Wegen der Errichtung des Westhafens in Moabit wurde das in der Nähe des Plötzensees liegende Evangelische Johannesstift in den Spandauer Forst verlegt. Den Entwurf Kuhlmanns führten die Architekten Hermann Solf und Franz Wichards aus. Die Wohngebäude wurden 1907–1910 errichtet, die Kirche 1914–1917. Ihr Inneres wurde zunächst durch Winfried Wendland 1936 umgebaut. Die eigentliche stilistische Bereinigung führte 1967–1968 Karl Wilhelm Ochs durch. Zuletzt wurde die Kirche im Jahr 2003 umfassend umgestaltet.
Der Grundriss der Kirche hat die Form eines gedrungenen lateinischen Kreuzes. Da das nicht gerade lange Langhaus zwei schmale niedrige Seitenschiffe hat, erscheint sie von außen als Kreuzbasilika mit mächtigem Vierungsturm. Innen tritt dieser Vierungsturm nicht in Erscheinung, und die Querhausarme bestehen jeweils aus zwei in Längsrichtung der Kirche angeordneten
Jochen, bilden also für den Kirchenraum kurze breite Seitenschiffe, deren Gewölbe in gleicher Höhe ansetzen wie die des Mittelschiffs. Damit ist die Stiftskirche auch eine Hallenkirche. Der eingezogene polygonaleChor hat niedrige Anbauten. Wegen der Kürze aller um die Vierung gruppierten Gebäudeteile hat die Stiftkirche außerdem etwas von einem Zentralbau.
Die Stichkappentonne über dem Mittelschiff ist netzgewölbeartig gestaltet, aber im Sinne eines Zellengewölbes ohne wirkliche Rippen. Beim Umbau in den 1960er Jahren wurden die Emporen an der Seite mit der Empore auf der Eingangsseite verbunden, auf der die Orgel steht. Die Fenster des Chors wurden bis zum Boden verlängert. Zu dieser Zeit wurden auch die Pergolen rechts und links des Portals angebracht. Karl Wilhelm Ochs ließ auch die dekorative Malerei und die historische Ausstattung entfernen.
Da sich von 1928 bis 1998 im Johannesstift die Berliner Kirchenmusikschule befand, erhielt die Kirche 1937/1938 eine Kemper-Orgel. Sie wurde 1968 ersetzt durch eine große Walcker-Orgel, die von der Firma Otto Hoffmann 2003 überholt und erweitert wurde. Mit 64 Registern auf vier Manualen und Pedal gehört sie zu den größten Orgeln Berlins. Die Disposition ist stark neobarock-experimentell geprägt und wurde von den Berliner Orgelwissenschaftlern Herbert Schulze und Karl Theodor Kühn entworfen. Sie lautet:[1]
Die unübliche Schreibweise der Aliquotregister (z. B. 8⁄3′statt 22⁄3′) soll andeuten, mit welchem Grundton diese in Beziehung stehen (hier: 8').
Glocken
In der Glockenstube mit quadratischem Grundriss (Seitenlängen 2,4 m) hängt ein Geläut aus vier Bronzeglocken, wobei die kleine Glocke nur als Schlagglocke genutzt wird.
Bei der Einweihung der Kirche verfügte die Gemeinde über ein dreistimmiges Geläut aus Gussstahl-Glocken, die im Bochumer Verein gegossen worden waren. Eine Inventarliste der Gießerei enthält folgende Angaben: das Ensemble aus Glocken mit Klöppel, Lager, Achsen und Läutehebel kostete in der Herstellung 1551 Mark.[2]
Diese Glocken waren wohl der Diakoniegemeinde noch vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr brauchbar, so dass ein komplettes Geläut aus hochwertiger Glockenbronze in Auftrag gegeben und installiert wurde. Es nicht bekannt, ob Glocken als Metallspende des deutschen Volkes in den Kriegen abgefordert und später erneuert worden sind.
↑Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef, eingesehen am 6. August 2019.