Fidel von Thurn (1629–1719), Hofmarschall des Abtes von Sankt Gallen, liess 1706 zusammen mit seiner Gemahlin Maria Klara Eva Eleonora von Hedenheim im Südwesten des rund 13 Hektar grossen Schlossareals Wartegg eine Kapelle mit Kaplaneipfründe erbauen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 29. Mai 1706.
Erster Kaplan wurde der Dornbirner Franz Ulrich Thurnherr. Der Geistliche war aufgrund der «Lauretanische[2] Stiftung» verpflichtet, täglich in der Kapelle die heilige Messe zu lesen, dreimal in der Woche für den Schlossherrn und seine Familie, sowie jeden Abend den Rosenkranz zu beten oder vorbeten zu lassen. 1732, einige Jahre nach dem Tod Fidel von Thurns, wollte der Kaplan neben der Kirche eine Kaplanei bauen lassen. Die Witwe von Fidel von Thurn unterstützte dies, der Sohn Gall Anton bekämpfte dieses Vorhaben. Es kam zu einem jahrelangen Prozess, der das Gericht des Abtes von St. Gallen, die Nuntiatur in Luzern und die Kurie in Rom beschäftigte. Kaplan Thurnherr verlor den Prozess, dennoch war das Haus gebaut.
1840 wurde die Kapelle im Auftrag des Kantonsrates Dominik Gmürr renoviert. 1873 wurde sie im Auftrag des Herzogs Robert I. von Parma im neuromanischen Stil umgebaut. Dieser Eingriff ist bis heute für die Kapelle beherrschend.
Nach dem Ersten Weltkrieg hielten sich der ehemalige Kaiser Karl von Österreich und seine Gemahlin Zita und deren Kinder in Schloss und Kapelle Wilen Wartegg auf. Auch Papst Pius XII. soll sich nach Wartegg erkundigt haben. Nachdem 1924 die Familie Bourbon-Parma Wartegg aufgeben musste, war die Stellung der Kaplanei ein länger ungelöstes Problem.
Nach dem Wegzug der ehemaligen österreichischen Adligen bildete sich 1924 ein Wartegg-Verein, der dann alles verkaufte. Die Kapelle und die Kaplanei gingen in das Eigentum der Diözese St. Gallen über. Seit 1947 ist das Grundstück im Eigentum der katholischen Kirchgemeinde Rorschach.
1957 wurden die Gebeine von Robert Lucas Pearsall in die Loretokapelle Wilen-Wartegg umgebettet. 1967/1968 erfolgte eine Renovierung der Kapelle und der Kaplanei mit Unterstützung der Denkmalpflege des Kantons St. Gallen. 1997 wurde die Kapelle nochmals renoviert.
Die Kapelle und die Kaplanei werden heute für vielerlei Aktivitäten genutzt. Im Gotteshaus werden weiterhin Gottesdienste abgehalten und die Kaplanei wird für ökumenische Programme genutzt.[3]
Bau und Ausstattung
Der heute neuromanisch gestaltete Bau liegt am Rand des Warteggparks. Der Grundriss ist kreuzförmig. Auf der Vorhalle und den Dächern der Seitenkapellen befinden sich Steinskulpturen, welche an die Lilien der Bourbonen mahnen (französische Lilie).
Das Innere ist schlicht ausgestattet. Im «Kreuzgang» vor dem Altar finden sich in den beiden Durchgangsbogen Medaillons von ehemaligen Herrschern Europas, wie Kaiser Karl dem Grossen, verschiedenen französischen Königen wie Ludwig XIV. bis zu Herzogen von Parma. Vor den Stufen zum Altar befinden sich zwei Grabplatten, die an Pia (1877–1915) bzw. Isabella von Bourbon-Parma (1898–1984) erinnern, welche in dieser Kapelle die letzte Ruhe gefunden haben.
Literatur
Gregor Th. Brunner: Heraldik in der Kapelle Wilen-Wartegg, Rorscherberg. In: Archivum heraldicum : internationales Bulletin = bulletin international = bollettino internazionale. 100 (1986), H. 1–2, doi:10.5169/seals-746206#15, S. 8–18 (E-Periodica).
Gregor Th. Brunner: Ergänzung zu Heraldik in der Kapelle Wilen-Wartegg, Rorscherberg. In: Archivum heraldicum : internationales Bulletin = bulletin international = bollettino internazionale. 101 (1987), H. 1–2, doi:10.5169/seals-746220#21, S. 18–20. (E-Periodica)