Das Gymnasium wurde 1971 gegründet. Die Schülerzahlen stiegen rasch auf ein Niveau, das zu über 35 Kindern pro Klasse führte und es erforderte, Schichtunterricht abzuhalten, in dem Kinder wechselnd entweder Vormittags- oder Nachmittagsunterricht hatten.[3] Dies konnte mit Errichtung einer bis zur 10. Klasse reichenden Zweigstelle am Marienstern im benachbarten Münchner Stadtteil Solln behoben werden, die von 1975 bis 1995 bestand.[4][5] Bis in die 1980er Jahre hinein hatte das Gymnasium auch einen humanistischen Ausbildungszweig.
Während der Olympischen Spiele 1972 wurden die Turnhallen der chinesischen Mannschaft zum Training zur Verfügung gestellt.[3] Seit Gründung wird jährlich ein Weihnachtsbasar zu Gunsten eines karitativen Zwecks veranstaltet, an dem die ganze Schule mitwirkt und der weit über die Grenzen Pullachs hinaus bekannt ist.[6][7]
Im Schuljahr 2021/22 wurde eine digitale Erneuerung der Klassenzimmer für rund 850.000 Euro abgeschlossen. Neben einem stärkeren WLAN stehen der Schule nun auch Multitouch-Displays und Whiteboards zur Verfügung, die von Schülern sowie Lehrern überwiegend positiv aufgenommen wurden.[8]
2013 schlug die damalige Direktorin, Renate Einzel-Bergmann, vor, den Namen des im Februar verstorbenen, berühmten Kinder- und Jugendbuchautors Otfried Preußler anzunehmen. Der Vater der Direktorin war ein Kindheitsfreund von Preußler.[11] Die Schulgremien sprachen sich für das Ändern des Schulnamens in Otfried-Preußler-Gymnasium aus, so dass noch im selben Jahr der damalige Kultusminister Ludwig Spaenle den Namen verlieh.[12][13] Der Pullacher Gemeinderat kritisierte die Entscheidung der Schulfamilie, da kein Ortsbezug von Preußler zu Pullach bestand und weil Preußler hauptsächlich als Autor für Kinder im Grundschulalter und nicht für die Altersgruppe des Gymnasiums in Erscheinung getreten war.[14]
Angestoßen durch das von Preußler 1941 im Alter von 17 Jahren verfasste Buch Erntelager Geyer, das Preußler als Fähnleinführer (Dienstgrad der NS-Organisation Deutsches Jungvolk) geschrieben hatte, begannen 2015 Historiker und Literaturwissenschaftler sich mit dem Buch auseinanderzusetzen.
Die Ergebnisse wurden auch anderweitig publiziert, z. B. im Rahmen einer Preußler gewidmeten Tagung des Adalbert-Stifter-Vereins, dessen Vorstand der Preußler-Forscher Peter Becher ist.[15][16]
2024 sollte auf Antrag des Schuldirektors Benno Fischbach die seit 2014 geführte Benennung nach dem Kinderbuchautor Otfried Preußler wieder zurückgenommen werden, was ein großes Medienecho und Vorwürfe der Cancel Culture nach sich zog. Am 14. März 2024 stimmte der Zweckverband einstimmig der Rückbenennung der Schule in Staatliches Gymnasium Pullach zu. Die Vorsitzende des Verbands, die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund,[17] äußerte, dass es der Schule nicht darum gehe, Preußler für seine [damalige] NS-Begeisterung abzustrafen; er eigne sich jedoch nicht als Vorbild, weil er das eigene Denken und Handeln nie öffentlich kritisch reflektiert habe.[18]
2018 gründete sich im Gymnasium eine Arbeitsgruppe aus Schülern und zwei Lehrern, unter Leitung des stellvertretenden Direktors, eines Lehrers für Mathematik und Physik, um sich mit Preußlers Jugend zu befassen und eine Ausstellung zu diesem Thema zu organisieren.
Lehrer, Schüler und der Elternbeirat strebten nach fünf Jahren Befassung mit dem Thema an, der Schule wieder den bis 2014 verwendeten Namen Staatliches Gymnasium Pullach zu geben.
Der beim zuständigen Zweckverband eingegangene Umbenennungsantrag, listet fünf Argumente auf, die aus Sicht der Schule eine Umbenennung notwendig machen:[19]
die fehlende Distanzierung in konkreter Form von Preußlers Erstlingswerk Erntelager Geyer, welches er als 17-Jähriger verfasste und das von mehreren Wissenschaftlern als HJ-Roman klassifiziert wird
die fehlende vorbildhafte Einstellung in pädagogischer Hinsicht, da Preußler seine eigene Tätigkeit als Lehrer auf einer Postkarte als öde bezeichnet hatte
ein fehlender Bezug zur Gemeinde Pullach
das Fehlen eines echten gymnasialen Anspruches im literarischen Werk Preußlers
Gewalt und/oder Hexerei als Konfliktlösungsmechanismen in den Büchern Preußlers
Die Erben Preußlers drohten mit einer Schadenersatzklage.[21][22]
Preußlers jüngste Tochter, die Historikerin Susanne Preußler-Bitsch, teilte mit, sie habe von der geplanten Umbenennung erst aus der Presse erfahren, und bezeichnete das Vorgehen der Umbenennungskommission als „unseriös“, da es seitens des Gymnasiums keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit ihres Vaters gegeben habe. Das Privatarchiv stünde seit dem Tode ihres Vaters der Forschung offen, Historiker und Literaturwissenschaftler hätten es davor schon ausgiebig genutzt und Bücher und Dokumentarfilme produziert.
Preußlers älteste Enkelin, die Literaturwissenschaftlerin Sabine Volk, erklärte hingegen, dass sie „größtes Verständnis“ für die Umbenennung des Pullacher Gymnasiums habe, denn dieser habe sein Buch Erntelager Geyer verschwiegen.[23][24]
„Es ging mir darum, in diese hoch emotionalisierte Debatte um meinen Großvater einzugreifen, die drohte, allergrößten Schaden anzurichten. [...] Ich bin noch darüber schockiert, wie beleidigend und diffamierend insbesondere mit Mitgliedern der Schulgemeinschaft am Gymnasium Pullach umgegangen wurde.“
Peter Becher, der die Wiederentdeckung von Erntelager Geyer 2015 publiziert[26] und in Pullach mit Schülern und Lehrern diskutiert hatte, hatte der Schule vom Namenswechsel „dringend abgeraten“.
„Meiner Meinung nach ist ein differenziertes Preußlerbild, das auch Spannungen enthält, gerade für Schüler lehrreicher als ein lupenreines Idol.“
Der Augsburger Schriftsteller und Filmemacher Thomas von Steinaecker war Anfang Februar 2024 zu Gast am Gymnasium, um über Preußler und den Umgang mit dessen Vergangenheit zu diskutieren, und hielt die geplante Umbenennung ebenfalls für falsch:
„Die Umbenennung des Gymnasiums Pullach ist für mich persönlich eine vertane Chance […] Preußlers Biografie zeigt beispiellos anschaulich, wie man als Jugendlicher durch Ideologien verführt werden kann und sich daran ein Leben lang abarbeitet. Was wäre das für eine Steilvorlage für jeden Geschichts- oder Deutschlehrer an einem Preußler-Gymnasium gewesen, sich regelmäßig mit dem Namensgeber der Schule und seinen Schwächen und Stärken auseinanderzusetzen - gerade heute!“
Obwohl das bayerische Kultusministerium im März 2024 eine Prüfung innerhalb „weniger Wochen“ ankündigte, konnte der Antrag im September 2024 immer noch nicht beschieden werden, da rechtliche und formale Bedenken bestanden.[28] Daher wurde der Antrag an die Schule zurückgegeben.[29] Daraufhin zog die Familie Preußler im Oktober 2024 die Erlaubnis zur Nutzung des Namens zurück, um der Schule die gewünschte Rückbenennung zu ermöglichen;[30] denn die Schule habe die Ehre, den Namen ihres Vaters tragen zu dürfen, eindeutig verwirkt, sagte Susanne Preußler-Bitsch.[31]
Anlage
Die Anlage wurde zwischen 1969 und 1972 von den Architekten Werner Fauser und Herbert Kriegisch sowie dem Künstler Manfred Mayerle im Stile des Brutalismus entworfen und 2011 von Christian Lechner erweitert.[32] Der größere Altbau ist mit dem Neubauflügel durch einen hochgelegenen Gang („Brücke“) verbunden. Das Gymnasium verfügt über einen Sportplatz (jedoch ohne 400-m-Bahn), Bibliothek, Dreifach-Turnhalle, Biologie-, Chemie- und Physiksäle, Theatersaal, Vortragssaal, drei Computerräume, Cafeteria, zwei Kunstsäle, Aula, zwei Musiksäle, Mensa und Räume der Jugendsozialarbeit und der Schulpsychologie. Die Gebäude gruppieren sich um einen Pausenhof, über den man zur Mensa, zu den Sportumkleiden und in die Aula gelangen kann.
2024 wurde das Gebäude in die bayerische Denkmalschutzliste aufgenommen. Aus Sicht des Denkmalschutzes spiegle das Gebäude „den Anspruch der späten 1960er- und frühen 70er-Jahre wider, dem Gymnasium als wichtigen Ort schulischer Bildung einen angemessenen, die demokratischen Wertevorstellungen und Ziele der Schulreformen der 1960er-Jahre vermittelnden architektonischen Rahmen zu geben“.[33]
Schulfächer
Im Gymnasium werden 17 Fächer unterrichtet, darunter Biologie, Englisch, Latein, Deutsch, Mathematik, Geographie, Geschichte, Kunst, Musik, Religion, Sport und Informatik. Die Schüler lernen je nach gewählter Ausbildungsrichtung Latein, Englisch und/oder Französisch, wobei die 1. oder 2. Fremdsprache Englisch ist. Physik wird in der 7. Klasse eingeführt, während Chemie in der 8. beziehungsweise 9. Klasse hinzukommt. Das Schulfach Wirtschaft und Recht kommt im 9. Schuljahr dazu und Sozialkunde im 10. Schuljahr.
Offene Ganztagsschule
Unterstufenschüler werden von Montag bis Donnerstag jeweils von 13.00 bis 16.00 Uhr von pädagogisch ausgebildeten Kräften des Kreisjugendrings (KJR) betreut. Die Zielgruppe sind die 5. und 6. Klassen und in Ausnahmefällen auch 7. Klassen. Die Zeit dort ist in verschiedene Abschnitte eingeteilt: pädagogischer Mittagstisch, Lernzeit und Freizeit. Der Mittagstisch ist verpflichtend und findet in der Mensa statt, die Lernzeit wird in Klassenräumen durchgeführt und von Lehrern betreut, welche Fragen zum Schulstoff beantworten können. Außerdem gibt es verschiedene Freizeitaktivitäten, zum Beispiel Gesellschaftsspiele, eine Kreativ- und Filmwerkstatt, eine Theater AG sowie die Nutzung der Bibliothek. Insgesamt ist dies kostenfrei, nur das Essen aus der Mensa muss regulär bezahlt werden.[34]
Schulische Angebote
In der 5. Klasse gibt es eine Chorklasse, Tutoren- und Streitschlichtungsprogramme, eine Aufnahmefeier, die Kennlerntage und Projekte der Jugendsozialarbeit.
Für die 6. Jahrgangsstufe werden eine Skiwoche und ein weiterer Programmpunkt namens „Zammgrauft“, eine Förderung sozialer Kompetenzen durch die Jugendsozialarbeit, angeboten.
In der 7. Klasse wird ein Planspiel gegen Cybermobbing („Bloßgestellt im Netz“) durchgeführt.
In der 8. Klasse gibt es eine erlebnispädagogische Woche, ein Sozialprojekt namens „Saubableim“, eine Essstörungsprävention und einen sozialen Tag namens „Spende deine Hände“.
Die 9. Jahrgangsstufe bietet ein sexualpädagogisches Projekt und das Angebot einer Mediatoren- bzw. Streitschlichterausbildung.
In der 10. Klasse gibt es eine Berlinfahrt, ein Betriebspraktikum und eine Tutorenausbildung.
Für alle Jahrgangsstufen werden eine „bewegte Pause“, mehrere Streitschlichtungsprogramme, Projekte der Jugendsozialarbeit („Zeit für uns“, „Sichere Wiesn“), die freiwillige Teilnahme am Schulsanitätsdienst, die Teilnahme am Technikteam und ein Methodencurriculum angeboten.
Im Schuljahr werden zahlreiche Veranstaltungen wie der Weihnachtsbazar, Konzerte, Berufsinformationstage, Bewerbungstraining, ein Spendenlauf („Charity-Run“) angeboten.
Partnerschulen
Das Gymnasium nimmt an dem Projekt Erasmus+ teil[35] und hat in fünf Ländern Partnerschulen:
↑Katrin Hörnlein: Otfried-Preußler-Gymnasium: Wer taugt zum Vorbild? In: Die Zeit. 6. März 2024, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 2. Oktober 2024]).
↑Katrin Hörnlein: Otfried-Preußler-Gymnasium: Wer taugt zum Vorbild? In: Die Zeit. 6. März 2024, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 2. Oktober 2024]).
↑Katrin Hörnlein: Debatte um Schulnamen: Kasperltheater in vier Akten. In: Die Zeit. 23. Oktober 2024, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. Oktober 2024]).