Die 1502 gegründete Theologische Fakultät Wittenberg, an der Martin Luther 32 Jahre lang biblische Exegese (überwiegend Altes Testament) lehrte[2], war die erste evangelische theologische Fakultät überhaupt und entwickelte als solche schnell europaweite Ausstrahlung. Während die Wittenberger Theologie später von der lutherischen Orthodoxie geprägt war, spielte die Wittenberger Hebraistik dauerhaft eine herausragende Rolle.[3]
Theologische Fakultät der Friedrichs-Universität Halle (1694–1817)
Ein unrühmliches Kapitel der Fakultätsgeschichte stellten die Auseinandersetzungen um Günther Dehn dar, dessen Berufung als Professor für Praktische Theologie im Jahr 1931 Proteste der bereits damals mehrheitlich national gesinnten Studenten und Professoren hervorrief, in deren Folge er 1932 beurlaubt und 1933 aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Dem jüdischen Hebräisch-Dozenten Mojzis Woskin-Nahartabi wurde 1934 die Lehrtätigkeit untersagt, er emigrierte in die Tschechoslowakei und wurde 1944 im KZ Auschwitz ermordet.
Die Geschichte der Fakultät in der DDR war einerseits von Repression und Gängelung, andererseits von Anpassung und Selbstbehauptung geprägt. So wurde im Zuge der Zerschlagung des Spirituskreises 1958 mit Kurt Aland der weltweit führende Textkritiker des Neues Testaments (siehe Novum Testamentum Graece) fristlos entlassen.[7] Im Zuge der DDR-Hochschulreform wurde die Fakultät 1971 in eine „Sektion Theologie“ umgewandelt. Gleichzeitig wurde staatlicherseits in die Fächerstruktur eingegriffen: Das Fach Ökumenik wurde als obligatorisches und Prüfungsfach eingeführt, und die obligatorischen Lehrveranstaltungen in Marxismus-Leninismus wurden stärker gewichtet.[8]
Ende 1989 wurde die Theologische Fakultät im Zuge der Friedlichen Revolution wieder errichtet. Mit der Wiedereinführung des staatlichen Religionsunterrichts durch Inkrafttreten des Grundgesetzes im Land Sachsen-Anhalt übernahm die Fakultät zusätzlich zur Pfarramtsausbildung auch die Lehramtsausbildung für evangelische Religionslehrer in diesem Bundesland. Erster Professor für Religionspädagogik wurde 1992 Christian Grethlein. In den 1990er Jahren konnten auch die während der DDR zugunsten der Kirchengeschichte und der Ökumenik dezimierten bibelwissenschaftlichen Fächer Altes Testament (mit Ernst-Joachim Waschke und Arndt Meinhold) und Neues Testament (mit Udo Schnelle und Hermann von Lips) sowie die Systematische Theologie (durch Neuberufung von Aleksander Radler neben Michael Beintker) jeweils wieder doppelt besetzt werden, so dass die Theologische Fakultät nun wieder voll ausgestattet war.
21. Jahrhundert
Gegenwärtig wird die große bibelwissenschaftliche und hebraistische Tradition unter anderem durch die in Halle entstehende kritische Ausgabe des Samaritanischen Pentateuchs, durch die seit 2011 bestehende Wilhelm-Gesenius-Gastprofessur sowie das seit 2018 bestehende Woskin-Nahartabi-Stipendium[9] weitergeführt.
Seit 1999 befindet sich die Theologische Fakultät im neuen Campus in den Franckeschen Stiftungen. Als Hauptgebäude der Fakultät, mit einem Foyer, Hörsälen, Seminarräumen und Büros, dient ein ehemaliges Lagerhaus, das für diesen Zweck völlig umgebaut und um einen Hörsaaltrakt erweitert wurde (Haus 30).[10] Hier befindet sich auch das Dekanat. Weitere Seminarräume, die Bibliothek des Corpus Hellenisticum, die Eißfeldt-Bibliothek sowie die Büros des Bereichs Bibelwissenschaften befinden sich im ehemaligen „Mägdeleinhaus“ (Haus 25),[1] die Büros der systematischen Theologie im ehemaligen „englischen Haus“ (Haus 26).[11] Die Fakultätsbibliothek befindet sich in Haus 31,[12] zusammen mit der Bibliothek der Erziehungswissenschaften und der Judaistik, als gemeinsame Zweigbibliothek der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, in einem Gebäude, das 1952–1953 für die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät errichtet worden ist und in dem bis 1990 das Institut zur Vorbereitung auf das Auslandsstudium und von 1991 bis 1997 das Elisabeth-Gymnasium untergebracht war.[13] Es ist für die Nutzung als Bibliothek um einen Anbau erweitert worden.[14]
Friedemann Stengel: Die Theologischen Fakultäten in der DDR als Problem der Kirchen- und Hochschulpolitik des SED-Staates bis zu ihrer Umwandlung in Sektionen 1970/71. Leipzig 1998, ISBN 3-374-01708-8
Irene Dingel (Hrsg.): Die Theologische Fakultät Wittenberg 1502 bis 1602: Beiträge zur 500. Wiederkehr des Gründungsjahres der Leucorea. Leipzig 2002, ISBN 3-374-02019-4
Arno Sames (Hrsg.): 500 Jahre Theologie in Wittenberg und Halle 1502 bis 2002. Beiträge aus der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Universitätsjubiläum 2002. Leipzig 2003, ISBN 3-374-02115-8
Christian Stephan: Die stumme Fakultät. Biographische Beiträge zur Geschichte der Theologischen Fakultät der Universität Halle. Dössel 2005, ISBN 3-89923-103-1
Uwe Grelak und Peer Pasternack: Konfessionell gebundene Institutionen akademischer Bildung und Forschung in der DDR. Berlin 2016, ISBN 978-3-8305-3736-6 (PDF)
Armin Kohnle: Professorenbuch der Theologischen Fakultät der Universität Wittenberg: 1502 bis 1815/17. Leipzig 2016, ISBN 3-374-04302-X
Veronika Albrecht-Birkner: Hallesche Theologen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Traditionen – Rezeptionen – Interaktionen. (Hallesche Forschungen, Band 54.) 2 Bände, Halle 2019, ISBN 978-3-447-11253-6
Daniel Bohnert, Markus Wriedt: Theologiae Alumni Vitebergenses (TAV). Die graduierten Absolventen der Wittenberger Theologischen Fakultät (1502–1648). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2020, ISBN 978-3-374-06672-8
↑Oliver Janz: Bürger besonderer Art. Evangelische Pfarrer in Preußen 1850–1914. de Gruyter, Berlin 1994, S. 156, 248 f.
↑Ernst-Joachim Waschke: Hermann Gunkel, der Begründer der religionsgeschichtlichen Schule und der gattungsgeschichtlichen Forschung. In: Arno Sames (Hrsg.): 500 Jahre Theologie in Wittenberg und Halle – 1502 bis 2002. Leipzig 2003, ISBN 3-374-02115-8, S. 129–142.
↑Friedemann Stengel: Die Theologischen Fakultäten in der DDR als Problem der Kirchen- und Hochschulpolitik des SED-Staates bis zu ihrer Umwandlung in Sektionen 1970/71. Leipzig 1998, S. 260–294.
↑Uwe Grelak und Peer Pasternack: Konfessionell gebundene Institutionen akademischer Bildung und Forschung in der DDR. Berlin 2016, S. 57.