Die Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater (bis 2024: August-Hinrichs-Bühne) ist eine Amateurbühne, die in die Sparte „Niederdeutsches Schauspiel“ des Oldenburgischen Staatstheaters eingebunden ist und ausschließlich Stücke in niederdeutscher Sprache zeigt. Ihre Spielstätte ist das „Kleine Haus“ des Staatstheaters.
Hervorgegangen ist die Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater aus der Späälkoppel des am 21. März 1921 gegründeten Ollnborger Kring.[1] 1923 erfolgte die Anbindung an das ehemalige Oldenburgische Landestheater.[2] 1939 wurde die „Niederdeutsche Bühne Oldenburg am Landestheater“ in „August Hinrichs Bühne am Oldenburgischen Staatstheater“ umbenannt – eine Reminiszenz an den Schriftsteller August Hinrichs.[3]
Im Zweiten Weltkrieg war die damalige August-Hinrichs-Bühne im Rahmen von KDF (Kraft durch Freude) in den Jahren 1940, 1941 und 1943 zur Truppenbetreuung auf Tournee. Sie spielte an der Westfront, in Holland und Dänemark, wie auch in Bulgarien, Rumänien und an der Schwarzmeerfront. Bis zum 18. April 1944, mit dem Stück Sware Tied von August Hinrichs, konnte die Bühne den Spielbetrieb noch aufrechterhalten.[4]
Im Jahre 1944 starb Emil Hinrichs. Er war Gründer, Schauspieler und Förderer der Bühne. Sein Sohn Carl Hinrichs wurde sein Nachfolger. Der alte Spielerstamm fand sich langsam wieder ein. Einige, wie Adolf Weddi, mussten im Krieg ihr Leben lassen, aber viele neue, junge Spieler kamen hinzu, so dass die Schauspielqualität wieder ein hohes Niveau erreichte und der Schlosssaal des Oldenburger Schlosses, als neue Spielstätte, meistens ausverkauft war. Gut 20 Jahre leitet Carl Hinrichs die AHB. Der Stil blieb weitgehend unverändert, aber die moderne Bühnentechnik wurde zunehmend genutzt. Gastspiele fanden in ganz Westdeutschland statt und AHB-Schauspieler wirkten in Filmen mit.
Am 7. Dezember 1967 starb Carl Hinrichs.[5]Heinz Schnittker, der schon seit 1939 bei der Bühne war, übernahm auf Wunsch der Theatergruppe die Bühnenleitung.[5] Er setzte weiterhin auf bewährte Bühnenstücke. Nach dem Tode von Heinz Schnittker wurde Günter Kühn am 8. August 1975 zum neuen Bühnenleiter gewählt.[6] Er begann, zunächst noch sehr vorsichtig, eine Wandlung in der AHB zu einer moderneren Theaterbühne mit zeitgemäßer Thematik und Problematik einzuleiten. Als Günter Kühn 1995 als Bühnenleiter zurücktrat und Herwig Dust die Leitung übernahm,[7] hatte er die Umwandlung der Niederdeutschen Bühne Oldenburg vom leichten Unterhaltungstheater zum ernsthaften und modernen Schauspiel schon ein gutes Stück vorangetrieben. Im September 1995 wurde Herwig Dust mit großer Mehrheit und starkem Rückhalt der Mitglieder der August-Hinrichs-Bühne zum neuen Bühnenleiter gewählt.
Am 17. Oktober 1998 zog die AHB mit der Premiere Foftein vom Schlosssaal zum Staatstheater um, und zwar in den neuen, kleineren Theateranbau „Das kleine Haus“. Für die Zuschauer war dies ein kritisch beäugter Wechsel, der aber schließlich gut angenommen wurde. Nach dem Tode von Heinrich Kunst wurde sein Bauernhaus in Ofenerfeld (Wiefelstede) zu einer Begegnungsstätte umgebaut. Hier richtete die AHB eine Studiobühne ein.
Um den Fortbestand der August-Hinrichs-Bühne zu sichern, begann Herwig Dust mit der intensiven Nachwuchsförderung. Er richtete „Platt ’n’ Studios“ ein, wo Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich unter der Leitung erfahrener Regisseure und Theaterpädagogen ausprobieren können. Diese „Nachwuchsstudios“ werden durch Sprachpaten der August-Hinrichs-Bühne betreut, um das Erlernen der plattdeutschen Sprache zu ermöglichen. Mit einer öffentlichen Präsentation schließen die Nachwuchsschauspieler der jeweiligen Kurse ihr Programm ab. Eine Übernahme in das Ensemble der AHB ist dann möglich.
Unter Markus A. Müller, Generalintendant des Oldenburgischen Staatstheaters von 2006 bis 2014, wurde die AHB noch intensiver in den Spielbetrieb des Staatstheaters eingebunden.
Es entstand die Sparte „Niederdeutsches Schauspiel am Oldenburgischen Staatstheater“, deren Herzstück die AHB mit ihren Mitgliedern ist. Für diese Sparte wurde die Position einer Dramaturgin (Janine Claaßen, Cornelia Ehlers, Gesche Gloystein, Sarit Streicher, Dorothee Hollender) und eines leitenden Regisseurs (Michael Uhl) eingerichtet.
Als Markus A. Müller nach acht Jahren von Oldenburg an das Staatstheater Mainz wechselte, übernahm Christian Firmbach 2014 die Intendanz in Oldenburg und somit auch die künstlerische Leitung der AHB.[9] Auch Christian Firmbach wird das Modell der Sparte „Niederdeutsches Schauspiel“ mit der AHB fortsetzen.
Am 22. August 2016 wurde Petra Bohlen von den Mitgliedern zur neuen Bühnenleiterin gewählt. Sie folgte damit Herwig Dust, der sich nach 21-jähriger Leitung der Bühne nicht mehr zur Wiederwahl stellt. Er bleibt weiterhin im Ensemble und Mitglied der AHB.
Am 25. Februar 2024 hat die Mitgliederversammlung die vorläufige Umbenennung des Vereins in Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater e. V. beschlossen. Der endgültige Name soll später entschieden werden.[10]
Besondere Ereignisse auf der Zeitleiste
1921: Entstehen einer Spielschar bei Gründung des Oldenburger Kring. Leitung: Emil Hinrichs.
1923: Anbindung an das Landestheater als Niederdeutsche Bühne unter Renato Mordo.
1939: Umbenennung der Niederdeutschen Bühne in August Hinrichs Bühne durch die Mitglieder.
1945: Ruhen des Spielbetriebs infolge Kriegsende.
1947: Wiederaufnahme des Spielbetriebs unter der Leitung von Carl Hinrichs.
1975: Übernahme der Bühnenleitung durch Günter Kühn.
1995: Übernahme der Bühnenleitung durch Herwig Dust.
2006: Einbindung der AHB als Sparte „Niederdeutsches Schauspiel“ am Oldenburgischen Staatstheater durch Generalintendant Markus A. Müller.
2014: Weiterführung der gemeinsamen Arbeit mit Generalintendant Christian Firmbach.
2016: Übernahme der Bühnenleitung durch Petra Bohlen.
2024: Vorläufige Umbenennung der Bühne in: Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater e. V.
Preise und Auszeichnungen
Die August-Hinrichs-Bühne ist mehrfacher Preisträger des Willy-Beutz-Schauspielpreises, den der Niederdeutsche Bühnenbund Niedersachsen und Bremen (NBB) alle zwei Jahre zur Förderung des Niederdeutschen Schauspiels ausschreibt.[8]
1981: 1. Preis Willy-Beutz-Schauspielpreis für De Trallen von Günter Kühn, Regie: Rudolf Plent[8]
1987: 1. Preis Willy-Beutz-Schauspielpreis für Maria Flint von Gerhardt/Megow, Niederdeutsch von Günter Kühn, Regie: Rudolf Plent[8]
1991: 2. Preis Willy-Beutz-Schauspielpreis für Dat Stück Land von J.B. Keane, Regie: Jens Ehlers[8]
2011: Lüttjepütt-Preis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung (Plattdeutschprogramm für Kinder und Jugendliche)
2012: 1. Preis Willy-Beutz-Schauspielpreis für Goot gegen Noordwind von Daniel Glattauer Regie: Dominik von Gunten[8]
2016: 2. Preis Willy-Beutz-Schauspielpreis für Nix as weg – rut ut Amal von Lukas Moodysson Regie: Michel Uhl[8]
Aufzeichnungen des Fernsehens an der Bühne
Weil das Erste Deutsche Fernsehen vorwiegend mit dem Ohnsorg-Theater zusammenarbeitete, produzierte das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) folgende AHB-Aufführungen und sendete diese mit großem Erfolg über seinen Kanal. Um eine bundesweite Aufmerksamkeit zu erreichen, wurden die Aufzeichnungen bis 1967 in Hochdeutsch aufgezeichnet und gesendet. Ab 1978 erfolgten die Ausstrahlungen über den NDR in niederdeutscher Sprache.[11]