Am 27. Oktober 2024 fand zum zweiten Mal in diesem Jahr eine vorgezogene Parlamentswahl in Bulgarien statt. 19 Parteien und neun Koalitionen traten bei der Wahl an.[2] Gewählt wurden die 240 Abgeordneten der bulgarischen Nationalversammlung, des Narodno Sabranies. Die Wahl war notwendig geworden, nachdem wieder keine Regierungsmehrheit im Parlament gebildet werden konnte.
Die jetzige Parlamentswahl ist die siebte in dreieinhalb Jahren. Zuvor wurden die Bulgaren bereits 2021 im April, Juli und November, 2022 im Oktober, im April 2023 sowie im Juni 2024 zu den Urnen gerufen. Ursache dieser Instabilität waren die politische Inkompatibilität bzw. fehlende Kompromissbereitschaft der Parteien, die nach den Wahlen nie eine Koalitionsregierung bilden konnten. So amtierten immer geschäftsführende Regierungen ohne echte parlamentarische Rückendeckung, die dementsprechend auch keine größeren Projekte umsetzen oder Reformen anstoßen konnten.
Die politische Stagnation führte auch dazu, dass Bulgarien Gefahr lief, milliardenschwere EU-Subventionen zum Umbau der Energieinfrastruktur zu verlieren, da das Land die gesetzten Bedingungen nicht erfüllte.
Die Wähler reagierten auf die politische Dauerkrise mit zunehmender Wahlmüdigkeit. Für die anstehende Wahl wurde eine Beteiligung von nur 30 Prozent erwartet. Außerdem fanden populistische Gruppierungen zunehmend Gehör. Die einflussreichste, die prorussische, antieuropäische und nationalistische „Wiedergeburt“, erst seit 2021 im Parlament vertreten, konnte nach Umfragen hoffen, ihren Stimmenanteil auf etwa 15 Prozent zu erhöhen, dreimal so viel wie noch 2021.[3]
Nach der vergangenen Wahl kam es in der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) zum Streit zwischen Co-Parteivorsitzendem Deljan Peewski und dem Gründer und Ehrenvorsitzenden Ahmed Dogan. Während Peewski auf die konservative GERB zugehen wollte und deren Kabinettsvorschlag im Parlament unterstützte, folgte ein Drittel der Fraktion dem Aufruf Dogans und lehnte das Kabinett ab.[7] Der Streit entbrannte schließlich in Dogans Aufruf zum Rücktritt Peewskis, worauf dessen Unterstützer mit dem Ausschluss von 17 Abgeordneten aus der Fraktion, darunter der Co-Vorsitzende Dschewdet Tschakarow, antworteten.[8] Insgesamt ist die Fraktion im Juli gar von 47 auf 22 Abgeordnete geschrumpft. Zur Neuwahl hatten sowohl der Flügel um Peewski als auch der Flügel um Dogan konkurrierende Koalitionslisten unter Beteiligung der DPS eingereicht. Nachdem die Wahlkommission zunächst beide Listen abgelehnt hatte, bekam Peewski am 11. September gerichtlich die Wahlteilnahme der DPS zugesprochen.[9] Das Lager um Dogan tritt daher unter dem Namen Allianz für Rechte und Freiheiten an.
Im Vergleich zur Vorwahl zeigten sich überschaubare Veränderungen. Zwar gewann die konservative GERB (in Koalition mit der SDS) leicht an Stimmen dazu und kommt auf das beste Ergebnis der letzten Jahre, allerdings ist die politische Landschaft weiter stark zersplittert, sodass ihr Spitzenkandidat, der ehemalige Ministerpräsident Bojko Borissow, mindestens zwei Koalitionspartner zur Mehrheit in der Nationalversammlung bräuchte. Das Parteienbündnis aus Wir setzen den Wandel fort (PP) und Demokratisches Bulgarien (DB) kam nahezu unverändert auf rund 14 Prozent, die rechtsextreme Wiedergeburt (Wasraschdane) verbleibt erneut rund einen Prozentpunkt dahinter. Die vormals zweitstärkste Partei Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) ist intern gespalten und war bei der Wahl in zwei Lagern angetreten. Die Koalition DPS-Neuanfang mit offizieller Beteiligung der DPS unter Deljan Peewski kam auf elf Prozent, während die Allianz für Rechte und Freiheiten (APS) um Ahmed Dogan etwas über sieben Prozent erreichte. In der Summe konnten die beiden DPS-Fraktionen also sogar leicht dazugewinnen. Das linke Bündnis, das sich um die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) gesammelt hat, kam auf etwas über sieben Prozent, auch die ITN hat fast sieben Prozent der Stimmen erhalten. Neu ins Parlament einziehen wird die national orientierte, populistische Partei Moral, Edinstwo, Tschest (METsch, übersetzt Moral, Einheit, Ehre), die Anfang des Jahres gegründet wurde. Die Welitschie scheitert laut Endergebnis äußerst knapp an der Sperrklausel von vier Prozent. Der Partei fehlen 21 Stimmen, um erneut in die Nationalversammlung einziehen zu können. Dem Narodno Sabranie gehören somit acht politische Gruppen an.[1]