Stefan Aust wurde 1946 als ältester Sohn des Landwirts Reinhard Aust (geb. 1905) und dessen Frau Ilse, geb. Hartig (1923–2004), einer Buchhalterin, geboren.[2][3] Er wuchs mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof (ca. 15 Hektar) in Stadersand auf, wo seine Familie bis Anfang der 1960er Jahre eine kleine Milch- und Obstwirtschaft betrieb.[3][4] Sein Vater war mit 18 Jahren nach Amerika ausgewandert und kehrte im Sommer 1939 nach Deutschland zurück. Sein Großvater war Kaufmann und Reeder.[5]
Aust erlangte sein Abitur am Gymnasium Athenaeum in Stade. Erste journalistische Erfahrungen sammelte Aust in der Arbeit für die dortige Schülerzeitung Wir, dabei lernte er bereits die späteren Journalisten Henryk M. Broder und Wolfgang Röhl kennen.[6] Ein BWL-Studium brach er nach wenigen Wochen ab.[7] Über Wolfgang Röhl, den jüngeren Brüder des dortigen Chefredakteurs Klaus Rainer Röhl, kam Aust nach dem Abitur zu der linken Publikumszeitschrift konkret, wo er sich zunächst um das Layout kümmerte.[8]
Journalist, 1966–1986
Von 1966 bis 1969 arbeitete Aust als Redakteur bei der Zeitschrift konkret sowie den St. Pauli-Nachrichten. Nach eigener Aussage war er nie Anhänger des Kommunismus.[9] 1969 war er für ein halbes Jahr in den USA, wo er sich nach eigenen Erzählungen in einem kleinen Wanderzirkus als Unterwasser-Entfesselungskünstler versuchte.[10] Ab 1970 war er Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks.
Im September 1970 befreite er auf eigene Faust und mit Hilfe eines Aussteigers der RAF, Peter Homann,[11] die Schwestern Bettina und Regine Röhl. Die Zwillinge sind die Töchter von Ulrike Meinhof und dem damaligen konkret-Herausgeber Klaus Rainer Röhl, die von Mitgliedern der RAF nach Sizilien verschleppt worden waren. Aust brachte sie zu ihrem Vater. Nach einer anderen Darstellung entführte Aust die beiden Kinder – die nach Ulrike Meinhofs Willen vor ihrem Vater (aus nicht genau genannten Gründen) geschützt werden und später bei Meinhofs Schwester aufwachsen sollten – in einer Blitzaktion aus Sizilien und brachte sie zu ihrem Vater, obwohl Ulrike Meinhofs Anwälte in einem schwebenden Sorgerechtsstreit um die Kinder gegen die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Klaus-Rainer Röhl Beschwerde eingelegt hatten.[12]
Nach seinen eigenen Angaben sollen Andreas Baader, Horst Mahler und andere einmal versucht haben, ihn zu ermorden. Er sei allerdings vorgewarnt worden und nachts durch einen Hinterausgang entkommen, „so dass Baader & Co. unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten“.[13]
Von 1972 bis 1986 arbeitete Aust für das Fernsehmagazin Panorama.
Panorama zeigte am Abend des 22. September 1981 die Super8-Aufnahmen vom Tod des Hausbesetzers Klaus-Jürgen Rattay.
1988–2007: Chefredakteur bei Spiegel TV und Spiegel-Printausgabe
Ab Mai 1988 war Aust Chefredakteur für das Spiegel TV Magazin. Anfangs kritisch kommentiert, konnte Aust mit Journalen und Dokumentationen eine gewinnträchtige Verlagsabteilung entwickeln. Zum Chefredakteur des Spiegel wurde Aust am 16. Dezember 1994 ernannt; er schied daher aus der Spiegel-TV-Redaktion aus. Seit Juli 1995 war Aust auch Geschäftsführer der Spiegel TV GmbH. Er moderierte die Fernsehsendung regelmäßig.
Am 7. Mai 2001 gründete er gemeinsam mit der Produktionsfirma dctp den mittlerweile durch DMAX ersetzten Spiegel-TV-Ableger XXP. Der Sender XXP wurde an Discovery Channel verkauft. Am 6. Juli 2007 gab Aust seinen Posten als Geschäftsführer der Spiegel TV GmbH ab, er wurde stattdessen Herausgeber der Sendereihe.[14]
Im Oktober 2005 kam es von Seiten zweier Gesellschafter des Blattes (Mitarbeiter KG und Augstein-Erben) zu einem medial viel beachteten Konflikt mit Aust; ihm wurden „Qualitätsmängel in der Berichterstattung“ vorgeworfen. Er setzte sich unter Verweis auf die Statuten des Magazins durch, die der Redaktion komplette journalistische Unabhängigkeit garantieren.[15]
Kritiker hatten Aust schon länger vorgeworfen, seine Arbeit mit privaten Interessen zu verquicken. So wurden Vorwürfe laut, er stehe hinter der besonders negativen Berichterstattung des SPIEGEL über die Stromerzeugung durch Windkraft, da Windkraftanlagen Austs eigene Pferdezucht bedroht hätten. Außerdem hatte Aust einen Artikel der Redakteure Harald Schumann und Gerd Rosenkranz abgelehnt, in dem vergleichsweise positiv über die Windenergie berichtet wurde. Kurze Zeit später wurde Windenergienutzung in einer Titelgeschichte scharf kritisiert („Der Windmühlen-Wahn“, Spiegel 14/2004). Schumann soll Berichten zufolge von „Desinformation“ und „Propaganda“ gesprochen und aus diesem Grund seine Kündigung eingereicht haben.[16][17]
Am 15. November 2007 wurde bekannt, dass die Gesellschafter des SPIEGEL-Verlags einvernehmlich und auf Initiative der Mitarbeiter-KG beschlossen hatten, Austs Vertrag über den 31. Dezember 2008 hinaus nicht zu verlängern.[18][19] Dem 61-Jährigen seien „schlechter Führungsstil und mangelnde Innovationskraft“ zur Last gelegt worden.[20] Am 5. Februar 2008 wurde Aust mit sofortiger Wirkung freigestellt. An seine Stelle traten Mathias Müller von Blumencron, bisher Chefredakteur von Spiegel Online, und Georg Mascolo, bis zu diesem Zeitpunkt Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros Berlin.[21] Aust reichte gegen seine Kündigung Klage ein.[22]
Am 7. März 2008 gaben SPIEGEL und Aust bekannt, man habe sich auf Grundlage einer außergerichtlichen Einigung darauf verständigt, dass Aust mit sofortiger Wirkung nicht mehr in Diensten des Verlages stehe. Über Einzelheiten und die Höhe seiner Abfindung wurde zunächst nichts bekannt. Der Journalist Hans Leyendecker sprach später von ungefähr vier Millionen Euro, die Aust erhalten habe.[23]
2008 führte Erich Wiedemann ein Interview mit Stefan Aust, dessen Vertrag als Chefredakteur des Spiegel wenige Monate zuvor durch den Verlag beendet worden war, und berichtete in Cicero, Aust mache die SPD für seinen Sturz verantwortlich. Deren Funktionäre hätten nach der negativen Berichterstattung des Spiegel über die SPD vor der Bundestagswahl 2005 beschlossen, mit Mario Frank einen Mann ihres Vertrauens als Chefredakteur zu lancieren.[24] Aust dementierte, dies gesagt zu haben, und erklärte, nicht die SPD, sondern die Gesellschafter des Spiegel hätten ihn gestürzt.[25][26]Wolfram Weimer, damaliger Chefredakteur von Cicero, hielt dagegen, alle Zitate in dem Artikel seien von Aust autorisiert gewesen, darauf habe er Wert gelegt.[27]
Über seine Zeit beim SPIEGEL äußerte sich Aust im Juni 2011 in einem Interview mit Gentlemen’s Quarterly: „Ich habe das 13 Jahre lang gemacht, hab da eine sehr gute Zeit gehabt, aber eigentlich war es zu lang. Es ist eine unglaublich reizvolle Aufgabe, spannend, aber auch ziemlich aufreibend. Zum Schluss etwas unerfreulich, man hätte meinen Abgang auch eleganter lösen können […] Aber am Ende war ich heilfroh, dass ich da raus war.“[30]
Am 16. Juni 2010 gab die ProSiebenSat.1 Media bekannt, dass der Nachrichtensender N24 samt Produktionsgesellschaft an ein Bieterkonsortium, an dem Aust beteiligt ist, veräußert wurde.[31] Aust war mit 26 % an der N24 Media beteiligt[32] und zugleich als Geschäftsführer tätig.
Seit 1. November 2011 ist Aust Autor für die Wochenzeitung DIE ZEIT.[33]
2013 warfen Reporter des NDR sowie die Menschenrechtler Christoph Strässer und Emin Milli der von Aust geleiteten agenda media und N24 bezahlte Propaganda für das vom „Alijew-Clan autoritär regierte Aserbaidschan“ vor.[34]
Im Dezember 2013 wurde bekannt, dass Stefan Aust als Nachfolger von Thomas Schmid neuer Herausgeber der Tageszeitung Die Welt wird.[35] Ab dem 1. Januar 2016 übernahm er zusätzlich kommissarisch die Aufgaben des ehemaligen Chefredakteurs Jan-Eric Peters, bis er am 6. September 2016 von Ulf Poschardt abgelöst wurde.
Aust verfasste eine Biografie über den Journalisten und Autor Konrad Heiden, die 2016 erschien. Heiden war einer der erfolgreichsten publizistischen Gegner des Nationalsozialismus in den 1930er- und 1940er-Jahren, doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er schnell in Vergessenheit. Aust hatte es sich zum Ziel gesetzt, Heiden wieder zurück ins allgemeine Gedächtnis zu holen. Kritisch bewertet wurde die Biographie vom Gießener Historiker Markus Roth. Er wies nach, dass Aust an vielen Stellen Textpassagen nahezu wortwörtlich von Heiden übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen.[36]
Unter dem Titel Zeitreise: Die Autobiografie veröffentlichte Aust am 31. Mai 2021 seine Memoiren. Im Dezember 2023 folgte die Veröffentlichung der daraus entstandenen 10-teilige Dokumentationsreihe Zeitreise im Videoformat, welche seither in der Mediathek von WELT Zeitgeschichte abrufbar ist.[37]
2023 erwirkte Aust eine einstweilige Verfügung gegen das ZDF Magazin Royale, weil ein Foto, das ihn angeblich zeigen sollte, auf einem fiktiven RAF-Plakat mit Schauspieler Volker Bruch zu sehen war.[38] Im Anschluss wurde die betreffende Sendung vom ZDF depubliziert.[39]
Aust wohnt in Lamstedt (Niedersachsen) und in Hamburg-Blankenese.[45] Er betreibt in Armstorf bei Bremervörde einen Reiterhof mit Hannoveraner-Gestüt. Für seine Zuchttiere erzielte er auf einer Pferdeauktion hohe Preise.[46]
Aust ist verheiratet und Vater zweier Töchter.[47]
Die Flucht: Über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Spiegel-Buchverlag, Hamburg 2002, ISBN 3-421-05682-X.
Der Lockvogel: Die tödliche Geschichte eines V-Mannes zwischen Verfassungsschutz und Terrorismus. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 3-498-00063-2 (Taschenbuchausgabe 2003, ISBN 3-499-61638-6).
2009: Wettlauf um die Welt – ZDF-Dokumentation (mit Claus Richter)
2009: Auferstanden aus Ruinen – ZDF-Dokumentation (mit Claus Richter)
2012: Die Jagd auf Adolf Eichmann. Dt. Version einer Dokumentation, 2 Teile, 115 Min. Moderation des Films der israelischen Regisseure Dan Setton und Daniel Paran. Mit Interviews von an der Suche Beteiligten wie Zvi Aharoni und Isser Harel. Originaltitel: L'Hidato Shel Adolf Eichmann, Israel, 1994, 91 Min.
2013: 45 Min – Der geplünderte Staat: Geheime Milliarden-Deals in Deutschland (mit Thomas Ammann), NDR
2015: An der Grenze – 24 Stunden an den Brennpunkten der Flüchtlingskrise, (N24/Welt) / Deutscher Fernsehpreis 2016
2016: Der NSU-Komplex – Buch und Regie (mit Dirk Laabs), ARD-Dokumentation im Auftrag von BR/MDR/NDR[49]
2023: WELT Zeitreise von Stefan Aust, 10-teilige Dokumentation[50]
↑Toralf Staud: "Der NSU-Komplex": Die Rekonstruktion des Unfassbaren. In: Die Zeit. 7. April 2016, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 15. August 2016]).