Das Kloster Sankt Emmeram ging aus einer Georgskirche über einer frühchristlichen Gräberstätte hervor, die im urbanen Siedlungsbereich südwestlich außerhalb des ehemaligen römischen Legionslagers Castra Regina lag. Im 7. Jahrhundert nach Christus wurde dort der heilige Emmeram von Regensburg beigesetzt. Im 8. Jahrhundert nach Christus entstand in diesem Bereich ein Kloster des Ordens der Benediktiner. Die jeweiligen Vorsteher des Klosters waren von 739 bis 975 gleichzeitig auch Bischöfe von Regensburg im Bistum Regensburg.
Unter Herzog Arnulf I. wurde nach 920 die Westmauer des ehemaligen römischen Legionslagers abgerissen, um die im neuen urbanen Siedlungsbereich entstandenen Klostergebäude durch den Neubau der Arnulfinischen Stadtmauer in das zukünftig durch eine Stadtmauer geschützte Gebiet der im Entstehen begriffenen Stadt Regensburg einbeziehen zu können. Nach Beendigung der Baumaßnahmen wurde das Kloster Sankt Emmeram 972 zum Reichskloster erhoben und 975 Ramwold als der erste selbstständige Abt berufen.
Besitzungen
Nach der Gründung des Klosters Sankt Emmeram schenkte Herzog Tassilo III. von Bayern dem Kloster Land in der Mark Chamb. Dort errichteten die Benediktiner von Sankt Emmeram angeblich schon im Jahr 739 in Chammünster mit dem Kloster Chammünster eine Zelle als christlichen Missionsstützpunkt für das böhmische Grenzgebiet. Die erste urkundliche Erwähnung des Klosters Chammünster geht allerdings erst auf das Jahr 819 zurück. Um das Jahr 910 wurde die Zelle wahrscheinlich von den Ungarn zerstört. 975 wurde infolge der Trennung von Bischofsstuhl und Kloster St. Emmeram durch Wolfgang von Regensburg die Zelle Chammünster dem Bischof zugeteilt.
In dieser Zeit entwickelte sich das Skriptorium des Klosters St. Emmeram zu einem Zentrum der Buchmalerei. Es entstanden das Sakramentar Heinrichs II. (zwischen 1002 und 1014) und der Uta-Codex (kurz nach 1002). Die Bedeutung des Klosters als Kulturmittelpunkt ließ im 16. Jahrhundert nach, als Regensburg 1555 auf Grund des Augsburger Reichs- und Religionsfriedens, dem sich Ottheinrich von der Pfalz aus dem Hause Wittelsbach angeschlossen hatte, evangelisch-lutherisch wurde.
Erlangung der Fürstabtwürde
Nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) und der Rekatholisierung in Bayern setzte nach 1625 im 17. und 18. Jahrhundert erneut ein Aufschwung der Bedeutung von Sankt Emmeram unter den Äbten Frobenius Forster und Cölestin Steiglehner und den Patres Roman Zirngibl und Placidus Heinrich ein, die vor allem Kenntnisse in den Naturwissenschaften förderten. Angehörige des Ordens der Benediktiner konnten auf eine lange Tradition astronomischer Forschungen zurückgreifen, zu denen auch das Astrolabium des Wilhelm von Hirsau zählte. Die Akademie des Klosters in der nunmehr freien ReichsstadtRegensburg entwickelte sich während dieser Zeit zu einem Gegenpol zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg, 1658, nahm der Abt von St. Emmeram mit einer Kuriatstimme der rheinischen Reichsprälaten im Reichstag teil. 1731 bestätigte der Kaiser die Fürstenwürde des Abtes der nunmehr gefürsteten Reichsabtei Sankt Emmeram, die zum bayerischen Reichskreis zählte. Von 1731 bis 1733 erfolgte die Neuausgestaltung der mehrfach ausgebrannten und danach immer wieder aufgebauten AbteikircheSt. Emmeram durch die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam im Stil des Barocks.
Die Liste der Vorsteher von St. Emmeram umfasst 13 Bischöfe von Regensburg, denen als „Eigenherren“ von 739 bis 975 auch das Kloster unterstand, 55 bzw. 54 „selbständige“ Äbte – darunter Pabo mit zwei Amtszeiten – in den Jahren 975 bis 1725 und ab 1725 bis 1802 vier Fürstäbte, die Reichsunmittelbarkeit genossen.
Das Wappen ist geviert: In 1 gespalten vom Alten Reich und Frankreich, in 2 gespalten von Silber und Rot, vorne ein aufrechter roter Palmzweig, hinten ein aufrechter silberner Schlüssel, und 3 gespalten von Rot und Silber, vorne ein aufrechter silberner Schlüssel, hinten ein aufrechter roter Palmzweig, in 4 gespalten von Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Von dem Wappen (Felder 2 und 3) gibt es bereits eine Abbildung aus dem Jahre 1358.[5] In Johann Siebmachers Wappenbuch von 1605 ist ein geachteltes Wappen dargestellt.[6] Dieses Wappen wurde teils auch mit einem Mittelschild verwendet, auf dem St. Emmeram mit der Leiter abgebildet ist.
Die Felder 1 und 4 dürften eine Wiedergabe des angeblichen Wappens Karls des Großen sein, welches den Reichsadler und die „französischen“ Lilien umfasst.
Darstellung Karls des Großen mit den Wappen des Reichs und Frankreichs
Wappen der Reichsabtei Sankt Emmeram
Aus Johann Siebmachers Wappenbuch von 1605: in der Mitte das Wappen der Reichsabtei St. Emmeram in Regensburg
Die Gebäude und das Gelände des Klosters wurden 1810 vom Fürstenhaus Thurn und Taxis erworben. Zum Residenzschloss im heutigen Zustand, das den Namen Schloss St. Emmeram bzw. Schloss Thurn und Taxis führt, wurden die Klostergebäude 1883/88 unter Fürst Maximilian Maria von Thurn und Taxis vom fürstlichen Baumeister Max Schultze um- und ausgebaut. Der bauliche Charakter der alten Reichsabtei und der Kreuzgang blieben beim Umbau erhalten.
Sakralgebäude
Die Kirche St. Emmeram ist eine dreischiffige Basilika mit Westquerhaus und drei Chören auf einem Grundriss aus der Romanik. Sie geht auf einen ersten Kirchenbau, eine Georgskirche aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zurück. In ihr wurden zahlreiche Heilige und Würdenträger beigesetzt, wie z. B. der heilige Emmeram und der ostfränkische König und römische Kaiser Arnulf von Kärnten.
Der Glockenturm von St. Emmeram im Stil eines freistehenden Campanile wurde von 1575 bis 1579 errichtet, nachdem der Vorgängerturm wegen Alters und nach mehreren Blitzeinschlägen baufällig geworden war. Der sechsgeschossige Turm gilt als das bedeutendste Bauwerk der Renaissance in Regensburg. Er ist aus Grünsandstein-Sichtmauerwerk erbaut, steht auf einer quadratischen Grundfläche von 10,4 Quadratmetern und hat eine Gesamthöhe von 63 m. Sein Standort nördlich der Klosterkirche befand sich bei der Errichtung mitten im einstigen Klosterfriedhof, nahe der ehemaligen Friedhofskirche St. Michael, die 1890 dem heutigen Pfarrhaus St. Emmeram weichen musste. Der Turmschaft gliedert sich in das rustizierte Sockelgeschoss, den dreigeschossigen Mittelteil und das zweigeschossige Glockengeschoss. Gesimsbänder gliedern den Turm wie einen Stockwerksbau in sechs gleich hohe Geschosse. Die Belichtung erfolgt im dritten Geschoss durch ein bzw. zwei Doppelfenster und im Obergeschoss durch paarweise angeordnete Doppelarkaden. Die Turmbekrönung mit Kuppeldach ersetzte 1777 die bei einem Brand 1642 verloren gegangene Bekrönung. Bei umfangreichen Sanierungsarbeiten kam es zuletzt 1968 zu erheblichen Verlusten der ursprünglichen Oberflächen der verwendeten Steine, so dass nur noch die Steine der Südfassade im authentischen Zustand erhalten sind.[7]
Die Kirche St. Rupert ist die ehemalige Pfarrkirche des Klosters am Emmeramsplatz und trägt den Namen des heiligen Rupert von Salzburg. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts im romanischen Stil errichtet und anschließend im Stil der jeweiligen Zeit umgebaut.
Links: Turm der Basilika, davor der Kindergarten, rechts: Portal mit Zugang zur Basilika
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien und reichsunmittelbaren Geschlechter vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 6., vollständig überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44333-8, S. 513–514 (Regensburg, Sankt Emmeram (Reichsabtei, gefürstete Abtei)).
Die Traditionen des Hochstiftes Regensburg und des Klosters S. Emmeram. Bearbeitet von Josef Widemann (Neudruck Aalen 1969 und 1988), München 1943. In: Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte. Neue Folge 8.
Walter Ziegler: Das Benediktinerkloster St. Emmeram zu Regensburg in der Reformationszeit. In: Thurn und Taxis-Studien 6. 1970, S. 3 ff.
Christine Rädlinger-Prömper: Sankt Emmeram in Regensburg. Struktur- und Funktionswandel eines bayerischen Klosters im frühen Mittelalter. In: Thurn und Taxis-Studien 16. Kallmünz 1987.
Christine Rädlinger-Prömper: St. Emmeram in Regensburg. Geschichte – Kunst – Denkmalpflege; Thurn und Taxis-Studien 18. Kallmünz 1992.
Franz Fuchs: Das Reichsstift St. Emmeram. Herausgegeben von Peter Schmid. In: Geschichte der Stadt Regensburg. 2000, S. 730–744.
Peter Morsbach, Fotos Achim Bunz: St. Emmeram zu Regensburg. Ehem. Benediktiner-Abteikirche; Großer Kunstführer Nr. 187. Schnell & Steiner, Regensburg 1993.
Bischöfliches Ordinariat Regensburg (Hrsg.): 1803 – Die gelehrten Mönche und das Ende einer 1000-jährigen Tradition; Begleitheft zur Ausstellung. Regensburg 2003.
Michael Schmidt: Der Glockenturm von St. Emmeram. Zum Verhältnis von Tradition und Retrospektive im 16. Jahrhundert. In: Arbeitskreis Regensburger Herbstsymposium (Hrsg.): Zwischen Gotik und Barock, Spuren der Renaissance in Regensburg. Beiträge des 26. Regensburger Herbstsymposions für Kunst, Geschichte und Denkmalpflege vom 18. bis 20. November 2011. Dr. Peter Morsbach Verlag, 2012, ISBN 978-3-937527-55-0, S. 49–89.
Dominik Alexander Kaufner: Kloster, Stadt und Umland. Wirtschaftliche, memoriale und personelle Verflechtungen der Benediktinerabtei St. Emmeram in Regensburg (975–1326) (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Band 174), München 2019, ISBN 978-3-406-10787-0.
↑Urkunde: Kloster St. Emmeram Regensburg Urkunden (0794-1800) BayHStA, Kloster St. Emmeram Regensburg Urkunden 8. In: Monasterium.net. ICARUS – International Centre for Archival Research, abgerufen am 2. Februar 2023 (König Ludwig der Deutsche bestätigt dem Kloster St. Emmeram die ihm von dem Grafen Wilhelm geschenkten Güter zwischen den Flüssen Aist und Naarn bis zu dem Ort, wo sie in die Donau münden, sowie in Rostorf und verleiht für die dortigen Klostergüter Immunität und Schutz in einer Urkunde vom 18. Januar 853).
↑Franz Fuchs: Gefälschtes Diplom König Ludwigs des Kindes für das Kloster St. Emmeram in Regensburg. In Ratisbona sacra: Das Bistum Regensburg im Mittelalter; Ausstellung anläßlich des 1250jährigen Jubiläums der kanonischen Errichtung des Bistums Regensburg durch Bonifatius, 739–1989; Diözesanmuseum Obermünster, Regensburg, 2. Juni bis 1. Okt. 1989 das Bistum Regensburg im Mittelalter. Schnell & Steiner, München 1989, ISBN 3-7954-0647-1, S. 191.
↑„Die in den Akten mitgeteilte Bischofsliste diente sehr wahrscheinlich einem Schreiber von St. Emmeram in Regensburg als Vorlage, der bei der Erzählung von der Weihe der Klosterkirche St. Emmeram durch Papst Formosus 898 Sept. 24 (VIII. kal. oct.) 4 Erzbischöfe und 16 Bischöfe als Teilnehmer anführt, darunter Adalpero von Augsburg … Für Papst Formosus, der schon 896 April 4 gestorben war, läßt sich jedoch kein Aufenthalt in Regensburg nachweisen. Auch ist die Kirche des Klosters in diesen Jahren nicht abgebrannt, wie eine der Überlieferungen dieser Weihenotiz wissen will … Die Erfindung dieser Geschichte gehört vielmehr in den Zusammenhang der St. Emmeramer Urkundenfälschungen des 11. Jahrhunderts, die den päpstlichen Schutz für das Kloster erstrebten… Die darauf bezüglichen Urkunden Arnolfs und Ludwigs d. K. sind Fälschungen Otlohs von St. Emmeram… Die Urk. Ludwigs d. K. erwähnt auch die Weihe der Kirche durch Papst Formosus auf Bitte Arnolfs.“ Regesta Imperii RIplus Regg. B Augsburg 1 n. 56 (online; abgerufen am 3. November 2016).
↑Paulus VI.: Litt. Apost. Terra sacra. In: Acta Apostolicae Sedis. 56, 1964, Nr. 15, S. 915 f.
↑Michael Schmidt: Der Glockenturm von St. Emmeram. In: Arbeitskreis Regensburger Herbstsymposium (Hrsg.): „Zwischen Gotik und Barock“ Spuren der Renaissance in Regensburg. Band26. Dr. Peter Morsbach Verlag, Regensburg 2012, ISBN 978-3-937527-55-0, S.49ff.