Schon der Vater von Meir Kahane, Charles Kahane, war orthodoxer Rabbiner und ein radikaler Zionist. Er galt als amerikanischer Unterstützer der Irgun, einer Untergrundorganisation, die im Palästina vor der israelischen Staatsgründung Terroranschläge gegen die britische Besatzung sowie gegen die arabische Zivilbevölkerung verübte.[3] Den Sohn schickte der Vater in die von Wladimir Zeev Jabotinsky gegründete Betar-Jugend. Sein dortiger Jugendführer war der spätere israelische Verteidigungsminister Mosche Arens. Da die Betar-Jugend dem jungen Kahane jedoch noch nicht radikal genug war, trat er 1952 den Bne Akiwa bei.[4] Laut seiner Frau Libby soll Kahane in seiner Jugendzeit ein guter Schüler und Sportler gewesen sein.[3] Ein für ihn wichtiges Hobby war Baseball.[5] Laut Kahanes Angaben gab es in seiner Nachbarschaft nur wenige Juden, und er habe oft mit nichtjüdischen Jungen kämpfen müssen.[5]
Als Erwachsener ließ sich Kahane zum orthodoxen Rabbiner ordinieren und nahm den Vornamen Meir (hebr., „Der Erleuchtete“) an. 1956 heiratete er Libby, mit der er vier Kinder hatte.[3] 1958 wurde er der Rabbiner des Howard Beach Jewish Centers in Queens. Die Gemeinde galt als weniger strikt orthodox. Anfänglich gelang es ihm dort, viele der jungen Gemeinde-Mitglieder davon zu überzeugen, eine orthodoxere Lebensweise zu führen. Als er die Mechiza – die Trennung von Männern und Frauen in der Synagoge – einführen wollte, stieß er jedoch auf Widerstand. Sein Vertrag wurde nicht erneuert, und so veröffentlichte er den Artikel End of The Miracle of Howard Beach in der orthodox-jüdischen Zeitung Jewish Press. Dies war sein erster Artikel in dieser Zeitung, und er schrieb für sie bis zu seinem Tod 1990.[6]
Von Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre war Kahane als FBI-Informant tätig. Als dieser unterwanderte er zeitweise die John Birch Society.[3] Er operierte zu dieser Zeit unter dem Decknamen Michael King und gab sich als Christ aus.[4]
In den 1960er Jahren soll Kahane angeblich ein außereheliches Verhältnis zur Christin Gloria Jean D’Argenio gehabt haben, die sich 1966 das Leben nahm.[7] Dies und dass D’Argenios Selbstmord eine Reaktion auf die Beendigung des Verhältnisses durch Kahane gewesen sei, soll er dem Journalisten Michael T. Kaufman anvertraut haben.[8]
In den USA gründete Kahane 1968 die Jewish Defense League (JDL). Die JDL war eine paramilitärische Organisation, die sich primär gegen afroamerikanische Gangs richtete, die laut Kahanes damaliger Begründung die Juden bedrängten und antisemitisch seien. Angriffsziel der JDL waren auch Repräsentanten der Sowjetunion, um für die Auswanderungsfreiheit der russischen Juden zu demonstrieren.[4] Im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten wurde er insgesamt 18-mal verhaftet, doch jedes Mal wieder gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen.[9] Bezahlt hatte sie ihm stets der Mafia-Boss Joseph Colombo.[9] 1971 ging Kahane nach Israel.[10]
In Israel gründete Kahane 1971 die Kach-Partei. Zu den Zielen gehörten unter anderem die Forderung nach Errichtung von Großisrael und eine fünfjährige Gefängnisstrafe für Juden und Nichtjuden in einem Liebesverhältnis. 1980 wurde Kahane zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er in einen Plan verwickelt war, die beiden islamischen Heiligtümer auf dem Tempelberg, die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom, sprengen zu lassen.[2]
1984 erreichte die Kach-Partei einen Sitz im israelischen Parlament (Knesset). Kahane konzentrierte sich auf die Juden, die sich diskriminiert und gedemütigt fühlen und einen Groll gegen das aschkenasische Establishment hegten, deren Notlage sich in einem tiefen Hass auf die Araber ausdrückte.[11] Kahane veranstaltete damals eine in Israel aufsehenerregende Siegesfeier in Jerusalem, bei der ein arabischer Markt und Passanten überfallen wurden.[2] Kahane wurde Abgeordneter der Knesset und erklärte, keine Regierung zu unterstützen, die nicht befürworte, die Araber zu vertreiben. Die Vertreibung der Palästinenser, die in Israel und den israelisch besetzten Gebieten lebten – wurde zur wichtigsten religiös-politischen Botschaft.[11]
1988 wurde seine Wahlliste wegen Verstößen gegen das neu erlassene Wahlgesetz („Aufstacheln zum Rassismus“) nicht mehr zugelassen.[12] Ein Staatsanwalt vor dem obersten Gericht in Jerusalem plädierte, dass Kahane in jeder Hinsicht ein Nazi sei und seine veröffentlichten Erklärungen, Taten und Pläne der Weltanschauung Adolf Hitlers entsprächen. Der israelische Publizist Uri Avnery charakterisierte Kahane als „jüdischen Nazi“ und Kach als „Nazipartei“.[4]
„Es ist besser, ein Israel zu haben, das von der ganzen Welt gehasst wird, als ein Auschwitz, das von ihr geliebt wird.“[22]
„Eines der Probleme der Juden ist, dass sie ein jüdisches Konzept nicht mal erkennen würden, wenn sie darüber stolperten. Ich berief mich lediglich auf den Talmud. Die meisten Juden denken, dass Judentum ‚Thomas Jefferson‘ ist. Das ist nicht so!“[23]
Schriften
The Jewish Stake in Vietnam (1968)
The Story of the Jewish Defense League (1975)
They Must Go (1981)
Uncomfortable Questions for Comfortable Jews (1987)
Israel: Referendum or Revolution (1990)
Literatur
Karen Armstrong: Im Kampf für Gott. Fundamentalismus im Christentum, Judentum und Islam. München 2000, ISBN 3-88680-769-X, S. 485ff.
Rafael Mergui, Philippe Simmonnot: Israel’s Ajatollahs. Meir Kahane and the Far Right in Israel. Saqi Books, London 1978, ISBN 0-86356-142-X, S. 45.
Susann Witt-Stahl: Kahanes Traum. In: junge welt. Nr. 294, 17./18. Dezember 2022.
Alexander Friedman: Rabbi Meir Kahane (1932–1990) und seine Rezeption in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland. In: Medaon. Bd. 17 (2023), Heft 32 (online).
↑Meir Kahane: Uncomfortable Questions for Comfortable Jews, Lyle Stuart 1987, Part II: A Jewish State Versus Western Democracy; Part IV: Judaism Versus Western Democracy.
↑ abcdPhilippe Simonnot, Raphael Mergui: Israel’s Ayatollahs: Meir Kahane and and the Far Right in Israel. Saqi Books, London 1987, ISBN 0-86356-142-X, S. 40–78.
↑Reiner Nieswandt: Abrahams umkämpftes Erbe. Eine kontextuelle Studie zum modernen Konflikt von Juden, Christen und Muslimen um Israel/Palästina. Stuttgart 1998, S. 181.