Als Sowjetische Kriegsgräberstätten in Deutschland werden Friedhöfe auf deutschem Boden bezeichnet, die ausschließlich die Gräber von Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gemäß deutschem Gräbergesetz aus der ehemaligen Sowjetunion beherbergen. Sie sind meist in einheitlichem, kulturtypischen Stil gehalten und mit einem Ehrenmal ausgestattet. Sie bilden separate Anlagen oder aber durch räumliche und gestalterische Merkmale klar abgegrenzte eigene Abteilungen eines kommunalen Zivilfriedhofes. Sie sind von einzelnen Kriegsgräbern sowjetischer Bürger auf kommunalen Zivilfriedhöfen zu unterscheiden. Sowohl Kriegsgräberstätten als auch einzelne Kriegsgräber sind gemäß Gräbergesetz sowie der Vereinbarung über den Erhalt und die Pflege der Kriegsgräberstätten zwischen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und der Bundesrepublik Deutschland von 1992 durch den deutschen Staat dauerhaft zu erhalten.
Zu unterscheiden sind zudem sowjetische und russische Kriegsgräber. Die Sowjetunion wurde im Jahr 1922 gegründet. Kriegsgräber des Ersten Weltkrieges (1914–1918) sind daher nicht zu den sowjetischen, sondern zu den russischen Kriegsgräbern zu zählen. Die sowjetischen Kriegstoten wiederum setzen sich keineswegs nur aus Bürgern russischer Nationalität zusammen, sondern weisen aufgrund des multiethnischen Charakters der Sowjetunion eine ebensolche ethnische Streuung auf.
In Deutschland sind bis heute laut dem Büro für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit der Russischen Botschaft in Berlin die Gräber von etwa 640.000 Bürgern der ehemaligen Sowjetunion bekannt.[1] Bei den Toten handelt es sich zum überwiegenden Teil um Opfer des Zweiten Weltkrieges bzw. des Großen Vaterländischen Krieges zwischen 1941 und 1945, etwa um in Kampfhandlungen oder in Kriegsgefangenschaft umgekommene Soldaten, Offiziere und Zivilbedienstete der Roten Armee, aber auch Zivilisten, die auf deutschem Boden als Zwangsarbeiter eingesetzt worden waren. Sie ruhen in Einzel- oder Sammelgräbern auf Gemeindefriedhöfen und in großen Kriegsgräberstätten mit Zehntausenden von Toten.
Eine Besonderheit stellen die Gräber der nach Angabe des Botschaftssekretariats rund 17.000 Angehörigen der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte und deren Familien dar, die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zwischen 1952 und 1990 ihre letzte Ruhe fanden. Bis Ende der 60er-Jahre wurden während des Militärdienstes verstorbene Militärangehörige auf den großen sowjetischen Standortfriedhöfen und somit direkt neben den Kriegstoten auf den Kriegsgräberstätten beerdigt. Anschließend erfolgte die Beisetzung fast ausschließlich in der Heimat. Lediglich Kinder und Zivilisten wurden bis in die 80er-Jahre hinein noch vereinzelt auf den Garnisonfriedhöfen bestattet. Daher erlauben die in Deutschland vorhandenen sowjetischen Gräber keine verlässliche Aussage zur Zahl der in der Nachkriegszeit auf deutschem Boden ums Leben gekommenen Angehörigen der Sowjetarmee.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von den Alliierten in vielen Orten Deutschlands Kriegsgräberstätten angelegt. In der Sowjetischen Besatzungszone regelte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Errichtung der Standortfriedhöfe ab 1946. Auf diesen wurden vor allem die zum Kriegsende sowie nach dem Krieg verstorbenen Militärangehörigen bestattet. Zum Teil wurden aber auch die auf den Schlachtfeldern beerdigten Rotarmisten sowie umgekommene Zwangsarbeiter nachträglich auf diese Anlagen umgebettet. Die Neubestattung erfolgte in vielen Fällen anonym, auch Dokumente darüber existieren häufig nicht, was die Suche der Angehörigen nach dem finalen Bestattungsort oft erschwert.
Auf diesem Wege entstanden im Osten Deutschlands, auf dem Gebiet der späteren DDR, 18 große sowjetische Standortfriedhöfe, die gleichzeitig Kriegsgräberstätte sind, sowie eine Vielzahl an kleinen Ehrenfriedhöfen.[2] Sie dienten auch als Kulisse für politische Feiertage, etwa den jährlichen Tagen der Befreiung am 8. Mai oder dem Tag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution am 7. November. Bis heute erfolgen insbesondere am 8. Mai oder zum Volkstrauertag im November Kranzniederlegungen an solchen Stätten.
Pflege der Friedhöfe
In einem bilateralen Vertrag mit der Russischen Föderation(Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge) hat die Bundesrepublik im Jahr 1992 eindeutige Zusagen zum Erhalt und zur Pflege dieser Grabstellen abgegeben:
(1) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der Russischen Föderation gewährleisten den Schutz der Kriegsgräber und das dauernde Ruherecht für die Kriegstoten der jeweils anderen Seite in ihrem Hoheitsgebiet und bemühen sich, die Umgebung der Kriegsgräberstätten von allen Anlagen freizuhalten, die mit der Würde dieser Stätten nicht vereinbar sind.
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(3) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet auf ihre Kosten die Erhaltung und Pflege russischer Kriegsgräber im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Eine gleichlautende Vereinbarung existiert seit 1997 auch mit der Ukraine[3].
Im Umkehrschluss verpflichteten sich die Vertragsländer ebenfalls zur Bewahrung deutscher Kriegsgräberstätten auf dem eigenen Staatsterritorium, die jedoch meist in Kooperation und auf Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge gewährleistet wird.
Nicht berücksichtigt in den rechtlichen Regelungen von 1992 wurden die auf den Kriegsgräberstätten ebenfalls angesiedelten Nachkriegsgräber der rund 17.000 sowjetischen Militärangehörigen und Zivilisten, die zwischen dem 1. April 1952 und 1994 bestattet wurden. Sie fallen auch nicht unter das Gräbergesetz und verwahrlosen daher vielerorts. Die Kommunen argumentieren hier häufig mit dem Kostenargument und verweisen auf die nicht existente rechtliche Verpflichtung zum Erhalt dieser Gräber.[4]
Standorte
In ganz Deutschland hat das zuständige Botschaftssekretariat der Russischen Föderation annähernd 3400 Standorte ermittelt, an denen sowjetische Kriegstote aus dem Zweiten Weltkrieg bestattet wurden.[5] Diese umfassen sowohl die großen Kriegsgräberstätten als auch kommunale Friedhöfe mit einzelnen Kriegsgräbern. Davon liegen etwa 825 im Osten Deutschlands und 2615 im Westen. Die Toten teilen sich beinahe hälftig auf beiden Landesteile auf. So entfallen auf den Osten mehr als 300.000 Kriegsopfer (Soldaten und Zwangsarbeiter). Im westlichen Deutschland, wo die Rote Armee nie in Kampfhandlungen verwickelt war, handelt es sich bei den hier bestatteten 340.000 Toten ausschließlich um Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Insgesamt sind demnach an all diesen Standorten die eingangs erwähnten rund 640.000 Menschen bestattet. Von den wenigsten (nur etwa einem Viertel) ist die Identität bekannt.
Bei sowjetischen Opfern des Zweiten Weltkrieges ist zudem von einer hohen Dunkelziffer noch nicht geborgener Toter auszugehen. Viele wurden im Zuge der letzten Kriegstage im April und Mai 1945 am Rande des Schlachtfeldes eilig beigesetzt. Insbesondere in und bei Berlin kommt es bis heute immer wieder zu Zufallsfunden. Zahlreiche Rotarmisten gelten noch immer als vermisst. Andere wurden nach Kriegsende auf dem Territorium sowjetischer Armeegarnisonen beigesetzt und niemals umgebettet.
Liste sowjetischer Kriegsgräber und Kriegsopfer-Gräberstätten in Deutschland
Auf dem SS-Schießplatz wurden ca. 4000 sowjetische Kriegsgefangene aus dem KZ Dachau ermordet. Die Leichen wurden anderswo verbrannt; es befinden sich allerdings noch zahlreiche menschliche Überreste im Boden, hauptsächlich Teile von Schädelknochen.
Auf dem Westfriedhof befindet sich ein Ehrenhain für KZ-Opfer hier fehlen die Namen etlicher Häftlinge. Vor allem wird in kyrillischer Schrift nur an 4 russische Tote erinnert, bei denen es sich aber um in Göggingen erschossenen Zwangsarbeiter handelt. Die Namen von russischen KZ-Häftlingen, die bei den Luftangriffen ums Leben gekommen sind, finden sich weder vor Ort noch in anderen Dokumenten.[6]
In der nördlichsten Ecke des Alten Friedhofs befinden sich zwei Namenstafeln für überwiegend aus der Sowjetunion stammende Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.
Friedhof für 1647 sowjetische Staatsangehörige und weitere Opfer aus ganz Europa sowie deutsche Soldaten und Zivilopfer des Zweiten Weltkriegs fanden auf den katholischen Friedhöfen St. Hedwig und St.-Pius in der Konrad-Wolf-Straße ihre letzte Ruhestätte.[9]
Friedhof für die in der Kesselschlacht von Halbe gefallenen Soldaten der 3. und 4. Panzerarmee der 1. Ukrainischen Front der Roten Armee. Er gilt als eine der größten und bedeutendsten sowjetischen Kriegsgräberstätten in Brandenburg.
255 während der Kämpfe gefallene Sowjetsoldaten wurden am sowjetischen Ehrenmal bis Oktober 1945 in Einzel- und Sammelgräbern bestattet. Im gesamten Stadtgebiet fanden mindestens 681 sowjetische Militärangehörige ihre letzte Ruhestätte.
Hier ruhen 860 namentlich bekannte Bürger der ehemaligen UdSSR, Militär- und Zivilpersonen, darunter zahlreiche Kinder, die infolge von Kriegsverletzungen, Unfällen und Krankheiten verstarben.[10]
Mindestens 4109 sowjetische Kriegsgefangene des Stalag IIIB. Die Gebeine wurden 1951 in eine Gruft unter dem Ehrenmal umgebettet, da die ursprünglichen Massengräber dem Eisenhüttenkombinat Ost weichen mussten.
Ehrenmal, Grabstätte für 239 im Kampf gefallene oder an den Folgen der Kampfhandlungen verstorbenen Soldaten und Offiziere der Roten Armee sowie zweier ziviler sowjetischer Opfer[12]
Hier ruhen 651 sowjetische Kriegsgefangene der Jahre 1941/1942 aus dem KZ Neuengamme. Ein Mahnmal des St. Petersburger Bildhauers Grigori Jastrebenezki zeigt einen Kriegsgefangenen mit gefesselten Händen vor einem Stacheldrahtverhau.[18]
Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkriegs, im Zweiten Weltkrieg als Gräberstätte des „Stammlagers XII“ bei Diez benutzt; neben russischen und sowjetischen Toten mindestens Opfer aus acht weiteren Staaten.
Grabstätte für 53 Soldaten und Offiziere der Roten Armee, davon nur 31 namentlich bekannt.[20] Der Friedhof liegt gegenüber dem Bahnhof Bergen auf Rügen. Die Dienstgrade, Familiennamen, Vornamen, Vatersnamen und Lebensdaten der hier Beigesetzten stehen soweit bekannt auf den Tafeln an der linken und rechten Seite des Gedenksteins.
Sowjetischer Ehrenfriedhof an der Grabower Allee für insgesamt 220 sowjetische Opfer des Zweiten Weltkriegs, darunter gefallene Rotarmisten sowie umgekommene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter[21][22]
220
Gedenkstätte „Leninhain“ zwischen Fischer- und Haußmannstraße sowie Mühlen- und Bahnhofsstraße
Der Ehrenhain, dessen Grundsteinlegung zum 100. Geburtstag Lenins im April 1970 erfolgte, umfasst eine Grabanlage für 21 Sowjetsoldaten, die in 13 Gräbern beigesetzt wurden sowie eine Friedenssäule, verbunden mit einer roten Gedenkwand mit Häftlingswinkel für die Opfer des Faschismus und einem Sowjetstern. Eine ursprünglich im Zentrum der im Oktober 1971 eingeweihten Anlage stehende Pyramide mit einem Sowjetstern auf der Spitze wurde nach 1990 entfernt. Die vor den Gräbern der Sowjetsoldaten ursprünglich stehenden kleinen Obelisken mit Sowjetstern waren 1999 beschädigt worden und wurden dann ebenfalls entfernt.[23]
Eine Gedenkstätte mit Gräberfeld am Mittleren Pfauenteich erinnert an die über 100 Opfer unter den sowjetischen Zwangsarbeitern bei der Bombardierung des Werkes Tanne.
Auf dem Ehrenfriedhof (im Stadtfriedhof) Göttingen befindet sich ein Gedenkstein für russische Zwangsarbeiter. Die Geschichte der Verstorbenen wird auf einer zentralen Informationstafel erklärt.
14.000 sowjetische Kriegsgefangene und Soldaten aus anderen Nationen bestattet, die zwischen 1940 und 1945 in den Kriegsgefangenenlagern in Oerbke und Fallingbostel starben.[27]
Das Gräberfeld 19 ist für 714 sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Weitere ruhen auf dem Feld 19 A und 34, zusammen mit anderen Opfern der NS-Zeit. Gedenksteine und metallene Namensbücher erinnern an die Opfer.
Auf weiteren Friedhöfen in Bochum gibt es weitere, einzelne Gräber, die hier in der Zahl nicht berücksichtigt sind.
Grabstätte für sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsopfer in Hattingen-Blankenstein mit 155 Bestatteten, davon 151 russische Zwangsarbeiter der Henrichshütte. Weitere Namen: Russischer Ehrenfriedhof, Sowjetischer Ehrenfriedhof
Grabstätte von 100 bis 150 sowjetischen Zwangsarbeitern auf dem Gemeindefriedhof von Heusweiler. Die Arbeiter waren vorwiegend im Bergbau und Gleisbau der Reichsbahn eingesetzt. Über die näheren Umstände ihres Todes ist z. Zt. wenig bekannt. Die Gemeinde Heusweiler hat nach 1990 die Grabstätten mit Bronzetafeln versehen, auf denen alle namentlich bekannten Toten verzeichnet sind.
100 bis 150
Sachsen
Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen befinden sich 910 Kriegsgräberstätten. Diese untergliedern sich in 26.000 Einzelgräber sowie Sammelgräber mit einer Gesamtfläche von ca. 93.000 m². Insgesamt wurden in diesen Gräbern über 147.000 Kriegsopfer bestattet. Allein auf dem Ehrenhain in Zeithain sind mehr als 25.000 von ihnen [Sowjetbürger, Zwangsarbeiter] bestattet.[33]
Sowjetischer Ehrenfriedhof, auf dem 80 Kriegsgefangene sowie Frauen, Männer und Kinder begraben sind, die während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland verschleppt und Opfer von Zwangsarbeit wurden.[35]
77 sowjetische Tote des Zweiten Weltkrieges ruhen auf dem Hauptfriedhof. Davon sind 51 namentlich bekannt. Die Gräber werden jährlich durch russische und deutsche Jugendliche im Rahmen eines Workcamps des Volksbundes Deutscher Kriegsgräber instand gehalten.
Am Friedhof angrenzend findet sich eine Kriegsgräberstätte mit 107 Opfern aus verschiedenen europäischen Ländern. Ein separates Denkmal sowie eine Informationstafel weist 19 sowjetische Opfer aus.
↑Information des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst und des Büros für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit der Botschaft der Russischen Föderation.
↑Wolf Karge, Hugo Rübesamen, Andreas Wagner (Hrsg.): Bestandsaufnahme Politischer Memoriale des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Projekt: „Gedenkstättenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern“ (Politische Memoriale e. V. Mecklenburg-Vorpommern), Schwerin 1998, S. 590–593.
↑Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Studienkreis deutscher Widerstand 1933-1945 (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945, Reihe: Heimatgeschichtliche Wegweiser Band 8 Thüringen, Erfurt 2003, S. 315, ISBN 3-88864-343-0.