Breschnew war der Sohn eines Metallarbeiters und wurde am 19. Dezember 1906 in Kamenskoje in der Ukraine, etwa 35 km westlich von Katerinoslaw, geboren.[1] Er absolvierte eine technische Ausbildung. Im Jahre 1923 trat er der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol bei. Ab 1923 leistete Breschnew seinen Militärdienst in der Roten Armee. Dort wurde er nach einer Ausbildung zum Panzersoldaten Politkommissar.
Danach studierte er bis 1935 am Metallurgischen Institut im zentral-ukrainischen Kamjanske (russisch Kamenskoje, von 1936 bis 2016 Dniprodserschinsk). Nach 1936 wurde er kurzzeitig Leiter dieses Instituts.
Erste Parteikarriere
Als Breschnew 1931 der KPdSU beitrat, war Josef Stalin ihr unangefochtener Führer und für viele Jungkommunisten ein Idol. Während und nach der Zeit des Großen Terrors von 1936 bis 1938 stiegen Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler in der Partei vorrangig auf, und Breschnew machte rasch Karriere. 1939 wurde er Parteisekretär der Oblast Dnepropetrowsk, zuständig u. a. für Propaganda und für die lokale Rüstungsindustrie.
Zweiter Weltkrieg
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde Breschnew, wie die meisten Politoffiziere, unverzüglich in die Rote Armee einberufen. Dort bekam er den Auftrag, die Evakuierung der örtlichen Rüstungsindustrie von Dnepropetrowsk in den Osten zu organisieren; die Stadt fiel am 26. August im Rahmen der Kesselschlacht von Kiew in deutsche Hände. Im Oktober 1941 wurde er zum Brigadekommissar und stellvertretenden Leiter der politischen Verwaltung der Südfront ernannt. Nach der vollständigen Besetzung der Ukraine durch die Deutschen wurde Breschnew im Sommer 1942 an die Front im Kaukasus versetzt. Mit der Abschaffung der Kommissare und der Einführung der Einzelleitung wurde sein Dienstgrad in den eines Obersts überführt.
Im April 1943 wurde er mit der Leitung der politischen Abteilung der 18. Armee beauftragt. Dort lernte er auch Nikita Chruschtschow kennen, der zu einem wichtigen Förderer Breschnews wurde. Als sich der Krieg zu Gunsten der Sowjetunion wendete, stieß die 18. Armee als Teil der 1. Ukrainischen Front über die Ukraine weiter nach Westen vor. Gegen Kriegsende war Breschnew 1. Mitglied des Kriegsrates der 4. Ukrainischen Front, als diese am 9. Mai 1945 Prag einnahm. Im August 1946 wurde Breschnew im Rang eines Generalmajors aus dem Militärdienst entlassen.
Aufstieg in der Nachkriegszeit
Nach zahlreichen Wiederaufbauprojekten in der Ukraine war Breschnew von 1946 bis 1947 Erster KP-Sekretär der Oblast Saporischschja und von 1947 bis 1950 in Dnepropetrowsk.
Von 1950 bis 1952 war Breschnew Erster Sekretär des ZK der KP der Moldauischen Sowjetrepublik (heute Republik Moldau) und zugleich stellvertretender Deputierter des Obersten Sowjets, als Legislative formell das höchste Staatsorgan der Sowjetunion.
Vom 16. Oktober 1952 bis zum 5. März 1953 war Breschnew Sekretär des Zentralkomitees (ZK) sowie Kandidat des Politbüros. 1954 wurde er Erster Parteisekretär in Kasachstan, bevor er nach Moskau zurückkehrte und am 27. Februar 1956 erneut ZK-Sekretär und Kandidat des Politbüros wurde.
1960 vertrat er im Zuge der U-2-Affäre – wie sein Förderer Chruschtschow – gemäßigte Positionen. Doch infolge dieser Krise setzten sich Politiker durch, die der seit 1959 betriebenen Politik der Annäherung an die USA – Chruschtschow war im September 1959 zu seinem ersten Treffen mit Präsident Eisenhower in die USA gereist – skeptisch gegenüberstanden. Dazu gehörte Frol Koslow, der Breschnew als Kronprinz Chruschtschows verdrängte. Daher musste Breschnew im Mai 1960 seinen Platz als ZK-Sekretär erneut räumen. Anstelle von Kliment Woroschilow war er in der Zeit zwischen 1960 und 1964 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets und damit Staatsoberhaupt der Sowjetunion. Politisch wurde der Wechsel in das Amt des nur formellen Staatsoberhaupts als ein Abstieg von der Macht bewertet.
Der Weg zum Parteichef
Es gelang ihm jedoch zunehmend, seine Position im Politbüro zu verbessern. Noch war Frol Koslow der zweite Mann nach Chruschtschow. Um 1960 und 1961 verloren mehrere Chruschtschow-Anhänger (Kiritschenko, Furzewa, Ignatow, Beljajew) ihre Politbüromandate. Koslow erlitt am 10. April 1963 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte; er starb im Januar 1965. Seit Koslows Schlaganfall war Breschnew der zweitmächtigste Mann hinter Chruschtschow. Am 22. Juni 1963 wurde Breschnew – zunächst unter Beibehaltung seines Postens als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR – Sekretär des ZK. Es war das dritte Mal, dass er in dieses Amt gewählt wurde.
Spätestens im Juni 1964, als er das Amt des Staatsoberhauptes an Anastas Mikojan abgab, um sich auf seine Aufgaben als ZK-Sekretär „zu konzentrieren“, war Breschnew der potenzielle Nachfolger Chruschtschows, der „Zweite Parteisekretär“. Er nutzte seine Chance, als vier Monate später, am 14. Oktober 1964, Chruschtschow mit der Mehrheit von Politbüro und Zentralkomitee als Parteichef abgesetzt wurde. Dabei warf man diesem unter anderem das Zerwürfnis mit der VR China, die Misserfolge in der Landwirtschaft und mangelhaftes kollektives Handeln vor. Es waren Michail Suslow, Dmitri Poljanski, Nikolai Podgorny und Alexei Kossygin, die Breschnew dabei halfen, neuer Erster Sekretär des ZK der KPdSU zu werden.
Generalsekretär und Staatschef
Am 8. April 1966 nahm er den Titel Generalsekretär des ZK der KPdSU an, eine Bezeichnung, die zuvor Josef Stalin von 1922 bis 1952 geführt hatte. Nachdem er sich machtpolitisch gegen seine Rivalen Alexei Kossygin und Nikolai Podgorny durchgesetzt hatte, war seine Position gefestigt. Den Beginn dieses Wandels vernahm die sowjetische Bevölkerung als positiv, so versprach Breschnew durch seine Berechenbarkeit eine gewisse Stabilität nach dem reformfreudigen Chruschtschow.
Im August 1968 ließ Breschnew den Prager Frühling gewaltsam durch eine Invasion von Truppen des Warschauer Pakts beenden und etablierte die sogenannte Breschnew-Doktrin, mit der die begrenzte Souveränität der sowjetischen Satellitenstaaten in Europa festgeschrieben wurde. Andererseits blieb nach 1970 die sowjetische Unterstützung für die sozialistische Regierung Salvador Allendes in Chile weitgehend rhetorisch, obwohl Allende gegen den drohenden Militärputsch um Wirtschafts- und Militärhilfe bat.
Am 22. Januar 1969 schoss der DeserteurWiktor Iljin mit zwei Pistolen auf die Fahrzeugkolonne, welche Breschnew und die aus dem Weltraum zurückgekehrten Kosmonauten von Sojus 4 und Sojus 5 zum Kreml brachte. Dabei verwechselte Iljin jedoch die Fahrzeuge und beschoss ein Auto mit ehemaligen Kosmonauten, darunter Alexei Leonow und Walentina Tereschkowa. Der Fahrer des Wagens wurde getötet, Iljin nach dem Attentat festgenommen.[2][3]
Am 19. Juni 1973 besuchte Breschnew die USA und führte Gespräche mit US-Präsident Richard Nixon.
1977 wurde Breschnew als Nachfolger von Podgorny erneut Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets und somit sowjetisches Staatsoberhaupt. Er vereinigte erstmals die Ämter des machtvollen Generalsekretärs des ZK der KPdSU und die des formellen Staatsoberhauptes in einer Person.
Leonid Breschnew galt als Apparatschik ohne hervorstechende Eigenschaften und personifizierte einerseits die Verkrustung und Erstarrung, der das Sowjetsystem zu seiner Zeit anheimgefallen war. Andererseits waren die Jahre unter Breschnew der einzige Zeitabschnitt, in dem die Sowjetunion innerlich etwas zur Ruhe kam. Zwischen Revolution, Stalinismus, Entstalinisierung und später Perestroika waren die Jahre unter Breschnew die einzigen der gesamten Geschichte der Sowjetunion, in denen diese keine internen Verwerfungen erfuhr. Unter ihm sollte das Durchschnittsalter der Mitglieder des Politbüros über 70 Lebensjahre erreichen. Michail Gorbatschow bezeichnete die Breschnew-Ära später als „Zeit der Stagnation“, vom russischen Historiker Wiktor Koslow später leicht spöttisch zum „Goldenen Zeitalter der Stagnation“ umgewandelt. Gorbatschow hatte während seiner Amtszeit Breschnew hart kritisiert, nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik relativierte er aber seine Kritik und äußerte, Breschnew sei „keineswegs der Comic-Bösewicht, zu dem er jetzt häufig gemacht wird“, gewesen.[4]
In der Innenpolitik leitete Breschnew eine Restalinisierung in Partei und Staat ein, deshalb spricht man auch vom sogenannten Neostalinismus. So wurde unter anderem die Meinungsfreiheit wieder massiv eingeschränkt, die Strafen bei politischen Gesetzesbrüchen wurden deutlich verschärft, und es wurde der Versuch unternommen, Stalin wieder zu rehabilitieren und positiv erscheinen zu lassen, indem man seine großen Verdienste während des Zweiten Weltkrieges hervorhob.[5]
Außenpolitisch profitierte Breschnew ab Anfang der 1970er Jahre von einer durch den verlorenen Vietnamkrieg hervorgerufenen temporären Schwäche der USA, die der Sowjetunion eine kurze Atempause im Rüstungswettlauf verschaffte. Dieser kurzen Phase der Entspannung – sie dauerte nur von ca. 1972 bis 1979 – setzte Breschnew mit der militärischen Intervention in Afghanistan im Dezember 1979 selbst ein Ende. Dieses Unternehmen entwickelte sich zu einem Debakel. In der Folge scheiterte die Ratifizierung des SALT-II-Vertrages vor dem US-Senat und es kam zum Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau durch die USA und 64 weitere Nationen, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland.
Ende 1974 stellten die Ärzte bei Breschnew eine beginnende Hirngefäßverkalkung fest. In seinen letzten Lebensjahren erlitt Breschnew mehrere Schlaganfälle und Herzinfarkte, die seine intellektuelle Aufnahmefähigkeit stark herabsetzten. Er wurde als Generalsekretär aber immer wiedergewählt, unter anderem, weil seine Parteigänger ihre Posten behalten wollten und jede Veränderung fürchteten.
Für seine Bücher Das kleine Land (russisch Malaja semlja) und die Folgebände Wiedergeburt und Neuland wurde Breschnew mit dem Leninpreis für Literatur ausgezeichnet. Die drei Memoirenbände wurden in einer Auflage von 15 Millionen Exemplaren herausgegeben. Mehrere Jahre lang wurden diese Werke im Literaturunterricht in der Schule thematisiert. Fünf Jahre nach seinem Tod wurde Breschnews Memoirentrilogie aus den Buchhandlungen entfernt.
Breschnew starb am Morgen des 10. November 1982 im Schlaf an „plötzlichem Herzstillstand“.[6] Nach seinem Tod war die Sowjetunion zwei Tage lang de facto ohne Staatsoberhaupt. Breschnews Grab liegt in der Nekropole an der Kremlmauer in Moskau.[7] Die Stadt Nabereschnyje Tschelny wurde ihm zu Ehren in Breschnew (Брежнев) umbenannt, erhielt aber 1988 ihren ursprünglichen Namen zurück.
Breschnew sagte, er könne sich nicht erinnern, „daß irgendjemand im letzten Drittel dieses Jahrhunderts mit so einer Inbrunst die Sowjetunion zu seinem militärischen Gegner erklärt und sein Rüstungsprogramm mit Blick auf den Zusammenstoß mit uns aufgebaut hätte, wie es jetzt Mode in Washington ist“.[10]
„Der Kommunismus ist die einzige politische Bewegung der Welt, die, mit der wissenschaftlichen Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung ausgerüstet, klar die historischen Perspektiven der Menschheit erkennt. […]“
Auf dem Wege Lenins. Reden und Aufsätze. (neun Bände) Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1971–1984.
Über die Politik der Sowjetunion und die internationale Lage. Reden und Schriften. Pahl-Rugenstein, Köln 1973, ISBN 3-7609-0092-5.
Die KPdSU im Kampf für die Einheit aller revolutionären und friedliebenden Kräfte. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-88012-191-5.
Fragen der Agrarpolitik der KPdSU und die Erschließung der Neulandgebiete Kasachstans. Ausgewählte Reden. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1975.
Das kleine Land. Erinnerungen. Dietz Verlag, Berlin (DDR), 1978.
Wiedergeburt. Erinnerungen. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1978.
Neuland. Erinnerungen. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1979.
Die sowjetischen Gewerkschaften unter den Bedingungen des entwickelten Sozialismus. Verlag Tribüne, Berlin 1979.
Für Frieden, Entspannung, Abrüstung. Aus Reden und Interviews 1971–Februar 1980. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88012-606-2.
Für gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0670-2.
Erinnerungen. Heimatliebe/Leben nach der Werksirene. Dietz Verlag, Berlin 1982.
Literatur
Merle Fainsod: Wie Rußland regiert wird. Kiepenheuer & Witsch, Köln/Berlin 1965.
Leonid Breschnew – kann man ihm trauen? In: Der Spiegel. Nr.51, 1971 (online – Titelgeschichte).
Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU (Hrsg.): Leonid Iljitsch Breshnew. Kurzer biographischer Abriß. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1977.
Reinhard Meier, Kathrin Meier: Sowjetrealität in der Ära Breschnew. Seewald, Stuttgart 1980, ISBN 3-512-00612-4.
↑Aus: Wolfgang Leonhard: Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus. Düsseldorf/Wien 1979, S. 251–256.
↑Sowjet-Union – von Breschnew zu Andropow. In: Der Spiegel. Nr.46, 1982 (online).
↑Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU: Die Kommunistische Internationale. Kurzer historischer Abriß. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1970, S. 673 f.
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