit bis zum Mitwirken an den Auseinandersetzungen um die Startbahn West des Frankfurter Flughafens.[11]
Thematisch prägend ist in Härtlings Gedichten, Essays und Kritiken auch die Heimat, die er in Württemberg gefunden hat.
Den Hintergrund für einen weiteren Schwerpunkt seines Schaffens bilden die Literatur und die Musik der Romantik. Härtling bereitete die Lebensgeschichten der Schriftsteller Friedrich Hölderlin, Wilhelm Waiblinger und E. T. A. Hoffmann sowie der Komponisten Franz Schubert und Robert Schumann in Romanbiografien auf. Mit Niembsch (= Nikolaus Lenau) leistete er einen frühen Beitrag zur Postmoderne.[12] Dem Liederzyklus Winterreise von Schubert kam eine besondere Bedeutung für Härtling zu, so dass er 1988 mit Der Wanderer ein eigenes Buch dazu veröffentlichte.[7]
„Wir gleichen dem namenlosen Wanderer. Wir wandern nicht mehr, um anzukommen, wir sind unterwegs in einer frostigen, auskühlenden Welt.“
Nachdem Härtling 1969 eine Laudatio auf den tschechischen Kinderbuchautor Jan Procházka gehalten hatte, begann er 1970, selbst Bücher für Kinder zu schreiben. Seine Kinder- und Jugendbücher behandeln meist soziale Probleme, die Kinder betreffen. In Das war der Hirbel (1973) geht es um ein geistig behindertes Heimkind und die damit verbundene gesellschaftliche Ausgrenzung,[13] Oma (1975) thematisiert das Altern und den Tod, Theo haut ab (1977) das Ausreißen von zu Hause und von den Eltern. In Ben liebt Anna (1979) verliebt sich ein deutscher Schüler in eine polnische Schülerin.
Peter Härtling war langjähriger Moderator der Sendung Literatur im Kreuzverhör in hr2, dem Kulturprogramm des Hessischen Rundfunks. Von Januar 2016 bis zu seinem Tod moderierte er monatlich Das kleine Literaturquiz.
Bislang (Stand: 2017) tragen bzw. trugen 20 Schulen in Deutschland seinen Namen.[17]
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